Protokoll der Sitzung vom 30.01.2008

(Irene Müller, DIE LINKE: Die Menschen fühlen sich genauso beschissen in Dassow wie bei Nokia.)

Das weiß ich, dass die Menschen sich schlecht fühlen, das weiß ich ganz genau.

(Irene Müller, DIE LINKE: Deswegen muss man sich drum kümmern.)

Ich habe mit diesen Menschen gesprochen. Und deswegen haben wir uns bemüht, uns im Gläubigerausschuss für die Fortführung einzusetzen. Sie können sich vorstellen, da sitzen Banker, da sitzt das Land mit dem LFI, da sitzt das Land mit Vertretern des Wirtschaftsministeriums. Da sind die Interessen oftmals auch sehr unterschiedlich. Ich glaube, da brauchen wir uns nichts vorzumachen. Da haben wir uns wirklich bemüht. Aber wir müssen konstatieren, dass sich die Bietersituation außerordentlich kompliziert darstellt. Ursprünglich, als das Verfahren eröffnet wurde, gab es sehr viele Bewerber. Das reduziert sich jetzt stark. Es gibt jetzt viel Bewegung, aber es ist so, dass wir relativ wenig Bewerberanschluss haben.

Und, meine Damen und Herren, auch das muss genau klargestellt werden: Es ist völlig unrealistisch – auch das habe ich den Menschen gestern gesagt – zu glauben, wir hätten irgendeine Chance, mit der vollen Belegschaft dort in Zukunft eine Fortführung zu organisieren. Es ist im Übrigen auch verheerend gewesen, was da gelaufen ist mit Presseveröffentlichungen seitens der ehemaligen Geschäftsführung, so zu tun, als ob das alles kein Problem ist. Das wird jetzt verkauft, es geht weiter und alle werden ihre Beschäftigung haben. Das ist zugegebenermaßen wirklich schlimm gewesen. Wir haben aus diesem Grund schon lange überlegt, ob eine solche Transfergesellschaft möglich ist. Eine Transfergesellschaft ist nichts Ungewöhnliches, aber im üblichen Fall läuft das so, dass die Arbeitsagentur ihre Mittel, die sie für Kurzarbeitergeld ausgibt, hier einsetzt, dass aus der Masse entsprechendes Geld zur Verfügung gestellt wird

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau.)

und dann eine solche Transfergesellschaft, wie lange auch immer, organisiert wird.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Leider Gottes mussten wir feststellen, dass die Möglichkeiten der Masse inzwischen beschränkt sind. Aufgrund der Entwicklung, die jetzt hier rasant vor sich gegangen ist, hat das Unternehmen signalisiert, dass man pro Monat Verluste bis zu 2 Millionen Euro dort konstatieren muss. Das führt natürlich zu Massenverzehr, machen wir uns da nichts vor. Und, meine Damen und Herren, aufgrund dieser schwierigen Situation, die sich jetzt darstellt, und aufgrund der zu befürchtenden sozialen Härten haben wir uns entschieden, gemeinsam mit der Agentur für Arbeit und auch unter Beteiligung der Masse – oder wie man will, das muss der Verwalter dann organisieren – eine Transfergesellschaft insgesamt zu fi nanzieren, wo das Land sich beteiligt, sonst kommt sie nämlich nicht zustande.

(Udo Pastörs, NPD: 1 Million im Monat kostet sie.)

Ich staune bloß, was Sie alles schon wissen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, ja. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Er weiß immer alles. Das macht nichts.)

Also das ist wirklich interessant.

