(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Stefan Köster, NPD: Sind Sie der Häuptling der Asylanten?)
Und dass der Krieg in Europa vorbei ist, das haben Sie offensichtlich auch noch nicht gemerkt, indem Sie hier von Zweifrontenkrieg,
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesrepublik Deutschland gewährt Asylrecht auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951. Grundrecht auf Asyl hat bei uns Verfassungsrang.
Rechtsgrundlagen sind das Asylverfahrensgesetz, das Aufenthaltsgesetz und das Flüchtlingsaufnahmegesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Und Grundlage für die Gewährung von Sozialleistungen ist das Asylbewerberleistungsgesetz. Ich verrate den Demokraten unter uns kein Geheimnis, dass diese Gesetze unter uns eine unterschiedliche Bewertung finden.
Mit dem Asylkompromiss aus dem Jahre 1993 wurde das Grundgesetz dahin gehend geändert, dass politisch Verfolgten zwar weiterhin Asylrecht gewährt wird, der Schutzumfang aber eingeschränkt wurde. Auch dieser Kompromiss wird von uns unterschiedlich bewertet. Nicht umsonst heißt er Asylkompromiss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Gewährung der laufenden Hilfe zum Lebensunterhalt an Asylsuchende wurde im Mai 1993 auch in Mecklenburg-Vorpommern das Sachleistungsprinzip eingeführt, im Jahr 2003 aber auf Initiative meiner Fraktion wieder zugunsten von Geldleistungen für die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen des täglichen Bedarfes umgewandelt. Bis dahin hatten Asylbewerberinnen und Asylbewerber in Mecklenburg-Vorpommern monatlich rund 40 Euro bar ausgezahlt bekommen. Die restlichen Leistungen wurden mit Gutscheinen abgedeckt. Zudem konnten Asylbewerberinnen und Asylbewerber auch nur in bestimmten Geschäften einkaufen.
Sachleistungen bestehen heute nach wie vor je nach Landkreis und kreisfreier Stadt noch in Bereichen wie Unterkunft, Heizung, Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt, Hilfen zur Gesundheit und Pflege. Geldleistungen gibt es unter anderem für Ernährung, Gesundheits- und Körperpflege und Kleidung. Letzteres wird allerdings in Schwerin und Ludwigslust auch nur per Sachleistung verwirklicht. Für sonstige Leistungen werden je nach Landkreis und kreisfreier Stadt Wertgutscheine und Geldleistungen gewährt.
Meine Herren von der NPD, ich kann Ihren ganzen Antrag nicht nachvollziehen und auch eine Zuwiderhandlung gegen das Asylbewerberleistungsgesetz nicht feststellen. Der Einsatz von Geldleistungen ist im Paragrafen 3 Absatz 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes sogar als eine Möglichkeit vorgesehen. Ich zitiere aus dem Gesetzestext: „Bei einer Unterbringung außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 des Asylverfahrensgesetzes können, soweit es nach den Umständen erforderlich ist, anstelle von vorrangig zu gewährenden Sachleistungen nach Absatz 1 Satz 1 Leistungen in Form von Wertgutscheinen, von anderen vergleichbaren unbaren Abrechnungen oder von Geldleistungen im gleichen Wert gewährt werden.“ Zitatende. Soweit die Gesetzeslage. Und Sie brauchen mir nicht zu erzählen, die Landesregierung würde nicht dieser Gesetzeslage entsprechend agieren.
Die Geldleistungen, die bereits bestehen, wollen wir beibehalten. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit. Und aus gutem Grund haben auch andere Bundesländer dem Sachleistungsprinzip zumindest teilweise wieder den Rücken gekehrt.
In der Begründung Ihres Antrages schreiben Sie, ich zitiere: „Auch wird dadurch die Attraktivität der Bundesrepublik Deutschland als Zufluchtsort für Wirtschaftsflüchtlinge nicht unwesentlich erhöht.“ Um Ihre Worte einmal zu entwirren:
Die Flüchtlinge finden Ihrer Meinung nach eine Motivation, nach Deutschland zu kommen, also darin, Geldleistungen als Hilfe zum Lebensunterhalt zu bekommen,
Geldleistungen, Herr Müller und Herr Andrejewski, bevor Sie wieder rumkrähen, die noch unter dem Hartz-IV-Satz liegen und bei denen zwangsläufig entschieden werden muss, ob das Wenige nun für eine Monatskarte oder für ein Bekleidungsstück oder eine halbwegs gesunde Ernährung eingesetzt werden soll.
