Protokoll der Sitzung vom 30.06.2011

denn Sie meinen ja, während der demografischen Katastrophe, die Sie als Chance hochjubeln, die kommunale Selbstverwaltung auch noch stärken zu können, von erhalten gar nicht zu reden.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Aber angesichts kommender massiver Rentenkürzungen werden Sie inmitten einer verarmten, überalterten Bevölkerung bestenfalls eine Notverwaltung aufrechterhalten können, mehr nicht.

Und das betrifft auch das Gesundheitssystem. Die Weigerung von Krankenkassen, ältere Bürger aufzunehmen, deren Kassen gerade pleitegegangen sind, ist da nur ein schwaches Vorbeben. Diesen Herausforderungen will man hier mit Herumbasteleien an Verwaltungsstrukturen begegnen. Was für Maßnahmen wirklich nötig wären, zeigt ein Blick auf das, was Sie, besonders CDU und FDP, 1990 versäumt haben.

Damals hätte man, um zu verhindern, dass diese Lage überhaupt entsteht, dass man sich überlegen muss, wie man entleerte Räume mit neuen Verwaltungsstrukturen noch notverwalten will, einen Rettungsschirm für die DDR-Industrie aufspannen müssen. Man hätte eine Arbeitsplatzgarantie mit westdeutschem Lohnniveau für alle DDR-Industriearbeitskräfte...

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist ja wunderbar.)

Ja, jetzt lachen Sie, und Sie hätten vor der GriechenlandKrise vielleicht sagen können, was für ein Gespinne, aber nach den 100 Milliarden Euro Rettungspaketen für Griechenland und für die Banken ist das nicht mehr so utopisch, es wäre aber sinnvoller gewesen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Wissen Sie, welche Transaktionen dahinter stehen, hinter dieser Deutschen Einheit?)

Man hätte also eine Arbeitsplatzgarantie, auch nicht eine Bankengarantie aussprechen sollen für die damaligen Arbeitskräfte für sagen wir fünf Jahre und in dem Zeitraum möglichst viele …

Herr Abgeordneter Andrejewski, ich möchte Sie bitten, zur Sache zu kommen.

Man hätte das heute nicht nötig. Wenn man das gemacht hätte, wenn man die DDR-Betriebe damals …

Herr Abgeordneter, ich habe Sie aufgefordert, zum Thema zu kommen.

Das gehört zum Thema. Wenn Sie das nicht sehen, dann sind Sie aber schwer neben der Spur, Herr Präsident.

Jetzt kommentieren Sie. Sie erhalten einen Ordnungsruf, weil Sie meine Hinweise nicht beachten und kommentieren.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Vielleicht werde ich jetzt auch in Ihren Augen wieder zum Thema zurückkommen, wenn ich sage, hätte man das so gemacht, wäre es nicht zu der Massenabwanderung gerade junger Leute gekommen und Sie müssten jetzt nicht überlegen, wie Sie menschenleere Räume notverwalten wollen. Was anderes als Notverwaltung ist das nicht und …

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist beendet.

Sie haben total versagt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Professor Dr. Methling von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen

und Herren! Meine Fraktion trägt die Empfehlungen der Enquetekommission aus dem vierten Zwischenbericht mit.

Meine Kollegin Měšťan hat in ihrem Beitrag zu Recht, wie auch ich meine, notwendige kritische Anmerkungen zur Arbeitsweise der Kommission vorgetragen. Ich persönlich kann aus meiner Erfahrung feststellen, die Arbeit der Enquetekommission wurde in dem Maße interessanter, zielorientierter und auch kollegialer, wie sie ihren erweiterten Arbeitsauftrag verlassen und sich dem eigentlichen Ursprungsauftrag zugewandt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich hatte offensichtlich das Glück, dass ich erst im Mai 2009 Mitglied der Enquetekommission wurde, als die Arbeit konstruktiver geworden ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das lag nur an dir, Wolfgang.)

Übrigens, Herr Kollege Ringguth, auch wir haben Ideen eingebracht in die Arbeit der Enquetekommission.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Da sage ich Ihnen ganz ausdrücklich Ja.)

Und ich will an dieser Stelle insbesondere unseren Mitarbeiter Dr. Meßmann hervorheben, der häufig zielführende Formulierungen erarbeitet hat,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Peter Ritter, DIE LINKE: Richtig. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Genau.)

die die Grundlage dann auch für gemeinsame Formulierungen gewesen sind.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja.)

Das haben wir, denke ich, konstruktiv in den letzten Monaten auch so praktiziert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Handlungsempfehlungen, die Eckpunkte eines Leitbildes für eine Gemeindestrukturreform des vierten Zwischenberichtes sind letztlich getragen von Konsens und von Kompromissen gleichermaßen.

(Heinz Müller, SPD: Richtig.)

