Zahlreiche Medien erinnerten an die rechtsextremen Angriffe auf Asylsuchende zwischen dem 22. und 26. August 1992. Diese massivsten ausländerfeindlichen Ausschreitungen der deutschen Nachkriegsgeschichte sollten uns als Landtag auch nach 15 Jahren Anlass zur Mahnung und Verpfl ichtung sein. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund nimmt diese traurigen Tage zum Anlass, um mit Beate Klarsfeld über Erinnerungskultur zu sprechen.
Die Worte „ausländerfeindliche Ausschreitungen“, wie sie damals und seither wiederholt für die Geschehnisse am sogenannten Sonnenblumenhaus gebraucht werden, setze ich gedanklich in Anführungszeichen. Diese Formulierung erscheint mir als eine Verharmlosung, denn es war eine tagelange – wer erinnert sich nicht –, eine tagelange gewaltsame Massenausschreitung gegen Menschen anderen ethnischen Ursprungs, verbunden mit Misshandlungen, Gewaltexzessen und Morddrohungen sowie Beifall spendenden Zuschauermassen.
Erinnern wir uns: Das elfstöckige Haus in der Mecklenburger Allee 18 in Rostock-Lichtenhagen war die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber/-innen des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Ich habe damals im Stadtteil Evershagen ebenfalls im Nordwesten Rostocks gewohnt. Dieses Sonnenblumenhaus war berüchtigt für die menschenunwürdigen Unterbringungsbedingungen der Asylsuchenden. Betreuung fand kaum statt. Täglich trafen neue Antragsteller/-innen ein, die aus Personalmangel nicht registriert werden konnten. Sie waren genötigt, tagelang vor dem Gebäude zu warten, und das bedeutete für sie, im Dreck zu campieren, auf zerfetzten Matratzen oder auf der blanken Erde, unter Balkonen, neben Gebüschen und ohne sanitäre Anlagen, mit entsprechenden Wirkungen. Stadt und Land waren nicht gewillt, Abhilfe zu schaffen. Es waren ja größtenteils nur Sinti und Roma.
Viele Anwohner/-innen fühlten sich belästigt, opponierten gegen die Zustände. Es entwickelten sich Aggressionen gegen die Ausländer. Ein gewaltbereiter Mob nebst Zuschauer/-innen von zuletzt immerhin 3.000 Menschen bewarf Flüchtlinge mit Steinen, mit Molotowcocktails, setzte Zimmer in Brand. Eingeschlossene Vietnamesinnen und Vietnamesen fl üchteten gemeinsam mit dem Ausländerbeauftragten der Stadt Rostock Dr. Wolfgang Richter und dem ZDF-Journalisten Jochen Schmidt auf das Dach, entkamen drohendem Tod. Die Einsatzleitung der Polizei war ebenso hilfl os wie der Innenminister des Landes Lothar Kupfer.
Unter die Angreifer mischten sich zunehmend Neonazis aus Niedersachsen, aus Schleswig-Holstein und Hamburg. Der Rechtsextremist Michael Andrejewski verteilte massenhaft Flugblätter beziehungsweise ließ sie verteilen.
Auch wenn er laut DeutschlandRadio vom 24. August 2007 abwiegelt, es habe sich ja nur um eine allgemeine Aussage gegen Ausländer/-innen gehandelt, so wird er doch wohl zu Recht als ideologischer Brandstifter von Rostock-Lichtenhagen bezeichnet.
In der Folge gab es 370 vorläufi ge Festnahmen, 408 eingeleitete Ermittlungsverfahren und 204 verletzte Polizeibeamte. Unter den Festgenommenen befanden sich 110 Personen aus den alten Bundesländern, 217 aus Mecklenburg-Vorpommern, davon 147 aus Rostock, und weitere 37 aus anderen ostdeutschen Ländern. Nur wenige kamen in Haft.
Leider forderten damals führende CDU-Bundespolitiker dazu auf, den angeblichen Missbrauch des Asylrechts anhand konkreter Vorfälle vor Ort auf die Tagesordnung zu setzen und so die SPD zur Zustimmung zur Änderung des Artikels 16 im Grundgesetz zu nötigen.
Der damalige Bundesinnenminister Dr. Seiters stellte in einem Gespräch mit dem damaligen Ministerpräsidenten und Innenminister unseres Bundeslandes fest, dass die SPD im zeitlichen Zusammenhang mit dem Rostocker Pogrom ihren Widerstand gegen die Änderung des Artikels 16 Grundgesetz aufgegeben hat.
