Für den Einzelnen bedeutet das konkret, ein Beispiel: Ein Durchschnittsverdiener, der 30 Kilometer zur Arbeit pendelt, muss bei dieser Neuregelung damit rechnen, dass er zum Jahresende 400 Euro weniger von der Einkommenssteuer abziehen kann oder mehr zahlen muss, als es vor dem 01.01.2007 der Fall war. Das mal als konkretes Beispiel.
Dass es viele Klagen gibt, kann nicht überraschen. Diese Klagen richten sich gegen den Wegfall der Pendlerpauschale bis, wie gesagt, zu den 20 Kilometern und insbesondere wird die Verfassungsmäßigkeit infrage gestellt, aber nicht nur. Es wird vor allen Dingen argumentiert von den Klageführenden, dass es ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung ist, ja, Gleichbehandlung in dem Sinne, dass diejenigen, die jetzt nur 20 Kilometer pendeln, sagen, wir möchten gleichgestellt werden mit denen, die mehr als 20 Kilometer pendeln. Allerdings muss man auch zur Kenntnis nehmen, dass die meisten Klagen bisher abgewiesen wurden. Die absolute Mehrheit der Klagen wurde abgewiesen. Lediglich die Finanzgerichte Saarland und Niedersachsen haben aus ihrer Sicht feststellt, dass dieses, die Kürzung der Pendlerpauschale beim Kilometer 0 bis 20 verfassungswidrig wäre. Der Bundesfi nanzhof hat Zweifel geäußert.
Er hat sich also nicht eindeutig geäußert, er hat sich nicht eindeutig festgelegt. Das ist auch richtig so, denn es ist völlig klar, in dieser Angelegenheit kann letztendlich nur das allerhöchste Gericht, das Bundesverfassungsgericht, entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht wird im Laufe des Jahres 2008, etwa in einem halben Jahr, entscheiden und die Zielsetzung des FDP-Antrages ist praktisch die, dass man sagt, wir warten nicht bis zum Bundesverfassungsgerichtsurteil, sondern wir fordern die Bundesregierung auf, sie möchte möglichst schnell, sofort, praktisch vorab …
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere von der antragstellenden FDP-Fraktion, an dieser Stelle haben die Koalitionsfraktionen allerdings eine andere Lageeinschätzung. Warum?
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass es wie bei jedem anderen Thema sehr viel unterschiedliche Juristenmeinungen auch in diesem Falle wieder gibt.
Und es liegt immer in der Natur der Sache, das Bundesverfassungsgericht kann sowohl als auch entscheiden.
weil, Herr Schnur, es auch nicht ganz zutreffend ist, wenn man praktisch nur die Rechtsposition derjenigen darstellt, die hier klageführend sind. Nämlich diese Gegenmeinung von Ihnen, praktisch hier postuliert, zielt ab auf den Obersatz des Einkommenssteuergesetzes. Ich zitiere: „Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.“ Darauf zielt im Kern die Begründung der Klageführer. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Rechtsmeinung geht davon aus, dass die Pendlerpauschale vergleichbar mit der Eigenheimzulage eine staatliche Subvention ist. Und dieser Position sind bisher die meisten Gerichte gefolgt. Insofern ist nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht sich so positioniert. Davon ist allerdings nicht berührt – und das könnte momentan eventuell ein Schwachpunkt sein, aber damit ist ein Jurist zu befähigen – die Frage des Verstoßes gegen die Gleichbehandlung. Aber im Kern ist es überhaupt nicht klar, ob das Bundesverfassungsgericht diesen Obersatz des Einkommenssteuergesetzes praktisch geringer schätzen wird als die Position, dass es eine staatliche Subvention ist, denn wenn es eine staatliche Subvention ist und das Bundesverfassungsgericht zu dieser Entscheidung kommt, dann wird ähnlich wie bei der Eigenheimzulage auch die Kürzung der Pendlerpauschale für verfassungsgemäß erklärt. Das ist einfach die Rechtslage.
Also, sind wir nun Propheten, spekulieren wir hier, ich habe ja nur die Rechtsposition dargelegt und etwas festgestellt, das gebietet der Respekt vor dem Bundesverfassungsgericht, Herr Abgeordneter Schnur.
… ist dieses Urteil auch zu respektieren und nicht vorab zu spekulieren. Ich mache das nicht. Ich habe hier nur die Rechtsposition dargelegt. Aber weil es gerade so ist und wir noch kein Urteil haben, möchten oder werden die Koalitionsfraktionen natürlich ganz klar – an dieser Stelle sage ich das – Ihren Antrag ablehnen, auch wenn uns durchaus bewusst ist, dass das schon problematisch ist für die Bundesregierung, in der sie sich letztendlich auch befi ndet.
Egal, wie sich das Bundesverfassungsgericht positioniert, ein zugegebenermaßen politisch schwieriges Thema für die Koalitionsregierung in Berlin ist es allemal.
