Protokoll der Sitzung vom 18.05.2011

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bildungs- und Teilhabepaket ist ein schönes Beispiel für Politikertricks und Verwaltungschaos. Der Trick besteht darin, den Hartz-IV-Empfängern zuerst das Elterngeld zu streichen, dann genau diese auf diese Weise eingesparte Summe zu nehmen und damit den großen Volksfreund zu spielen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das erinnert an Big Jim Colosimo, dem Mafiaboss der 20er-Jahre in Chicago, der die von ihm beherrschten und kontrollierten Viertel ausplünderte und zur Weihnachtszeit als Nikolaus auftrat und Gänsebraten verteilte,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

die er von einem kleinen Teil seiner Beute bezahlte. Und manche fielen auch darauf herein und waren ihm sogar dankbar.

Von ihrem eigenen Geld, das sie vor Kurzem ohnehin auf ihr Konto überwiesen bekamen, erhalten die Empfänger von Arbeitslosengeld II jetzt – unter Umständen und vielleicht, wenn es den Behörden gefällt – ein Mittagessen für ihre Kinder, Lernförderung, Schulmaterial oder die Teilnahme der Kinder an Musikkursen bezahlt. Aber das müssen sie beantragen. Das Geld bleibt erst einmal in der Hand des Staates, der die Antragsbedingungen so undurchsichtig und kompliziert gestaltet, teilweise, dass sich bisher nur wenige Bürger trauten, überhaupt einen Antrag zu stellen. Die Geringverdiener, die nicht Arbeitslosengeld II beziehen, sondern stattdessen Wohngeld oder Kinderzuschlag, die wissen meist überhaupt nicht, dass sie auch antragsberechtigt sind.

Letztendlich handelt es sich um eine menschenverachtende Entmündigungsaktion.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Man nimmt den Empfängern von Hartz IV das Geld, das Elterngeld, aus der Hand, aber nur ihnen, nicht etwa den

Besserverdienenden. Kindergeld bekommen Hartz-IVEmpfänger im Übrigen effektiv ja auch nicht, das wird als Einkommen angerechnet, aber Millionäre und Milliardäre bekommen natürlich Kindergeld. Wer nicht viel Geld hat, dem wird in diesem Staat wohl generell unterstellt, dass er zur Kindererziehung und auch zum Umgang mit Geld nicht fähig sei, sodass er unter Kuratel gestellt werden müsse – als ob es in reichen Familien nicht auch wohlstandsverwahrloste Kinder und Jugendliche geben könnte und auch gibt.

(Udo Pastörs, NPD: Massig.)

Korrekt wäre es gewesen, den Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld zu lassen und zusätzlich ein Unterstützungspaket für bedürftige Kinder zu verabschieden. Aber das wollte man nicht. Lasst die Bedürftigen ihre Unterstützung selber bezahlen, und zwar so, dass sie es nicht merken. Linke Tasche, rechte Tasche, das scheint die Divise der Bundesregierung zu sein. Vermutlich ist sogar schon ein kleiner Gewinn fest eingeplant, in der Hoffnung, dass viele Anspruchsberechtigte sich gar nicht erst melden.

So wird das Sozialstaatsprinzip zur Farce. Es scheint auch die Absicht dahinterzustecken, möglichst viel Kontrolle über die Kindererziehung von den Eltern auf den Staat zu übertragen.

(Udo Pastörs, NPD: Ja.)

Dass es noch Eltern gibt, die ihre Kinder tatsächlich zu Hause erziehen, anstatt sie bei einer Kita abzuliefern, scheint manche Leute ja zur Weißglut zu bringen.

Bis die Bezieher von Wohngeld- und Kinderzuschlag die Leistungen des Bildungspaketes in Anspruch nehmen können, da wird noch einige Zeit ins Land ziehen, denn noch ist die notwendige landesgesetzliche Regelung, die den Landkreisen und kreisfreien Städten die erforderlichen Zuständigkeiten zuspricht, nicht in Kraft und dann muss auch die Verwaltung erst noch in die Gänge kommen.

