Protokoll der Sitzung vom 01.02.2008

(Stefan Köster, NPD: Eigene Geschichte tut weh. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das müssten Sie doch wohl am besten wissen.)

Erstens. Herr Lietz, es ist sehr schade, wenn Sie hier im Landtag nicht registriert haben, was in den letzten Tagen passiert ist.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Und ich bin auch ein bisschen enttäuscht, Frau Kuder, wenn Sie hier einer Entschließung der nationalen Datenschutzbeauftragten, also einer Entschließung der Datenschutzbeauftragten aller Länder zum Europäischen Datenschutztag, einseitige Sichtweise vorwerfen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich denke, das kann hier nicht so stehen bleiben, denn das missachtet die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land gröblichst.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Lietz, wenn Sie Ihr Postfach immer ordentlich leeren würden – entschuldigen Sie, dass ich jetzt so reagiere –, dann hätten Sie diese Erklärung sehr deutlich lesen können, denn der Datenschutzbeauftragte unseres Landes hat sie allen Fraktionen mit einem großen Paket von Materialien zur Verfügung gestellt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Da haben Sie die wohl bestimmt nicht verteilt!)

So viel dazu. Ich sage, bevor ich zu meinem eigentlichen Redebeitrag komme, auch noch einen Satz: Abwarten in dieser Sache heißt nicht demokratische Teilhabe, um die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung in Mecklenburg-Vorpommern zu stärken. Und das halte ich für wirklich schade, da wir eigentlich zu den Ländern gehören, die Vorreiterrollen auf diesem Weg eingenommen haben. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie mit dem Antrag, wo Sie uns Oberfl ächlichkeit vorwerfen, intensiver umgegangen wären.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

So viel noch zu meiner Vorbemerkung. Ich komme jetzt zu meinen eigentlichen Ausführungen. Ich will mich, wie es Barbara Borchardt schon angekündigt hat, noch einmal insbesondere auf den Punkt 3 beziehen und Ihre Argumente, die Sie hier gebracht haben, ich will nicht sagen widerlegen, sondern Ihnen die Anregung geben, über das, was Sie hier vorgetragen haben, noch einmal nachzudenken. Ich will Ihnen am Ende verdeutlichen, warum moderner Datenschutz nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Wirtschaft wichtig und nützlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Der Landtag hat bei uns 2002 im Landesdatenschutzgesetz die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Hersteller und Vertriebsfi rmen ihre IT-Produkte, die für den Einsatz in der öffentlichen Verwaltung geeignet sind, auf ihre Datenschutzfreundlichkeit prüfen, um sie im Erfolgsfall mit einem Gütesiegel versehen lassen zu können. Ich zitiere deshalb extra noch einmal den Paragrafen 5 Absatz 2, auf den wir Bezug genommen haben, damit es Ihnen vielleicht leichter fällt, das noch einmal nachzuvollziehen.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Gabi, gib dir keine Mühe. – Torsten Koplin, DIE LINKE: Doch, gib dir Mühe!)

Zitat: „Informationstechnische Produkte, deren Vereinbarkeit mit den Vorschriften über den Datenschutz und die Datensicherheit in einem Prüfverfahren festgestellt wurde, sollen vorrangig eingesetzt werden. Die Landesregierung regelt durch Rechtsverordnung Inhalt, Ausgestaltung und die Berechtigung zur Durchführung des Verfahrens.“ Insofern, meine Damen und Herren, haben wir Punkt 3 schon realisiert. Aber die Regierung ist nach wie vor nicht bereit, eine Rechtsverordnung dafür zu schaffen. Ich denke, das kann man eigentlich nicht mehr so hinnehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Die gesetzlichen Grundlagen sind da, das Verfahren muss nur noch geregelt werden. Warum das nicht getan wird, dafür haben Sie mir heute keine akzeptablen Argumente gebracht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, und wenn ich immer wieder höre, die Bürokratiekeule und die Kosten, die ein solches Auditierungsverfahren verursachen würde, dann will ich Ihnen noch einmal den Ablauf erläutern, wie es schon auf vielen Tagungen des Datenschutzbeauftragten unseres Landes und der Länder gebetsmühlenartig verdeutlicht worden ist. Ganz einfach: Es beginnt mit einem freiwilligen Antrag – ich betone, freiwillig – des Herstellers mit der Prüfung des Produktes anhand eines fortzuschreibenden transparenten Kriterienkataloges durch unabhängige beim Landesdatenschutzbeauftragten akkreditierte Sachverständige. Und dazu ist nicht ein Horrorszenario von vielen Stellen nötig, dazu ist eine Stelle nötig. Bei 30.000 Landesbediensteten in diesem Land wird es doch wohl möglich sein, eine Stelle freizumachen,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

ansonsten bedient man sich Sachverständiger, die wir in unserem Land zuhauf haben. So viel zu dem Kostenszenario, was Sie aufmachen. Deren Gutachten bilden dann die Grundlage für die Entscheidung des Landesdatenschutzbeauftragten über die Erteilung des Gütesiegels. Das Gütesiegel wird schließlich für einen begrenzten Zeitraum verliehen und durch den Datenschutzbeauftragten in einem öffentlichen Verzeichnis geführt. Auch hier lösen wir also vor Ort Aufgaben und Probleme. Über den Kriterienkatalog und die Zusammenarbeit mit anderen Aufsichtsbehörden gewährleistet der Landesbeauftragte für den Datenschutz und Informationssicherheit schließlich die bundesweite Anwendbarkeit des Gütesiegels. Also, meine Damen und Herren, wo klemmt denn nun die Säge?

