Protokoll der Sitzung vom 15.11.2007

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Leiharbeit hat in den letzten Jahren bundesweit an Bedeutung zugenommen. Dabei ist, das muss man feststellen, Leiharbeit nicht immer gleich Zeitarbeit. Die jahresdurchschnittliche Zahl der Zeitarbeitnehmer von 2003 bis 2005 ist von rund 114.000 auf circa 444.000 Beschäftigte bundesweit angestiegen. Dabei ist festzustellen, und das muss man hier konstatieren, dass der Anstieg von Leiharbeit nicht vollständig mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze gleichzusetzen ist.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Die SPD ist der Auffassung, dass Zeitarbeit oder Leiharbeit dem Grunde nach eine Brücke in ein reguläres Arbeitsverhältnis ist.

(Irene Müller, DIE LINKE: Sein sollte!)

Dass sie nebenher Flexibilisierungsmöglichkeiten in Ausnahmefällen für Beschäftigte und Unternehmen bildet, ist dabei auch durchaus gewollt. Es darf aber nicht zu Lohndumping oder zur Umgehung von Tarifverträgen in den Betrieben kommen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Das ist gerade vor nicht einmal einem Monat wieder durch die Bundes-SPD beschlossen worden. Wir wollen daher in diesem Bereich einen Mindestlohn für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer über die Einbeziehung der Leiharbeitsbranche in das Arbeitnehmerentsendegesetz einführen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Dieser Mindestlohn, meine Damen und Herren, soll auf der Grundlage – und da gibt es ja offensichtlich durchaus auch Arbeitgeberunternehmerverbände, die gleiche oder gleichgelagerte Interessen wie die Beschäftigtenvertreter haben – des Tarifvertrages zwischen dem Bundesverband für Zeitarbeit und dem DGB für allgemeinverbindlich erklärt werden. Wo, das ist die Auffassung meiner Fraktion, in den Betrieben gleiche Arbeit geleistet wird, müssen auch die Löhne, die Arbeitsbedingungen, die Weiterbildungsmöglichkeiten und die Aufstiegsmöglichkeiten gleich sein.

(Irene Müller, DIE LINKE: Na, das ist ja gar nicht gewährleistet.)

Meine Damen und Herren, unser Ziel ist es, dass die Beschäftigten in einem Betrieb zum Stammpersonal des Unternehmens zählen. Nur wenn die Beschäftigten eine planbare berufl iche Perspektive haben, können sie letztendlich für ihre Familien die Zukunft planen und gestalten. Deshalb hat die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg am 26. bis 28. Oktober dieses Jahres drei aus meiner Sicht wesentliche Punkte zum Thema Zeitarbeit festgehalten:

Erstens. Die SPD will, ich hatte es eben schon ausgeführt, zunächst einen Mindestlohn für die Beschäftigten über die Einbeziehung in den Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes einführen.

Zweitens. Die SPD will darüber hinaus das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz so ändern, dass nach einer angemessenen Einarbeitungszeit ohne Ausnahme für Zeitarbeitnehmer die gleiche Bezahlung und die gleichen Arbeitsbedingungen gelten wie für die Stammbelegschaft.

Drittens. Und die SPD ist der Auffassung, dass es erforderlich ist, die Stärkung der Rechte des Betriebsrates im Entleihbetrieb bezüglich der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern nach Umfang und Zeitdauer der Leiharbeit im Betrieb zu prüfen. Auch müssen Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung nach Auffassung der Bundes-SPD – und das trägt meine Fraktion genau mit – für die Schwellenwerte nach der Betriebsverfassung mitgezählt werden.

Meine Damen und Herren, das zu den grundsätzlichen politischen Aussagen. Dabei ist es nach Auffassung der SPD nicht damit getan, wenn das vielleicht ein erster Schritt ist, entsprechende Forderungen in einem Grundsatzprogramm einzuführen. Die SPD bemüht sich stattdessen, auch im Rahmen ihrer bundespolitischen Tätigkeit zusammen mit ihrem dortigen Koalitionspartner genau diese Ziele durchzusetzen.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

So hat der SPD-Arbeitsmarktexperte der Bundestagsfraktion Klaus Brandner noch am 01.10. deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es nach Auffassung der Bundestagsfraktion gerade der Punkt sei, dass Leiharbeitnehmer spätestens nach sechs Monaten Einsatz im selben Betrieb genauso bezahlt werden müssen wie Stammkräfte. Das ist eines der wesentlichen Ziele im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik der nächsten Monate der Bundestagsfraktion.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir jetzt auch noch einen Satz konkret zu dem hier vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE. Sie konnten es meinen Äußerungen entnehmen, dass im Grunde sämtliche Punkte, die Sie hier angesprochen haben, die – das ist hoffentlich deutlich geworden – von meiner Fraktion inhaltlich durchaus mitgetragen werden, erstens bundespolitische Gesichtspunkte sind …

Frau Gramkow, Sie brauchen nicht zu lächeln, es ist halt so.