Schneller dagegen ist man bei der Versorgung von ausländischen Mitbürgern. Das sogenannte Flüchtlingsaufnahmegesetz wird vereinfacht, damit den Zuwanderern in Zukunft bei jeder Änderung der entsprechenden Norm des SGB II die Leistungen sofort gewährt werden können, ohne dass erst Landesrecht geändert werden muss. Wer kontrolliert dabei eigentlich, ob es sich wirklich um Flüchtlinge handelt und nicht vielmehr um Leute, die keine Lust haben, etwa an der Demokratisierung in Tunesien mitzuarbeiten, um es sich stattdessen im Ausland gut gehen zu lassen?

Die NPD wird sich der Stimme enthalten, denn einerseits ist das Kinder- und das Bildungspaket zwar nur ein schäbiger Ersatz für das gestrichene Elterngeld, aber besser als gar nichts und es muss den Leuten zugänglich gemacht werden, aber andererseits haben wir auch keine Lust, irgendwelche Pseudoflüchtlinge zu unterstützen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort für die Fraktion der CDU hat der Abgeordnete Herr Rühs. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem hier vorgelegten Gesetzentwurf sollen die auf Bundesebene gefassten Beschlüsse zum ALG II im Land Mecklenburg-Vorpommern umge

setzt werden. Wir alle haben die Diskussionen verfolgt – einige sehr viel dichter als andere –, die auf der Bundesebene insbesondere um die Erhöhung der Regelsätze und das Bildungs- und Teilhabepaket geführt wurden.

Mit der jetzt beschlossenen zweistufigen Erhöhung der Regelsätze um insgesamt 8 Euro in der zweiten Stufe ab Januar 2012 ist ein guter und tragfähiger Kompromiss gefunden worden. Ein besonderes Anliegen der Koalition auf Bundesebene war es, die Leistungen für Kinder von Familien im ALG-II-Bezug zu verbessern. Dazu wurden die Leistungen im Bereich Mittagessen, Lernförderung, Kultur und Sport sowie Schulbedarf für alle Kinder, deren Familien Hartz IV, Sozialhilfe, Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen, eingeführt. Insgesamt wird mit diesen Leistungen ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro für diese Kinder bereitgestellt. Ab 2014 fallen dann 400 Millionen Euro für Mittagessen und Schulsozialarbeit wieder weg.

Mit diesen Änderungen ist es nach schwierigen Verhandlungen gelungen, einen guten Kompromiss zu erreichen. Dieser setzt nun die vom Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen an die Berechnungsmodalitäten um. Auch wenn es auf Bundesebene nicht einfach war, diesen Kompromiss auszuhandeln, so konnte im Ergebnis auch ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Situation der Kinder in prekären Verhältnissen gemacht werden.

Diese Verbesserungen nun in unserem Land für die Menschen umzusetzen, ist Aufgabe dieses Gesetzes. Insgesamt sollen dadurch in diesem Jahr etwa 45 Millionen Euro auf unser Bundesland entfallen. Dabei ist es wichtig, die Zuständigkeiten für die Umsetzung auf Landesebene zu klären. Dies ist für die Durchführung des Bildungs- und Teilhabepaketes für Kinder von Kindergeldzuschlags- und Wohngeldempfängern den Ländern überlassen worden.

Durch eine Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB II soll eine einheitliche Durchführung des Bildungs- und Teilhabepakets in Mecklenburg-Vorpommern sichergestellt werden. Da bereits bundesgesetzlich die Zuständigkeit für Kinder in der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Landkreisen und kreisfreien Städten zugewiesen ist, wird hier im Landesausführungsgesetz dieselbe Zuständigkeit gewählt. Das, meine Damen und Herren, ist im Sinne der Einheitlichkeit eine sinnvolle Festlegung.

