Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

Weitere Frage: Gibt es eigentlich staatlich betriebene Bücherverbrennungen in der Bundesrepublik Deutschland? Das kann ich so nicht sagen, weil ich nicht weiß, was mit den Büchern geschieht, die aufgrund 130 oder 90 verboten werden, eingezogen werden und die dann vernichtet werden. Aber ich kenne nicht die Lieblingsmethoden der Vernichter. Ich weiß nicht, ob sie zerschreddert werden, zerhäckselt, umweltfreundlich kompostiert oder verbrannt.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Sie verniedlichen den Inhalt dieser Bücher! – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Aber wenn sie verbrannt werden sollten, dann würde ich mich mal fragen, was Sie eigentlich am 24. Mai, am Tag der Bücherverbrennung begehen, wenn irgendwo klammheimlich Bücher verbrannt werden, die Ihnen nicht passen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, die beschlossene Redezeit ist beendet.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/819. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit

ist der Antrag der NPD-Fraktion bei Zustimmung der Fraktion der SPD, der CDU, der LINKEN...

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Danke schön!)

Bei Ablehnung, Entschuldigung. Bei Ablehnung der Fraktion der SPD, der CDU, der Fraktion DIE LINKE und der FDP sowie Zustimmung der Fraktion der NPD ist dieser Antrag abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und CDU – Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches, Drucksache 5/823.

Antrag der Fraktionen der SPD und CDU: Bundesratsinitiative zur Änderung des Strafgesetzbuches – Drucksache 5/823 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende der SPD Herr Schlotmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vier kurze Vorbemerkungen:

Frau Präsidentin, liebe Kollegin Bretschneider, ich möchte einfach hier sagen: Respekt vor Ihrer Rede!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Ich denke, alle 65 Demokraten hier im Hause haben sich wohl bei Ihnen aufgehoben gefühlt bei Ihrer Rede. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD und Dr. Armin Jäger, CDU)

Zum anderen muss man feststellen, dass die Fraktion der NPD bei dem Thema vorhin voll erwischt worden ist. Mir fällt nur ein altes Sprichwort dazu ein: „Getroffene Hunde bellen.“ Und das Gekläffe haben wir gerade erlebt. Optisch gesehen, muss man sagen, war die Veranstaltung, die hier auf der Seite des Saales abgegangen ist, mehr als lächerlich, wenn einem nicht das Grausen im Hals stecken geblieben wäre bei den Inhalten, die Sie immer wieder dazwischengebölkt haben.

(Tino Müller, NPD: Zum Thema! – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Sie sind nicht derjenige, der mir, einem Demokraten,

(Zuruf von Tino Müller, NPD)

hier zu erzählen hat, was er zu tun und zu lassen hat und wie er zu reden hat.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das müssen Sie sich mal hinter die Ohren schreiben.

Herr Andrejewski, ich meine, Sie brauchen immer sehr lange, bis Sie bestimmte Dinge verstanden haben in Ihrem Leben.

(Raimund Borrmann, NPD: Sie verstehen sie nie.)

Damit wir uns richtig verstehen:

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Die NPD ist nicht unser politischer Gegner. Das ist ein Irrtum.

(Michael Andrejewski, NPD: Sondern ein Feind?)

Sie sind unser politischer Feind. Begreifen Sie das endlich!

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das kapieren Sie einfach nicht!

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Meine Damen und Herren, wir haben das gerade wieder erlebt – wir sind jetzt bei einem anderen Punkt, der davon auch berührt ist –, Rechtsextremismus ist unleugbar eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft. Darin, denke ich, sind wir uns fast alle hier im Saal einig, bis auf die genannten Herrschaften auf der anderen Seite. Rechtsextremismus und die geistigen Brandstifter, die dahinterstehen, wollen unsere Bevölkerung verunsichern und verängstigen, um letztendlich diesen Staat und die Demokratie als Gesellschaftssystem zu beseitigen. Sie treten mit ihren schmierigen Füßen die Opfer, die mit ihrem Leben für nationalistischen menschenverachtenden Größenwahn büßen mussten. Alles Gerede nach dem Motto: „Lasst doch endlich die alten Zeiten ruhen über 60 Jahre nach der Niederlage des faschistischen Deutschlands! Hört endlich auf mit der Diskussion über Nazis und deren Nachäffer!“