Ich sage Ihnen, es wird eine Beteiligung des Landes von 2,5 bis 4 Millionen Euro geben, weil heute keiner seriös sagen kann, wie viele Menschen sich wirklich in dieser Transfergesellschaft am Ende wiederfi nden werden. Und die Voraussetzung – das ist wichtig, die ist klar und deutlich zu nennen, auch das ist gestern angesprochen worden – ist die, dass sich 90 bis 95 Prozent entscheiden müssen, über einen Aufl ösungsvertrag dann in diese Gesellschaft zu gehen. Das ist eine harte Entscheidung für die Beschäftigten, das ist ganz klar, das wissen die auch. Deswegen gab es gestern eine Besprechung im Betriebsrat und ich denke, dass diese Diskussionen heute entsprechend fortgesetzt wurden.

Warum haben wir dies getan? Ich will im Wesentlichen drei Gründe benennen:

Erstens geht es uns darum, eine Lösung, die möglich ist, aber wo wir nicht wissen, wie sie aussieht, jetzt nicht unter Zeitdruck fi nden zu müssen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Das ist der erste Punkt. Ansonsten hätte jetzt die Kündigung von 500 Menschen erfolgen müssen, die dort nicht mehr bezahlt werden können, weil das Geld schlichtweg nicht mehr da ist. Die Aufträge, die jetzt abgearbeitet werden, geben das nicht her. Wir schaffen damit – so makaber das jetzt klingen mag – die günstigsten Voraussetzungen für eine Fortführungslösung. Jetzt wird dieser oder jener wieder ein bisschen aufschreien,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist aber so, ja.)

aber ich bitte Sie, einfach nachzudenken. Natürlich ist aus der Sicht potenzieller Erwerber eine Situation am allergünstigsten, wenn man Belastungen aus der Vorzeit des Unternehmens nicht mit erwerben muss. Das ist schlichtweg so, ich muss es Ihnen sagen.

Zum Zweiten geht es uns darum, dass wir die notwendigen Maßnahmen der Qualifi zierung für die Beschäftigten jetzt nicht überstürzt und sozusagen dort im normalen Geschäft der Arbeitsagentur machen, sondern in dieser Transfergesellschaft natürlich effi zienter realisieren und die Chancen der Menschen wenigstens verbessern wollen, immer mit der Maßgabe, es werden nicht alle beschäftigt werden können, nicht in dieser Firma. Das wissen die Leute auch alles.

Und drittens sage ich Ihnen ebenfalls ganz klar: Natürlich geht es uns auch um wenigstens ein bisschen Abminderung sozialer Härten im Wissen, dass ganze Familien in diesem Werk beschäftigt sind. Was das heißt, muss ich hier nicht weiter ausführen.

Meine Damen und Herren, deswegen halte ich es für richtig, dass SPD und CDU eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses beantragt haben. Das ist allemal besser, als sich hier jetzt die Dinge irgendwie um die Ohren zu hauen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Im Übrigen will ich auch noch einmal sagen, ich stehe zu meiner Aussage, dass für mich heute Priorität nicht der Blick in die Vergangenheit hat,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

sondern heute, wenn wir es ehrlich meinen mit den Menschen, müssen wir uns erst einmal darum kümmern, wie es hier vor Ort weitergeht. Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Herr Roolf, trotzdem werden Sie von mir nie eine Aussage hören, dass man nicht auch aus Entscheidungen der Vergangenheit lernen kann. Das ist völlig klar. Was mich nur stört, ist, dass jetzt alle auf dem Trapez sind, alle, von der Gewerkschaft angefangen, überall. Herr Rickers hat mit mir bis jetzt kein einziges Mal gesprochen, auch in meinem Hause war er nicht, hat mit niemandem gesprochen, weiß aber auch schon, wer es gewesen ist. Da bitte ich Sie, noch einmal nachzudenken, ob Ihre Haltung diesbezüglich so ist. Sie fordern uns auf der einen Seite auf, wir sollen alles gründlich vorbereiten, und auf der anderen Seite sagen Sie uns aber schon, was Ihre Meinung ist, die steht schon fest. Das halte ich für falsch, Herr Roolf, das unterscheidet uns wahrscheinlich auch etwas.