Da durch die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets naturgemäß Kosten entstehen, waren diese vom Bund im Verhältnis zu den Kommunen zu tragen. Zu diesem Zweck hat der Bund seine Beteiligungsquote an den Kosten für Unterkunft und Heizung erhöht. Für die Weiterleitung dieser Mittel durch das Land ist landesgesetzlich ein Verteilungsschlüssel zu finden, der diese Mittel gerecht auf die kommunalen Träger verteilt. Die gerechteste Lösung ist insofern, die tatsächlichen Aufwendungen als Basis zu nehmen. Dies soll ab 2012 im Hinblick auf das jeweilige Vorjahr erfolgen. Dieses Jahr ist mangels Referenzzeitraum der prozentuale Anteil an der Summe der Hilfebedürftigen als Schlüssel festgelegt worden.

Außerdem wird in Paragraf 11 Absatz 9 eine Auffangklausel eingeführt, falls die weitergeleiteten Mittel nicht ausreichen sollten. Damit ist dem Konnexitätsgrundsatz Rechnung getragen worden. Für die neu übertragenen Aufgaben übernimmt der Bund durch die erhöhte Quote

der Kosten für Unterkunft und Heizung die entstehenden Kosten. Diese sollen alle Kosten abdecken. Nur für den Fall, dass dem nicht so ist, kommt die Auffangklausel zum Tragen.

Meine Damen und Herren, die Leistungen nach dem Bildungs- und Teilhabepaket sind noch neu und müssen von den Anspruchsberechtigten nun erst abgefragt werden. Dass dies eine gewisse Übergangszeit dauern wird, ist normal. Damit aber kein Anspruchsberechtigter aufgrund der erst jetzt erfolgten Umsetzung der landesrechtlichen Regelung auf die Leistung verzichten muss, wurden die notwendigen Übergangsregeln getroffen. Mit Erlass des Sozialministeriums wurde abgesichert, dass die Ausreichung der Bundesmittel auf Antrag schon jetzt erfolgen kann. Damit wurde abgesichert, dass nicht auf die Umsetzung der landesrechtlichen Mittel gewartet werden muss.

Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes ist ein wichtiger Schritt in Richtung der Integration von Kindern aus einkommensschwachen Familien. Als arbeitsmarktpolitischer Sprecher meiner Fraktion möchte ich jedoch noch einmal darauf hinweisen, dass die beste Integration von Familien erreicht werden kann, wenn eine Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt erfolgt.

(Angelika Peters, SPD: Sehr richtig.)

Neben der richtigen Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepaketes muss dies erste Priorität der Arbeitsmarktpolitik bleiben.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Hier befinden wir uns mit der Konzentration auf die Förderung des ersten Arbeitsmarktes in unserem Bundesland auf dem richtigen Weg. Dies ist den aktuellen Arbeitsmarktzahlen deutlich zu entnehmen. Es gilt nun, diesen Weg weiterzugehen. Dabei ist die Unterstützung der Kinder von einkommensschwachen Familien durch das Bildungs- und Teilhabepaket eine richtige und wichtige Maßnahme. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Rühs.

Das Wort hat jetzt die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Um Kindern in unserem Land Chancengerechtigkeit zu gewährleisten, ist es wichtig, dass sie in Kitas gehen können, in Schulen, es ist wichtig, dass sie ein gesundes, warmes Mittagessen bekommen, es ist wichtig, dass sie im Verein dabei sind, in Musikvereinen, in Sportvereinen, und dass sie Klassenfahrten oder KitaFahrten mitmachen können.