(Angelika Gramkow, Die LINKE: Aber ich würde nicht weinen wollen. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

… und auf der anderen Seite Punkte sind, die von meiner Bundestagsfraktion bereits in die politische Diskussion in Berlin eingebracht werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ah ja?!)

Ungeachtet dessen ist es für meine Fraktion natürlich wichtig, sich konkret mit den Bedingungen für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer hier in diesem Land zu beschäftigen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr richtig. – Peter Ritter, DIE LINKE: Immerhin!)

Wir haben uns, Herr Professor Methling, mit unserem Koalitionspartner dahin gehend auch schon verständigt, dass wir – wir haben damit auch schon die ersten Gespräche geführt – bezogen auf die Situation der Beschäftigten hier in diesem Land die Möglichkeit erörtern, inwieweit auf einer der folgenden Landtagssitzungen ein gemeinsamer Antrag eingebracht wird, der sich konkret mit der Situation der Beschäftigten hier in diesem Land auseinandersetzt. Und es würde mich freuen, wenn es dann eine breite Mehrheit angesichts der Bedeutung dieses Themas über die Reihen der Koalitionsfraktionen hinaus geben würde.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Kommt der dann auch im Dezember?)

Zum heutigen Zeitpunkt werden wir Ihren Antrag ablehnen müssen.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Fraktionsvorsitzende Herr Roolf. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion, die wir führen, ist getragen von sehr unterschiedlichen Auffassungen, wie der Arbeitsmarkt und die Herausforderungen der Zukunft am besten geregelt werden können. Sie, liebe Kollegen von der LINKEN, sagen, ich überspitze das mal: Leiharbeit ist Teufelszeug, Leiharbeit gefährdet Arbeitsplätze, Leiharbeit ist etwas, was unsozial ist, Leiharbeit ist etwas, was zu risikoreich ist. Deshalb verurteilen wir Leiharbeit.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Zumindest so, wie sie funktioniert. – Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Aus dieser Denkweise heraus werden wir, gestatten Sie mir, Ihnen das ganz deutlich zu sagen, auch nie einen gemeinsamen Nenner fi nden für Ihre Argumentationslinie. Leiharbeit ist für uns genau das Gegenteil.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Leiharbeit ist für uns die Chance, dass gerade die Menschen, die nicht besonders gut qualifi ziert sind, endlich wieder eine Möglichkeit haben,

(Irene Müller, DIE LINKE: Gucken Sie sich mal die Leute an in den Leihfi rmen! – Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

einen Arbeitsplatz zu bekommen, eine Beschäftigung zu bekommen und wieder eine Rolle in der Gesellschaft zu bekommen.

(Michael Andrejewski, NPD: Eine Sklavenrolle!)

Es ist hier hinlänglich diskutiert worden, die meisten dieser Beschäftigungsverhältnisse sind aus der Arbeitslosigkeit entstanden.

(Dr. Wolfgang Methling, Die LINKE: Mit welchen Leiharbeitern haben Sie denn gesprochen?! – Irene Müller, DIE LINKE: Das sind auch Diplomingenieure, die sind bestens qualifi ziert.)

All Ihre Argumentationen jetzt am möglichen Missbrauch aufzuziehen, Herr Professor Methling, entschuldigen Sie, das ist einfach dem Sachverhalt nicht angemessen.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Die Situationsbeschreibung, wie Wirtschaft funktioniert, will ich Ihnen gerne noch einmal geben.

(Irene Müller, DIE LINKE: Fernab von der Realität.)

In einem kommenden wirtschaftlichen Aufschwung

(Udo Pastörs, NPD: Ha, ha, ha!)

sind zuerst auch Risiken da, und zwar Risiken, die Sie in einem wirtschaftlichen Aufschwung nicht erkennen können. Unternehmerinnen und Unternehmer, die dieses Risiko auf sich nehmen, stellen in Erwartung auf die Zukunft und aufgrund der Rahmenbedingungen für die Zukunft Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein, damit sie gemeinsam mit ihnen die Herausforderungen der Zukunft auch erreichen können.

(Irene Müller, DIE LINKE: Sie sprechen von Liebherr. Sie sprechen von Nordex. Wir sprechen von Siemens.)

Das ist das, was bei einer wirtschaftlichen Entwicklung passiert. Wirtschaftliche Entwicklungen, auch das haben wir zur Genüge hier in der Bundesrepublik Deutschland gemerkt, können auch auf einmal schlagartig abbrechen. Und solange wir Rahmenbedingungen in der gesamten Arbeitswelt in der Bundesrepublik haben,

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aber jetzt haben die Firmen Konjunktur.)