Seitdem hat sich gerade in Rostock sehr viel zugunsten eines Klimas der gegenseitigen Akzeptanz und Verständigung verschiedener Ethnien für ein friedliches Miteinander getan, für eine berufl iche und sprachliche Förderung für alle Migrantinnen und Migranten. Das ist zu allererst dem Ausländerbeauftragten Wolfgang Richter und dem breiten Bündnis „Bunt statt braun“, dem Ausländerbeirat und dem Verein Diên Hông zu danken.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Wes Geistes Kind sie sind. – Stefan Köster, NPD: Wir stehen auf der Seite des Volkes.)
und insofern ist dieses vielleicht auch sehr gut. Das haben mir heute schon Besucherinnen und Besucher in diesem Hause gesagt, dass an jedem Schlechten das Gute daran ist, dass die Menschen merken, wes Geistes Kind Sie wirklich sind.
Freilich ist damit der Rassismus nicht aus der Stadt verbannt worden. Bei den Landtagswahlen 2006 wählten in den Wahllokalen bis zu 8,2 Prozent der Rostockerinnen und Rostocker die NPD.
Dass in den Jahren nach 1992 in ganz Deutschland immer wieder Gewaltexzesse aufgetreten sind und sie bis heute vorkommen, hat konkrete gesellschaftliche Ursachen. Die potenzieren sich in Ostdeutschland, weil es nicht nur, aber auch viel mit der sozialen Lage und berufl icher Perspektivlosigkeit vieler Menschen, mit zu wenig attraktiven Freizeitangeboten für junge Leute zu tun hat. Diese Tatsachen dürfen jedoch Gewalt nicht entschuldigen.
Xenophobie, also Fremdenangst und Fremdenfeindlichkeit, zu überwinden, gehört, so Friedrich Schorlemmer im „Freitag“ vom 21.08. dieses Jahres, zu den „zentralen zivilisatorischen Leistungen“. Nur eine privilegierte Minderheit verlässt das Heimatland aus freien Stücken. Die Mehrheit tut das, weil ihr Überleben nicht gesichert ist. Hunger, Kriege, geschlechtsspezifi sche Verfolgung und zunehmend auch ökologische Katastrophen, das sind Fluchtgründe und daran haben die kapitalistischen Industrieländer einen hohen Anteil.
Migrationspolitik und eine ernsthafte und offensive Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik gehören deshalb zusammen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als Landtag müssen gemeinsam mit den Landkreisen, kreisfreien Städten und Kommunen unsere Verantwortung wahrnehmen. Das heißt, den im Lande lebenden Migrantinnen und Migranten eine ebensolche Lebensperspektive geben zu wollen, wie wir sie für unsere Mehrheitsgesellschaft anstreben.
Der NPD-Abgeordnete Tino Müller sprach in diesem Hohen Hause von einer, ich zitiere ihn: „törichte(n) Lehre einer multiethnischen Gesellschaft“
Nein, meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Bundesrepublik sind die tatsächlichen Integrationsanstrengungen bisher unzureichend und wir in MecklenburgVorpommern haben damit wirklich fl ächendeckend auch noch nicht begonnen. So lobenswert einzelne Inseln
wie Rostock sind, sie reichen nicht aus. Das wissen wir gemeinsam. Deshalb haben wir im Juni 2006 die Konzeption zur Förderung der Integration von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern beschlossen.
Es wird allerhöchste Zeit, diese Konzeption, die sich auf der Höhe der Zeit befi ndet, umzusetzen und ressortübergreifend als Aufgabe des Landes, jedes Landkreises, jeder Kommune zu verwirklichen.
Die Kernaussage der genannten Landeskonzeption besteht darin, dass Integration ein wechselseitiger und komplexer Prozess ist, der von Eingewanderten und der Aufnahmegesellschaft aktiv zu gestalten ist und in dem die kulturelle Identität aller Beteiligten respektiert wird.
Das verlangt eine Integration durch rechtliche Gleichstellung und politische und soziale Teilhabe. Dazu gehören Chancen, sich zu bilden, die reale Möglichkeit von Erwerbstätigkeit, Zugang zu sozialen Transfers und Dienstleistungen, Gleichstellung der Geschlechter.