Zumal, stellen Sie sich einmal vor, die Regierung obsiegt, was ja nicht auszuschließen ist, dann trifft es natürlich die Pendler, die in erheblichem Maße zurückzahlen müssten. Verliert die Regierung, ist es auch nicht besonders erfreulich. Da freuen sich vielleicht die Pendler. Das bedeutet aber, dass der Bundesfi nanzminister 2,5 Milliarden Euro gegenfi nanzieren müsste, denn die sind im Haushalt momentan natürlich nicht drin. Das könnte dazu führen, dass die Koalitionsregierung zu der Erkenntnis kommt, dass das möglicherweise zulasten derjenigen geht, die, das sage ich jetzt mal, noch 30 Cent bekommen. Die Modelle sind ja auch im Gespräch.
Eine Absenkung der 30 Cent auf 25 oder 20 Cent würde insbesondere natürlich die Pendler in Mecklenburg-Vorpommern hart treffen.
Egal, wie ich mich drehe, das Thema ist nicht besonders erfreulich und ich bin auch nicht derjenige, der hier steht und die Kürzung der Pendlerpauschale verteidigt. Unser Land hat sich der Stimme enthalten.
Warum lehnen wir trotzdem Ihren Antrag ab? Ich wiederhole: Wir sind der Meinung, das Bundesverfassungsgerichtsurteil gilt es abzuwarten. Wir brauchen jetzt keinen politischen Schnellschuss. Wir brauchen auch keinen politischen Aktionismus, sondern müssen sachgerecht und politisch kluge Entscheidungen treffen in den zugegebenermaßen nicht so einfachen Angelegenheiten, denn es geht nicht nur um das Urteil an sich, es müssen Neuregelungen getroffen werden, Neuregelungen, die sowohl rechtlich belastbar als auch praktikabel sind. Sie müssen rechtlich sauber sein, sie müssen klage sicher sein, sie müssen fi skalisch belastbar sein und sie müssen natürlich auch praktikabel sein. Ich denke da mal an unsere Finanzämter, die sich momentan mit diesem Thema herumschlagen müssen. Für sie ist es ein extrem unerfreuliches Thema und es muss natürlich im Interesse der Pendler nach Möglichkeit auch noch bezahlbar sein. Wie Sie diese Quadratur des Kreises hinkriegen wollen,
das, glaube ich, ist nicht so einfach. Insofern sind wir klug beraten, das Bundesverfassungsgerichtsurteil abzuwarten, um dann in Kenntnis des Urteils und seiner Begründung dieses Problem insgesamt sachgerecht zu lösen.
Ich möchte auch auf einen Schwachpunkt des FDPAntrages hinweisen, denn das gehört in Wirklichkeit mit dazu. Bei der Fraktion DIE LINKE kommt es vielleicht noch, bei Ihnen auch, denn es gibt natürlich einen Schwachpunkt in Ihrer Antragstellung. Ich möchte Sie bitten, in Ihrem Redebeitrag, der ja noch kommt, auch mal einen Vorschlag zu unterbreiten, wie die 2,5 Milliarden Euro gegenfi nanziert werden. Das ist ja kein geringer Betrag.
Ich frage doch nur: Wie gedenkt die FDP, dieses gegenzufi nanzieren? Denn es betrifft natürlich auch Länder, das ist völlig klar.
Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu einem Punkt, der den Antragstellern zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht bekannt war, uns auch nicht. Ich möchte aber trotzdem dieses Ärgernis hier in aller Deutlichkeit ansprechen. Herr Schnur hat es zumindest angedeutet. Ich komme noch einmal darauf zurück.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Berliner Koalitionsregierung hatte in ihrer Weisheit im Ergebnis der vorletzten Koalitionsberatung zu vorgerückter Stunde die Absicht geäußert,
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: War das Satire jetzt? – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)
die Aufhebung der erst Mitte September vom Bundesfi nanzministerium gewährten verwaltungsrechtlichen Vereinfachungen, Herr Schnur, bei der Eintragung der Entfernungskilometer als Freibetrag in die Lohnsteuerkarte für die Bürgerinnen und Bürger abzusetzen, aufzuheben und nicht mehr zu praktizieren.
Ich muss allerdings sagen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn das ernsthaft die Absicht sein sollte – Konjunktiv –, hielte ich das rechtlich für katastrophal, weil das eine massive Rechtssicherheit zusätzlich provozieren würde,
und die, die nicht rechtzeitig eingetragen haben, der Meinung wären, sie möchten es noch, konnten es aber bisher nicht machen.
Es würde natürlich auch zu einem erheblichen, sage ich jetzt mal, Vertrauensverlust von Politik führen. Ich weiß allerdings, dass die Finanzministerkonferenz morgen, insofern ist das Thema wirklich brandaktuell, …