Protokoll der Sitzung vom 19.09.2007

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Schnur von der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf befasst sich mit der Reform des Gemeindehaushaltsrechts. Es geht um die Einführung einer kommunalen Doppik, die sich an den Regelungen des Handelsgesetzbuches orientiert, aber auch den Besonderheiten der öffentlichen Finanzwirtschaft Rechnung trägt. Endlich passiert dies auch in Mecklenburg-Vorpommern.

Es wird Sie wahrscheinlich nicht verwundern, dass die FDP, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Reform des Gemeindehaushaltsrechts in MecklenburgVorpommern begrüßt. Die Einführung eines solchen Haushaltsrechts wird von den Liberalen ja schon seit Jahren gefordert,

(Beifall Michael Roolf, FDP)

bietet es doch die Möglichkeit, die Finanzwirtschaft in den Kommunen nicht nur für ehrenamtlich engagierte Politiker, sondern auch für die Bürger transparenter und, ich würde sogar sagen, verständlicher zu gestalten.

Viel interessanter ist aber, dass die Jahresabschlüsse der eigenen kommunalen Gesellschaften besser zu durchschauen sind. An dieser Stelle sei auch Herrn Ringguth zugestanden, auch für die ehrenamtlichen Mitglieder der entsprechenden Vertretungen ist es natürlich ganz klar einfacher an der Stelle, diese Dinge zu durchschauen. Es ist ebenso möglich, das Vermögen und die Schulden einer Kommune in einer Bilanz für jeden klar verständlich darzustellen. Jede Kommune kann anhand der Zahlen nachvollziehen, welches Ressourcenaufkommen und welchen Ressourcenverbrauch sie hat. Die Kosten- und Leistungsrechnung, eines der wichtigsten Instrumente für ein permanentes Controlling, fi ndet endlich auch Einzug in der Finanzpolitik.

Gern hätten nicht nur wir Liberale, sondern auch ein Großteil der Kommunen die Einführung des neuen kommunalen Haushaltsrechtes früher gesehen, denn bereits im November 2003 gab es dazu einen Beschluss der Innenministerkonferenz. Der Herr Innenminister hat das ja gesagt. Erst im Jahr 2005 wurde über eine Kabinettsvorlage zur Umsetzung der Reform des kommunalen Haushaltsrechts in Mecklenburg-Vorpommern entschieden. In anderen Bundesländern, wie beispielsweise Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen und dem Saarland, sind bereits neue kommunale Haushaltskonzepte umgesetzt worden. Ab 2009 wird die Umstellung auf die neue Haushaltsrechnung auch für unsere Kommunen Pfl icht. Sich selbst – und das ist die eigentliche Kritik an die Landesregierung – erlegt man diese Pfl icht erst für das Jahr 2012 auf. Dann endlich wird auch auf der Ebene der Landesbehörden mit der Umstellung ihres Haushaltswesens begonnen.

Natürlich sind mit der Einführung des neuen Haushaltswesens eine Vielzahl von Anpassungen bestehender Gesetze und Verordnungen verbunden. Hier will ich an dieser Stelle auch an das Kommunalabgabengesetz erinnern. Des Weiteren entstehen einmalige Umstellungskosten – Herr Holter hat es angemahnt –, die von den Kommunen getragen werden müssen. Dort ist natürlich zu hinterfragen, warum die Kommunen bei Änderungen von außen diese Kosten zu tragen haben.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Weil sie das gewollt haben.)

Die FDP-Fraktion stimmt der Überweisung des Gesetzentwurfes in die jeweiligen Ausschüsse zu und wird sich dort ergebnisorientiert, konstruktiv und umfassend in die Diskussion mit einbringen. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Schnur.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Andrejewski von der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich unter Kameraden umhört, dann ist es durchaus nicht unumstritten, ob die Umstellung des kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens von der Kameralistik auf die Doppik erstens überhaupt Sinn macht und zweitens den Aufwand rechtfertigt, der mit dieser Neuerung verbunden ist. Da gibt es keine Einheitsmeinung. Warum stellt man es den einzelnen Gemeinden nicht frei, welches System sie bevorzugen wollen?

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das geht natürlich nicht.)