Das konnte auch nicht anders sein. Sie geben Antworten und sie werfen gleichzeitig Fragen auf. Ich glaube, da sind wir uns auch einig, dass noch nicht alle Fragen beantwortet sind, sondern neue entstanden sind. Ich will das an zwei Beispielen erläutern. Als Erstes zur Verbandsgemeinde:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Gemeindemodell wäre für unser Bundesland neu. Herr Ringguth hat das schon dargestellt. Die Kommission beruft sich hierbei vor allem auf Erfahrungen in Niedersachen und in Sachsen-Anhalt. Wir selbst haben dieses Modell, auch aus Zeitgründen – ich glaube, da stimmen Sie mir zu – inhaltlich nicht im Einzelnen hinterfragt. Hinzu kam das Urteil aus Schleswig-Holstein zur dortigen Amtsverfassung. Kollege Dr. Jäger hat in diesem Zusammenhang die Verbandsgemeinde als weiteres Werkzeug im Instrumentenkasten der Kommunalverfassung beschrieben. Hierauf könne zurückgegriffen werden, falls sich bei uns eine Ämterentwicklung wie in Schleswig-Holstein abzeichnen

würde. Das ist aus unserer Sicht vorausschauend und auch nicht zu kritisieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Empfehlungen charakterisieren nun die Verbandsgemeinde aber als gleichberechtigtes neues Gemeindemodell. Darauf haben wir gemeinsam auch Wert gelegt. Dies könnte der neue Landtag allerdings hinterfragen, die Akzeptanz und die Wirkung analysieren und bewerten. Ich glaube, vor dieser Aufgabe wird der neue Landtag stehen. So ist etwa in Sachsen-Anhalt die Verbandsgemeinde lediglich die Ausnahme von der Regel. Bei uns ist es sozusagen gleichberechtigt.

Der ehemalige Landesgeschäftsführer des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes hat der Kommission dargelegt, dass sich das Modell der dortigen Samtgemeinde gerade zur Lösung vieler Probleme eines Flächenlandes anbietet. Zum Gesamtbild gehört in Niedersachsen aber auch, dass die Landesregierung dort seit 2010 jenen Gemeinden Entschuldungshilfen gewährt, die die Umwandlung von einer Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde anstreben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf hierzu abschließend daran erinnern, dass in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2004 ein sogenanntes Amtsvertretungsmodell in die Diskussion eingeführt, letztlich aber nicht aufgegriffen wurde. Die Fragen und möglichen Probleme haben allerdings auch für das vorgesehene Verbandsgemeindemodell Bestand. Ich glaube, da sind wir uns auch einig. Das betrifft künftige Finanzzuweisungen, das betrifft Aufgabenabgrenzungen, das betrifft Planungshoheit und Zuständigkeit und transparente Verantwortlichkeiten gleichermaßen.

Wir werden oft gefragt in der Diskussion, wenn wir denn zu einer solchen Verbandsgemeinde kommen, was dann die Verbandsgemeinde und die Gemeinde machen, die innerhalb dieses Verbandes noch existieren. Ich glaube, damit muss sich der Landtag, vielleicht auch im Rahmen einer neuen Enquetekommission, noch einmal intensiv beschäftigen. Ich glaube, da wird einiges noch zu tun sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine zweite Anmerkung gilt dem Prozess einer möglichen Umsetzung der vorgelegten Eckpunkte eines Leitbildes für eine Gemeindestruktur in Mecklenburg-Vorpommern. Hier sind die Empfehlungen letztlich sehr zurückhaltend und eventuell auch nicht ganz widerspruchsfrei, wenn man es genauer hinterfragt. So soll sich jede Gemeinde für ein Modell entscheiden können, das heißt für eines der künftig drei Modelle. Wir unterstützen diese Wahlfreiheit grundsätzlich, das haben wir auch in der Enquetekommission diskutiert. Bis 2014 sollen dann freiwillig Lösungen entwickelt werden.

(Toralf Schnur, FDP: Praktisch ist das aber unmöglich.)

Diese freiwillige individuelle Modellsuche soll dann noch zu einer – und das ist uns auch wichtig – das gesamte Kreisgebiet umfassenden Lösung führen. Auf Innenministerium, kommunale Landesverbände und Kreisverwaltungen dürfte damit eine enorme moderierende Rolle zukommen. Wir haben auch darüber diskutiert und das extra formuliert, diese moderierende Rolle, die erforderlich ist. Ich wünsche uns allen in dieser Freiwilligkeitsphase nur wenige, wenn ich das so sagen darf, gallische Dörfer, die dann in der Diskussion andere Positionen beziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was geschieht aber eigentlich nach dieser Phase? Was geschieht nach der freiwilligen Modellsuche, die möglicherweise nicht zur flächendeckenden Lösung führt? Diese Frage haben wir nicht ausreichend diskutiert, vor allen Dingen hat es nicht zu einer Antwort geführt. Die Antwort überlässt die Enquetekommission letztendlich dem nächsten Landtag. Das ist auf jeden Fall sehr klug gewesen

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, das geht doch gar nicht anders.)

und der Landtag muss nun sehen, wie er dann damit umgeht. Und gegebenenfalls treffen wir uns dann noch einmal wieder.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist nur eine Empfehlung, Herr Professor. Das ist nur eine Empfehlung.)

Ja, wir treffen uns möglicherweise dann noch einmal wieder, vielleicht in ähnlichen Kreisen.

Die Erfahrungen aus Brandenburg und Sachsen-Anhalt besagen, um freiwillige Zusammenschlüsse zu fördern, muss immer auch eine zwangsweise Bildung von Gemeindestrukturen im Hintergrund mitschwingen. Ich hoffe, dass die von uns diskutierten Akzeptanzhilfen, wir haben länger darüber gesprochen, wirksam genug sind, um Zwang zu vermeiden. Das ist dann sozusagen unsere historische Erfahrung, die wir dabei sammeln werden können.