(Zuruf von Michael Roolf, FDP)

Insofern glaube ich, wir müssen vernünftig über die Dinge reden. Und wenn sich Schlussfolgerungen ergeben, dann müssen wir sie ziehen.

Ich will Ihnen nur noch eines sagen: Wir haben zum Beispiel mit dem regionalen Förderprogramm – und das hat die Landesregierung beschlossen – Veränderungen bei der Förderung eingeleitet. Wir führen jetzt die Darlehen ein. Wir haben die Fördersätze reduziert. Wir geben Höchstfördersätze wirklich nur dann, wenn wir nachweisen können, dass die Strukturbedeutsamkeit für das Land erkennbar ist. Das sind wichtige Schritte. Wir begrenzen die Zeit der Möglichkeit, bis man die Finanzierung darstellt, was bisher nicht gemacht wurde. Es ist also das Bemühen da, das ist keine Frage. Aber was ich für falsch halte, ist, dass hier vorschnell Dinge in den Raum gestellt werden. Insofern bitte ich Sie, dass wir wirklich gründlich miteinander im Ausschuss über die Dinge reden. Wir werden uns entsprechend vorbereiten, das ist ganz klar.

Aber worum es mir geht, ist, dass wir erstens die Fortführung im Blick haben, was schwer genug ist. Aber ich kann Ihnen heute nicht versprechen, was am Ende des Tages dort in Dassow wirklich stattfi nden wird. Zum Zweiten sollten wir gemeinsam darum ringen, dass wir im Wettbewerb der Standorte in diesem Lande weiterhin eine gute Weiterführung der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes generieren können, denn nur das führt uns am Ende zu weiteren, auch zukunftsfähigen Arbeitsplätzen

(Udo Pastörs, NPD: Ablenkungsmanöver.)

hier in Mecklenburg-Vorpommern. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Herr Minister.

Um das Wort hat ebenfalls gebeten der Verkehrsminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ebnet. Herr Dr. Ebnet, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ums Wort gebeten, nicht um das zu unterstreichen, was der Kollege Seidel schon gesagt hat. Dem ist nichts hinzuzufügen, außer einer persönlichen Stellungnahme, die ich an Sie, Herr Roolf, richten möchte. Was man in den letzten Tagen in der Presse als Ihre Äußerung lesen konnte, das war verstärkt auch gegen mich gerichtet, gegen die frühere Förderpolitik. Heute, Herr Roolf, haben Sie zum ersten Mal entdeckt, dass es in Dassow um Menschen geht.

(Michael Roolf, FDP: Och, Herr Ebnet! Herr Ebnet, das ist aber unterirdisch.)

Denken Sie einmal darüber nach, was Sie angerichtet haben. In Dassow haben über 1.000 Leute Angst um ihren Arbeitsplatz,

(Michael Roolf, FDP: Ja, ja.)

sie haben existenzielle Sorgen. Sie haben nur die Frage gestellt und diskutiert, was denn damals, als es um Förderung ging, im Jahr 1998, im Jahr 2000, im Jahr 2002 entschieden worden ist. War das richtig? War das falsch? Das war Ihr Thema, das ist auch noch das Thema Ihres Antrags, den Sie hier heute vorgelegt haben.

(Michael Roolf, FDP: Und die Zukunft. Schauen Sie rein! Schauen Sie rein!)

Das werden wir alles im Ausschuss zur Genüge klären. Ich stehe selbstverständlich zur Verfügung, Herr Roolf,

(Michael Roolf, FDP: Das ist unterirdisch.)

und bin gern bereit, mich dort zu äußern.

Die Menschen, die heute auf die Straße gegangen sind, und auch darüber sollten Sie einmal nachdenken, die sind für ihre Arbeitsplätze auf die Straße gegangen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist doch ein Ablenkungsmanöver, was Sie hier machen.)

Die sind froh, dass sie Arbeit haben, die wollen diese Arbeitsplätze, die durch Förderung entstanden sind

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, natürlich, ja. – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)