Gabriele Schulz

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Aussprache und Abstimmung beenden wir die Tätigkeit der Enquetekommission „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“. Der Arbeitsauftrag dieser Kommission wird aktuell bleiben, auch dann noch, wenn diese Kommission längst Geschichte ist.
Meine Damen und Herren, „Kommission“ und „Geschichte“, diese Worte provozieren förmlich die wortspielerische Frage, schreibt diese Kommission Geschichte oder wird man schreiben: „Diese Kommission, das war schon so eine Geschichte.“ Mögen die Antworten auch unterschiedlich ausfallen, eines war diese Enquetekommission sicherlich nicht, nämlich eine Erfolgsgeschichte.
Zur Umsetzung beziehungsweise zu den Empfehlungen des vierten Zwischenberichtes wird mein Kollege Professor Dr. Methling die Position unserer Fraktion vortragen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle, vor dem Hintergrund des Gesamt- beziehungsweise Abschlussberichtes der Kommission, zwei zusammenfassende Anmerkungen auch im Vergleich zu meinen Erfahrungen aus der Arbeit der Enquetekommission in der 3. Wahlperiode.
Die erste Anmerkung betrifft den Komplex Enquetekommission und Gesetzgebung. Unser Landesgesetz über Enquetekommissionen weist diesen in Paragraf 1 unter anderem die Aufgabe zu, zur Vorbereitung gesetzlicher Regelungen Sachverhalte zu klären und dem Landtag darüber Bericht zu erstatten. Sie arbeitet also zur Vorbereitung gesetzlicher Regelungen. Genauso ist es 2002 und 2004 beispielgebend geschehen. Die weitgehend einvernehmlichen Empfehlungen der Enquetekom
mission von 2002, etwa zu Gemeinden, Ortsteilen und Ämtern, hat der Landtag mit der Änderung der Kommunalverfassung Anfang 2004 umgesetzt.
Anschließend wurde gern fraktionsübergreifend von einer Erfolgsgeschichte gesprochen. Völlig anders die jetzige Kommission. Mit ihren ersten beiden Berichten ist unsere Enquetekommission der Gesetzgebung förmlich hinterhergelaufen. Sie musste diesen Wettlauf verlieren und hat somit weitgehend für den Papierkorb gearbeitet. Zu hoffen bleibt, dass diese Einschätzung auch von unserem Landesverfassungsgericht geteilt wird. Sollte nämlich das Gericht in Greifswald diesen Berichten irgendeine ernsthafte Bedeutung für die Gesetzgebung zur Landkreisneuordnung beimessen, dann würde die Kommission tatsächlich als Sargnagel der Kreisgebietsreform in die Geschichte eingehen. Die Begründungen hierfür finden Sie im Einzelnen in unserem Sondervotum.
Meine Damen und Herren, auch in anderen Bereichen ist in dieser und mit dieser Enquetekommission einiges durcheinandergeraten. Ihr rechtlicher Auftrag, zur Vorbereitung gesetzlicher Regelungen beizutragen, wurde mehrfach ad absurdum geführt. Das war keine Vorbereitung von Gesetzen, das war zum Teil hochtrabende Lobhudelei.
Der Landtag beschließt am 21. Oktober 2009 eine FAGNovelle. Diese spielt in der Enquetekommission selbst keine Rolle. Elf Monate später begrüßt die Enquetekommission in ihrem dritten Zwischenbericht diese Neuregelung des FAG. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Eine Kommission, die sich mit zukunftsfähigen Gemeindestrukturen befassen soll, begrüßt es nachträglich, dass hinter ihrem Rücken längst Fakten geschaffen wurden! Zur wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen formuliert die Enquetekommission einen Prüfauftrag, zum gleichen Zeitpunkt ist diese Problematik im Gesetzentwurf der Landesregierung schon längst geklärt. Das hat mit konzeptioneller Arbeit wenig zu tun.
Andererseits, muss auch gesagt werden, zeigte die Koalition wenig Interesse, tatsächliche Empfehlungen der Kommission, etwa zur kommunalen Zusammenarbeit oder zu einer Experimentierklausel zur Verbandsgemeinde, rechtskonform in das Ablösegesetz zur Kommunalverfassung einzuarbeiten.
Ich habe am Dienstag dazu bereits gesprochen.