Meine Damen und Herren, dieses Gerede erweist sich, und das haben wir gerade exemplarisch erlebt, als Torheit und als fahrlässiger Umgang mit der eigenen Geschichte unseres Landes, denn in diesem heutigen Deutschland fallen immer wieder Menschen politisch motivierter Gewalt zum Opfer. Mecklenburg-Vorpommern bildet da keine Ausnahme. Viel zu oft sehen Menschen vor Ort weg oder glauben, Vorfälle herunterspielen zu müssen. Und immer noch zu oft fühlen sich die Menschen alleine gelassen, wenn sie mit den Braunen konfrontiert werden. Auch wir, wir alle hier im Saal sind gefordert, den größten Verrätern am deutschen Volk entgegenzutreten, und zwar immer und überall. Noch tun wir das zu wenig, das müssen wir ganz selbstkritisch auch mal eingestehen.

Der Verfassungsschutzbericht des Bundesministeriums des Innern weist für das Jahr 2006 18.142 Straftaten und damit über 2.000 mehr als in 2005 aus dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ aus, darunter 1.047 Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund, Gewalttaten gegen Ausländer, Andersdenkende, Juden, Spätaussiedler, Behinderte, Obdachlose, Homosexuelle. Es sind immer Gewalttaten gegen Menschen aus unserer Mitte. Die Zahl der von Vorurteilen und Hass gegen Einzelne oder Teile der Bevölkerung geprägten Straftaten, insbesondere der Anstieg rechtsextremistischer Gewalttaten, zwingt uns zu umfassendem Handeln. Und umfassendes Handeln bedeutet für mich und meine Fraktion Prävention, aber vor allem auch Repression. Im Bereich der Prävention setzt der Sozialminister für die Landesregierung deutliche Akzente. Ein Beispiel dafür sind die fünf neuen Regionalzentren für Demokratie und Toleranz im Land. Das hört sich gut an, das ist der richtige Weg, aber ich sage hier auch ganz deutlich: Reichen wird das alleine noch nicht.

Die Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben beschlossen, einen gemeinsamen Gesetzesantrag zur Strafverschärfung bei extremistisch motivierten Straftaten in den Bundesrat einzubringen. Mit dem hier vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen bekennt sich der Landtag ausdrücklich positiv zu diesem Vorhaben und unterstützt die Landesregierung in ihrer Entscheidung, dieser Bundesratsinitiative beizutreten. Auch wir hier im Parlament wollen ein härteres Vorgehen gegen extremistische Straftäter.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Meine Damen und Herren, für uns Sozialdemokraten stellt dieser Antrag ein lange verfolgtes politisches Ziel dar. Übrigens, vergleichbare Initiativen hat es auch schon früher gegeben. Der heutige Sozialminister und frühere Justizminister Erwin Sellering hat eine solche Initiative im Jahre 2000 in den Bundesrat eingebracht. Damals fand man leider nicht die notwendige Mehrheit. Ich hoffe, das wird dieses Mal gelingen.

Meine Damen und Herren, durch Änderungen im Strafgesetzbuch soll erreicht werden, dass rassistische oder fremdenfeindliche Beweggründe einer Tat bei der Festsetzung des Strafmaßes besonders berücksichtigt werden. Wir wollen, dass sich die Gerichte künftig in jedem einzelnen Fall mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die Tat einen extremistischen oder fremdenfeindlichen Hintergrund hat. Wir wollen, dass rassistische oder fremdenfeindliche Beweggründe einer Tat bei der Festsetzung der Strafe besonders gewichtet werden. Den Gerichten soll es erleichtert werden, insbesondere gegen Gewalttäter, die aus Vorurteilen andere Menschen verletzt haben, Freiheitsstrafen auch ohne Bewährung auszusprechen. Zwar sind bereits nach jetziger Rechtslage die Beweggründe, die Ziele des Täters zu berücksichtigen, jedoch sollte der Bundesgesetzgeber ein deutliches Zeichen setzen, dass Hass und Vorurteile als Tatmotiv bei der Strafzumessung ausdrücklich zu berücksichtigen sind, die Verhängung von kurzen Freiheitsstrafen erleichtert wird und extremistische Gewalttäter in der Regel nicht mit Bewährung zu rechnen haben.