Die kommunale Selbstverwaltung ist doch angeblich ein so hohes Gut, geregelt in der Landesverfassung und im Grundgesetz. Wieso sollen die Kommunen eine so wesentliche Angelegenheit nicht selbst entscheiden dürfen? Und wenn das Land ihnen schon vorschreibt, wie sie ihre Haushaltsführung zu gestalten haben, warum müssen dann die Gemeinden die dafür anfallenden Kosten alleine tragen, weil, so lautet die neunmalkluge Begründung, hier das strikte Konnexitätsprinzip leider nicht zur Anwendung komme?

Dieses Konnexitätsprinzip gehört zu den wenigen gerechten Regelungen, die es in diesem politischen System noch gibt. Wenn das Land den Gemeinden zusätzliche öffentliche Aufgaben auferlegt, dann hat es wenigstens die Kosten zu übernehmen. Schlimm genug, dass dieser Grundsatz im Verhältnis von Bund und Gemeinden nicht gilt. Aber jetzt soll auch im Verhältnis Land/Gemeinden im vorliegenden Fall das Konnexitätsprinzip nicht mehr greifen, weil, so die trickreiche Argumentation, das Haushaltsrecht der kommunalen Körperschaften gar keine öffentliche Aufgabe im Sinne der maßgeblichen Vorschriften sei, sondern lediglich ein behördeninternes organisatorisches Instrument, das zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig sei.

Damit befi nden wir uns im Reich der Defi nitionskunststückchen. Wie kommt jemand in die Arbeitslosenstatistik, wenn er ein Arbeitsloser im Sinne des Gesetzes ist? Und das ist er nicht, wenn er auch nur zwei Wochen in irgendeine Maßnahme gesteckt wird, die ihn einer Arbeitsstelle oder einer materiellen Besserstellung keinen Schritt näherbringt. Man kann natürlich den Begriff „Arbeitsloser“ im Sinne des Gesetzes so zerdehnen, dass er auf keinen mehr zutrifft, und dann hat man keine

Arbeitslosen im Sinne des Gesetzes, obwohl Millionen auf der Straße stehen. Und man kann den Begriff „öffentliche Aufgaben“ so zerdehnen, dass er auf nichts mehr zutrifft. Dann ist die Aufstellung eine Haushaltssatzung keine öffentliche Aufgabe mehr und dann ist die Umstellung des Rechnungswesens auch keine öffentliche Aufgabe mehr. Das ist Trickpolitik unterste Schublade.

Die Kommunen werden schon genug vom Land unter Druck gesetzt. Auf Verlangen des Innenministeriums als Kommunalaufsicht werden die Kreisumlagen permanent erhöht, sodass die Gemeinden immer neue Lasten zu tragen haben und auch immer neue Nachtragshaushalte aufstellen müssen, was natürlich keine öffentliche Aufgabe im Sinne des Gesetzes darstellt. Und nun sollen sie auch noch alleine eine komplette Rechnungswesenumstellung fi nanzieren, die sich die Konferenz der Innenminister in den Kopf gesetzt hat.

Wir vertreten die Auffassung, dass das Land die kommunale Selbstverwaltung und die Existenzsorgen der Gemeinden ernster nehmen sollte. Angesichts der allseits gepriesenen Wirtschaftserholung könnte man sich hier vielleicht etwas großzügiger erweisen, damit ein bisschen davon auch einmal unten ankommt, bevor der Zauber vorbei ist.

Im Übrigen widersprechen wir der Einschätzung des Innenministers, dass die Gemeinden wie Konzerne zu organisieren wären oder Wesenszüge von Konzernen haben.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Konzerne sind profi torientiert und haben keine soziale Verantwortung. Gemeinden sind etwas grundsätzlich anderes. Sie haben sich um die Bürger zu kümmern als staatliche Einrichtung.

Herr Andrejewski, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich wollte nur noch mitteilen, dass wir dagegenstimmen, und zwar auch in den Ausschüssen.

(Reinhard Dankert, SPD: Gut, dass Sie uns das sagen.)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Landesregierung auf Drucksache 5/810 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss sowie zur Mitberatung an den Finanzausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Danke. Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist dieser Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der SPD, der CDU und der FDP sowie Gegenstimmen der Fraktion der NPD angenommen.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion DIE LINKE – Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, Drucksache 5/812.

Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE: Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes – KAG M-V (Erste Lesung) – Drucksache 5/812 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer der vorangegangenen Landtagssitzungen – ich glaube, es war die Sondersitzung – bekannte sich der von mir geschätzte Vorsitzende der CDU-Fraktion dazu, einmal begangene Fehleinschätzungen hier am Pult des Landtages auch korrigieren zu müssen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Ich will dieses aufgreifen, Herr Dr. Jäger, und aus meiner Sicht für meine Fraktion feststellen, dass es uns nicht gelungen ist, mit der letzten Novelle des Kommunalabgabengesetzes alle Probleme der Bürgerinnen und Bürger hier im Land zu lösen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das hatte ich Ihnen aber gesagt. Das wollten Sie damals nicht hören. – Zuruf aus dem Plenum: Die Kurve haben Sie nicht gekriegt.)

Insofern greife ich Ihre Feststellung auf und bringe diese Korrektur für meine Fraktion.

So haben wir zwar Klarheit geschaffen, meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Jagdsteuer oder die Zweitwohnungssteuer für Gartenlauben angeht – auch Probleme, über die wir uns lange unterhalten haben. Rechtsfrieden im umfassenden Sinne bei der Problematik der Gebühren und Abgaben, bei der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung und vor allem bei der Problematik der sogenannten Altanschließergebühren haben wir nicht hergestellt. Zahlreiche Petitionen, Proteste vor dem Landtag, Briefe von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern machen dies deutlich. Ich zitiere gern noch einmal den Kollegen Timm von der CDU-Fraktion, der uns auf der Landtagssitzung am 28. März 2007 ins Stammbuch schrieb, ich zitiere: „Altanschließer, sage ich. Diese Regelung, die da getroffen worden ist, die ist bürgerfremd, die ist bürgerfern, die ist bürgerfeindlich,... die taugt nichts. Die ist einfach schlecht. Wir müssen den Mut haben, uns damit auseinanderzusetzen, und wir müssen darum streiten, dass es eine bessere Lösung gibt“. Zitatende.

(Heiterkeit bei Matthias Lietz, CDU – Egbert Liskow, CDU: Warum habt ihr das damals gemacht?)

Bald, meine sehr verehrten Damen und Herren, musste ich jedoch im Innenausschuss lernen, dass Kollege Timm als Hoffnungsträger in dieser Frage, so wurde er in der lokalen Presse Rügens bezeichnet, ausfällt.

(Heiterkeit bei Jörg Heydorn, SPD)

Denn von seinen Fraktionskollegen wurde ich auf den Erkenntnisgewinn innerhalb der CDU-Fraktion und beim Abgeordneten Timm hingewiesen.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wir lernen ja alle dazu. – Heiterkeit bei Andreas Bluhm, DIE LINKE, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Es wird sich heute zeigen, wohin dieser Erkenntnisgewinn geführt hat.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sprach von den vielen Briefen, die wir erhalten haben. Darunter war auch ein Brief des Wirtschaftsrates der CDU-Sektion Rügen.

(Vincent Kokert, CDU: Den haben Sie gekriegt.)

Darin werden wir gebeten, ein wichtiges Anliegen zu unterstützen. Es heißt, ich zitiere: „Die Realisierung der Kommunalabgaben für Altanschließer würde sich unweigerlich negativ auf die regionale Wirtschaft auswirken und den einen oder anderen betroffenen Rüganer aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten in sehr problematische fi nanzielle Situationen bringen.“ Zitatende.

(Unruhe bei Vincent Kokert, CDU, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Ferner wird auf den „Rüganer Anzeiger“ verwiesen, wo zu lesen war, ich zitiere wieder, dass die Fraktion der FDP „einen Antrag auf eine Veränderung des Kommunalabgabengesetzes (vorbereitet)“ und dazu „noch vor der Sommerpause eine Gesetzesinitiative in den Landtag“ einbringen will. Wir wurden schließlich aufgefordert, diese Initiative der FDP zu unterstützen. Nun liegt seitens der FDP zwar keine Gesetzesinitiative vor, den Antrag der FDP, der noch zu behandeln ist, werden wir jedoch unterstützen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch mit der heute vorgelegten Gesetzesänderung erheben wir nicht den Anspruch, das Problem der sogenannten Altanschließer in Gänze zu lösen. Hier machen wir keine haltlosen Versprechen.

(Vincent Kokert, CDU: Gar nicht.)