Meine Damen und Herren, Hersteller und Vertriebsfi rmen von IT-Produkten im Land hätten bei einer Auditierung in Mecklenburg-Vorpommern Standortvorteile,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

denn nach Paragraf 5 Absatz 2 Landesdatenschutzgesetz sind öffentliche Stellen des Landes grundsätzlich verpfl ichtet, vorrangig auditierte Produkte einzusetzen. Also sehen Sie doch endlich mal den Vorteil! Damit hätten sowohl die Landesverwaltung als auch die Kommunalverwaltungen zugleich ein dringend benötigtes und vor allem verlässliches Auswahlkriterium, um bei Ausschreibungen eine rechtlich zulässige und fachlich fundierte Vergabeentscheidung treffen zu können. Das Datenschutzgütesiegel wirkt im Ausschreibungsverfahren zugleich als Nachweis der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des Produktes. Also hier guckt Entbürokratisierung und nicht Bürokratisierung heraus,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

denn es entlastet Verwaltung und Unternehmen von der ansonsten bei jeder Ausschreibung erforderlichen Einzelfallprüfung der Geeignetheit des Produktes für den geplanten Einsatz. Und wenn das für Sie nicht überzeu

gend ist, dann weiß ich nicht, wie Sie den Umgang mit diesem Auditierungsverfahren bisher überhaupt verinnerlicht haben.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau, so ist es. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Es ist also Fakt, dass mit der Einführung des Datenschutzaudits die Arbeit der Vergabestellen entlastet wird,

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

weil wesentliche technische Komponenten, deren Datenschutzniveau, die ein Anwender oft nur schwer beurteilen kann,

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Der Wirtschaftsminister hat genickt.)

bereits vorab sachverständigtengeprüft sind.

Auch vergaberechtlich wirkt sich eine Auditierung positiv aus. Das Gütesiegel wirkt als vorweggenommene Prüfung, die alle anderen nichtauditierten Anbieter nicht ausschließt, sondern für Auditierte das Verfahren verkürzt und vereinfacht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Wettbewerbsverzerrungen sind also nicht zu erwarten, meine Damen und Herren, da die Auditierung ausschließlich freiwillig erfolgt und nicht verbindlich gefordert werden kann. Sie sehen also, es gibt eine ganze Reihe von positiven Effekten, denen wir uns nicht länger verschließen sollten:

Erstens. Es herrscht Rechtsklarheit in Verwaltung und Wirtschaft.

Zweitens. Das Datensicherheitsniveau wird angehoben und wirkt sich darüber hinaus auf die Betriebssicherheit der eingesetzten Systeme aus. Fehlerhafte Anwendungen werden verringert beziehungsweise völlig ausgeschlossen.

Drittens. Neben den Wettbewerbsvorteilen im Bereich der öffentlichen Verwaltung und auch im Privatkundenvertrieb wird es eindeutig positiv bessere Vermarktungsmöglichkeiten der Produkte geben. Hersteller und Vertriebsfi rmen könnten die Qualität ihres Produktes durch das Zertifi kat in Werbung und Marketing absatzsteigernd hervorheben.

Privaten Kaufi nteressenten würde ein Produkt angeboten, das sich durch ein amtliches, datensicherheitstechnisch und datenschutzrechtlich relevantes Prüfsiegel gegenüber Konkurrenzprodukten positiv abhebt. Kunden wie Abnehmer könnten diese Eigenschaften gerade beim ITEinsatz in sensiblen Bereichen in ihre Kaufentscheidung einbeziehen. Oder bildlich gesprochen, meine Damen und Herren – vielleicht verstehen Sie das dann –, wenn Sie ein Auto kaufen, wollen Sie möglichst auch, dass es einen TÜV hat beziehungsweise durch den nächsten kommt.

Die Rechtsverordnung lässt aber bekanntlich auf sich warten und damit auch die angeführten und dargelegten positiven Effekte. Und was das Argument betrifft, die Wirtschaft wolle das aus Kostengründen nicht, das Ganze sei doch mit dem Ziel der Deregulierung nicht vereinbar, kann ich nur mit Verlaub sagen, dies ist wirklich an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Von vielen Seiten, und vielleicht haben Sie das auch nicht mitbekommen, nämlich den Industrie- und Handwerkskammern, der IT-Initiative Mecklenburg-Vorpommern, dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Rostock, der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. und von verschiedensten Unternehmen unseres Landes wurde und wird deutliches Interesse geäußert und signalisiert. Die Presse hat darauf in den letzten Tagen auch verwiesen. Ich verweise also auf die jüngsten Umfrageergebnisse des Datenschutzbeauftragten von über 1.000 Betrieben. Vorgestern haben wir dazu die Medienberichterstattung gesehen. Sie konnten das sogar am Rande der Landtagssitzung nachlesen. Viele Betriebe wollen eine bessere und technische Datensicherung betreiben und sind oft nur aus zeitlichen oder personellen Gründen nicht in der Lage, die Standards einzuhalten. Die Kostenfrage spielt bei ihnen eine untergeordnete Rolle.

Die rote Lampe leuchtet.

(Unruhe und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Torsten Koplin, DIE LINKE: Redezeitverlän- gerung! – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wir stellen sie zur Verfügung.)

Ich hätte Ihnen gerne noch viele Argumente gebracht, aber einen Satz zum Schluss: In Anlehnung an eine erfolgreiche Kampagne der letzten Landesregierung will ich Ihnen zu dem Thema nur sagen, es wäre doch gut, einfach in Mecklenburg-Vorpommern anzufangen und nicht zu warten, bis das letzte Land in der Bundesrepublik sich hier auf Bundesebene geeinigt hat.

(Zuruf von Minister Jürgen Seidel)

Erlassen Sie, verehrte Mitglieder der Landesregierung,...

Frau Abgeordnete!

... die Rechtsverordnung und stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)