(Stefan Köster, NPD: Im Vergleich zu dem, was sie in ihrem Heimatland hatten, ist das enorm viel Geld.)
Für alles zusammen, Herr Köster, der Sie jeden Monat ein dickes Portemonnaie fürs Nichtstun nach Hause tragen, reicht es nämlich nicht.
Wer hat das Recht, die Entscheidung für andere zu treffen, ob und in welcher Größenordnung jemand Artikel des täglichen Bedarfes braucht oder wo sie gekauft werden dürfen und wo nicht? Zuallerletzt die Nazis in diesem Landtag!
Das zu entscheiden, steht uns nicht zu, nur der betreffenden Person selbst. Deshalb steht es für uns überhaupt nicht zur Debatte, ob Geldleistungen oder Sachleistungen. Da, wo es geht, muss das Bezahlungsmittel Bargeld sein, um auch eine zusätzliche Stigmatisierung der Betroffenen zu vermeiden.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Stefan Köster, NPD: Sie sollen wieder in die Heimat.)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich einmal in die Situation eines Flüchtlings hineinversetzen. Übrigens ist „Flüchtling für einen Tag“ ein Projekt des Flüchtlingsrates des Landes Mecklenburg-Vorpommern, welches ja von der NPD heute schon zutiefst kritisiert worden ist.
Also „Flüchtling für einen Tag“, die Entscheidung fällt oft innerhalb kürzester Zeit. Ich verlasse mein Haus, meine Familie, meine Freunde für unbestimmte Zeit, vielleicht
für immer. Ich habe nur die Möglichkeit, wenn überhaupt, etwas Handgepäck mitzunehmen. Mir wichtige Menschen bleiben zurück. Ich begebe mich auf einen ungewissen Weg in die Fremde.
Die Reise ist gefährlich für meine Gesundheit und für mein Leben. Das können wir tagtäglich im Mittelmeer erleben.
Keinen Moment lang bin ich sicher. Ich habe Angst, verfolgt, entdeckt und zurückgeschickt zu werden. Und dann besteht dort die Gefahr, dass ich inhaftiert, gefoltert oder sogar getötet werde. Wenn ich zurückgeschickt werde …
Liebe Kolleginnen und Kollegen, und das alles nehme ich in Kauf für ein bisschen Taschengeld, wie es die NPD unterstellt?
Das nehme ich in Kauf, um in Deutschland für Monate und Jahre auf wenigen Quadratmetern mit anderen mir fremden Personen in einem Zimmer, in einer abgelegenen Gemeinschaftsunterkunft zu leben, oft ohne zu wissen, wie es weitergeht, und ohne eine wirkliche Perspektive?
Missbrauch, Zuwanderungsanreize, das ist doch völlig absurd, was die braven Kameraden hier formulieren.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Asylsuchende fliehen vor Hunger, vor Folter und Tod und suchen Schutz in einem ihnen völlig fremden Land. Sie haben gar keine andere Wahl, außer die zwischen Verfolgung und Leid oder Flucht ins Unbekannte. Was würden Sie da wählen? Flüchtlinge, die zu uns kommen, müssen also Bedingungen vorfinden, die ihnen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Dazu gehört ein Minimum an finanzieller Ausstattung, um auch ansatzweise Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Mit dem Urteil vom 9. Februar 2010 hat das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 1 des Grundgesetzes anerkannt. Dieses Recht gilt für alle Menschen gleichermaßen, für alle Menschen, die sich in Deutschland aufhalten, seien es Flüchtlinge, Zuwanderer oder eben Einheimische. Der Aufenthaltsstatus ist dabei völlig egal. Zum menschenwürdigen Existenzminimum gehört nicht nur die Befriedigung der Grundbedürfnisse, wie Essen, Trinken und
Schlafen, dazu gehören auch die gesellschaftliche und die kulturelle Teilhabe, die politische Partizipation und zwischenmenschliche Kontakte. Das alles muss möglich sein, auch für die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen.
Wir werden auch weiter dafür streiten, dass Flüchtlinge mehr Rechte erhalten, selbstbestimmt leben können und an der Gesellschaft teilhaben können. Das Sachleistungsprinzip lehnen wir ab und damit auch Ihren Antrag. – Danke schön.