Wir wissen alle, dass die Landesregierung sich seit Jahren genau dafür einsetzt und mehr Geld in Kitas und Schulen dafür investiert, um diesen Kindern genau diese Chancengerechtigkeit zu geben. Aber mehrfach auch in diesem Hohen Hause wurde darüber diskutiert, dass auch der Bund seinen Beitrag dazu leisten muss. Und deshalb bin ich sehr froh, dass es uns gemeinsam gelungen ist, auch mit den Stimmen unserer Landesregierung, mit den Stimmen des Landes Mecklenburg-Vorpommern dafür zu sorgen, dass 45 Millionen Euro zukünftig

der Bund zur Verfügung stellt, um Kindern aus finanziell schwachen Familien mehr Angebote unterbreiten zu können.

Ich finde, der einfache Weg wäre gewesen, dass wir das Geld direkt in Kitas und Schulen investieren können. Für diesen Weg gab es keine Mehrheiten. Diesen Weg wollte auch nicht jedes Land beschreiten, das muss man der Ehrlichkeit halber dazusagen. Und jetzt hätte es die Möglichkeit gegeben, Frau Dr. Linke, das zu tun, was Sie und Ihre Partei und Fraktion immer tun, Nein zu sagen, und dann passiert für die Menschen im Land gar nichts.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Das tun Sie ja. Wenn wir mehr Kita-Millionen ausgeben wollen, sagen Sie Nein,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

wenn wir was für die Landeskrankenhäuser tun wollen, sagen Sie Nein, und Sie sagen auch Nein zu 45 Millionen Euro des Bundes für die Kinder.

Sie haben auch gesagt, dass wir uns nicht genug eingesetzt haben. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat mit seinen Stimmen dafür gesorgt, dass zukünftig viele Menschen in unserem Land einen Mindestlohn in der Leih- und Zeitarbeit bekommen, im Wach- und Sicherheitsgewerbe und auch in der Weiterbildungsbranche. Wir haben dafür gesorgt, dass das Bildungspaket nicht nur für Kinder aus SGB-II-Familien gilt, sondern vor allem für Kinder aus Geringverdienerfamilien, für Kinder von Familien, wo Eltern arbeiten gehen und am Ende ein paar Euro mehr als Hartz IV haben. Und diese Kinder lassen wir nicht im Stich. Unser Land hat dafür gesorgt, dass diese Kinder zukünftig auch vom Bildungspaket profitieren.

Und heute, Herr Holter, Sie haben ja wieder dafür plädiert, dass die Kommunen mehr Selbstverantwortung bekommen, dass die Kommunen mehr Geld bekommen, unser Land hat dafür gesorgt mit seinen Stimmen, gemeinsam mit den Stimmen auf Bundesebene von CDU, SPD und FDP, Ihre Partei hat dagegengestimmt, dass die Kommunen zukünftig in einer enormen Weise entlastet werden von der Grundsicherung im Alter. Das betrifft alleine von 2012 bis 2014 die Kommunen in unserem Land mit fast 200 Millionen Euro. Ich frage Sie: Wo soll denn das Geld des Landes herkommen? Wir haben dafür gesorgt und Sie haben dagegengestimmt, dass die Kommunen entlastet werden.

(Angelika Peters, SPD: Ja, das kann man auch mal ganz deutlich sagen.)

Und der dritte Punkt, weil es nicht möglich war, direkt das Geld in Kitas und Schulen zu investieren über das Land, haben wir dafür gesorgt, dass die Kommunen zukünftig dieses Bildungspaket umsetzen und eben nicht die Bundesagentur für Arbeit.

Deshalb, Frau Dr. Linke, müssen auch die Kommunen informieren, wie sie es wollen. Die kommunalen Spitzenverbände sind es gewesen, die in einer Runde mit der Bundesarbeitsministerin und mit Vertretern der Länder, an der ich teilgenommen habe, darum gebeten haben, dass bitte keine zentralen Informationen durch den Bund oder die Länder erfolgen, sondern dass die Kommunen informieren können, weil es die Kommunen im Rahmen ihrer Selbstverantwortung auch unterschiedlich machen werden. Und deswegen sollen wir ihnen da gar nicht dazwischenpfuschen.