Der Rat „Justiz und Inneres“ der Europäischen Union hat unter der deutschen Präsidentschaft einen Vorschlag für einen Rahmenbeschluss des Rates zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit befürwortet, wonach die Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen sollen, um sicherzustellen, dass rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe als erschwerender Umstand gelten und dass solche Beweggründe andernfalls bei der Festlegung des Strafmaßes durch die Gerichte berücksichtigt werden. Auch dem wollen wir mit diesem Antrag und der Unterstützung für die Landesregierung an dieser Stelle Rechnung tragen.

Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, das wird immer gern in Diskussionen so mit eingestreut: Wir sind nicht der Auffassung, dass sich die vorgesehenen Änderungen als Allheilmittel erweisen werden. Strafrecht setzt letztendlich erst an, wenn die Tat geschehen ist. Deshalb kann Prävention im Vorfeld dadurch nicht ersetzt werden. Aber gegen die Ausbreitung einer menschenverachtenden Vorurteils- und Gewaltkriminalität wollen wir mit dieser Ergänzung des Strafgesetzbuches ein deutliches Signal setzen. Der Rechtsstaat muss stärker gegen über extremistischen Kriminellen, die ihre Opfer nicht als Individuum, sondern als Vertreter einer ihnen verhassten Gruppe angreifen, vorgehen. Die Betroffenen werden in aller Regel nicht etwa aus einer persönlichen Konfl iktsituation mit dem Täter zum Opfer, sondern die Opfer werden als Repräsentanten einer verhassten Menschengruppe angegriffen, weil sie bestimmte Eigenschaften oder Überzeugungen besitzen. Darin, meine Damen und Herren, liegt die besondere Dimension. Wenn Kriminelle Menschen jagen und zusammenschlagen, weil sie eine andere Hauptfarbe haben, oder wenn Übergriffe verübt werden, weil jemand anders aussieht oder andere politische Ziele vertritt, dann ist das besonders hart zu bestrafen.

Meine Damen und Herren, ich gehöre nicht zu denjenigen, die wirklich glauben, dass wir allein durch härtere Strafen der Situation Herr werden, aber die Justiz muss derartige Straftaten angemessen verfolgen und vor allem effektiv ahnden können. Auch das ist ein Teil von wehrhafter Demokratie. Darüber sollten wir uns im Klaren sein.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, Heinz Müller, SPD, Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Wer sich mit menschenverachtender Gewalt außerhalb unserer Gesellschaft stellt, darf nicht auf Nachsicht oder Milde dieses Staates, dieses Systems, hoffen, den diese Typen letztendlich abschaffen wollen. Gewalt darf in Deutschland nie wieder Mittel der politischen Auseinandersetzung sein, darauf sind wir alle eingeschworen, alle – fast alle. Wir wollen nicht, dass Menschen getreten und geschlagen, verletzt und umgebracht werden, weil sie eine andere Hautfarbe oder eine andere Gesinnung haben.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Ich sagte ja, getroffene Hunde bellen.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch etwas zur aktuellen Situation sagen und dazu gehört auch die Änderung des Strafgesetzbuches, die wir hier auf den Weg bringen wollen. Die neuen Nazis agieren wie folgt: Für die Straße haben sie ihre sogenannten Kameradschaften unter Missbrauch des Begriffs „Kameraden“. Auf der Straße toben ihre Kameradschaften rum.

(Michael Andrejewski, NPD: Toben!)

Diese sind für die NPD, für die neuen Nazis, für das Grobe zuständig und merken gar nicht – das muss man ihnen am Anfang sogar zugutehalten, das ist ganz menschlich –, wie sie von den Funktionären der NPD als wirklich notwendiges Übel auf Zeit benutzt werden.