Meine Damen und Herren, an dieser Stelle muss in der Tat den nicht parlamentarischen Mitgliedern und Gästen unserer Enquetekommission ausdrücklich Danke gesagt werden, Danke dafür, dass sie ihre Teilnahme nicht eingestellt haben, so, wie es Landrat Molkentin a. D. bereits in einer Sitzung angekündigt hatte.
Meine Damen und Herren, die zweite Anmerkung betrifft den Komplex „Enquetekommission und parlamentarische Willensbildung“. In seiner Rechtsprechung hat das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern herausgestrichen, dass sich die Tätigkeit von Enquetekommissionen im Vorfeld parlamentarischer Willensbil
dung bewegt. Das hat die Kommission in der 3. Legislatur beispielgebend praktiziert. Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, die sich völlig unabhängig von Fraktionen oder Koalitionen konkreten Teilaspekten des Einsetzungsauftrages gewidmet haben. Das hieß damals fruchtbringende, streitbare Debatten, Abwägen von Für und Wider, Gespräche mit Betroffenen und Experten, Zugehörigkeit zu Fraktionen völlig im Hintergrund. Damals war es selbstverständlich, dass auch aus den Reihen der Koalition, nämlich von mir und meiner Kollegin Karin Schmidt, ein Sondervotum abgegeben wurde. Das betraf etwa die vorgeschlagene Regeleinwohnergröße von 500 für amtsangehörige Gemeinden.
Meine Damen und Herren, das heutige Urteil des Landesverfassungsgerichtes zum FAG bestätigt mein damaliges Sondervotum. Ich betrachte es als schönes Geschenk, nicht nur für die kleinen Kommunen, sondern auch für das, was wir damals schon im Sondervotum formuliert haben, denn, so das Gericht heute, die 500er-Regel ist bisher empirisch nicht belegt und hat auch den Kern des Urteils, nämlich die Aufgaben zum Ausgangspunkt der Finanzausstattung zu machen, dass das von erheblicher Bedeutung ist mit dem Gesetz, so, wie es hier gefasst worden ist, ausgehebelt. Klartext, die 95-Prozent-Regelung zu Schlüsselzuweisungen ist gekippt
und der Landtag muss sich wohl schnellstens damit beschäftigen, wie er dieses Problem heilt.
Meine Damen und Herren, diese Enquetekommission hat sich über weite Strecken gerade nicht im Vorfeld parlamentarischer Willensbildung bewegt, sie wurde vom Gegensatz Koalition und Opposition geprägt. Das hat der Kommission und letztlich auch dem Landtag selbst politisch geschadet. Oder, wie mein geschätzter Kollege Ringguth es formulierte, das Ansehen der Kommission wurde beschädigt.
Der Städte- und Gemeindetag als ständiger Gast der Enquetekommission sah sich in dieser Situation genötigt, eine Erklärung am Ende des zweiten Zwischenberichtes abzugeben, die an der Arbeit der Kommission scharfe Kritik übte. Ich zitiere sinngemäß: „Eine ergebnisoffene, nicht von Parteizwängen bestimmte Arbeit hat nicht stattgefunden.“
Meine Damen und Herren, für die Zukunft muss ausgeschlossen werden, dass Verfahren und Arbeitsweise von Enquetekommissionen den Zwängen von Koalitionsvereinbarungen unterworfen werden. Koalitionsdisziplin oder Koalitionszwang mögen in ordentlichen Ausschüssen dieses Hohen Hauses ihre Berechtigung haben, im Vorfeld parlamentarischer Willensbildung aber führen sie möglicherweise zur Verschwendung öffentlicher Gelder, zur Vergeudung von Zeit und zu Enttäuschungen bei den Beteiligten, vor allem bei denen aus der nicht parlamentarischen Ebene. Das möchte ich insbesondere den Abgeordneten und künftigen Koalitionären, die die 6. Legislatur erreichen, mit auf den Weg geben.
Herr Präsident, gestatten Sie an dieser Stelle noch einige Bemerkungen außerhalb meiner Redezeit. Wie Sie wissen, beende ich mit der 5. Legislatur meine 13-jährige Arbeit als kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Dies
ist meine letzte Rede. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt für mich südlicher in Europa, in Südböhmen.
Ich will mich an dieser Stelle bei allen Mitgliedern des Landtages der demokratischen Fraktionen für die Zusammenarbeit, soweit sie konstruktiv, streitbar und respektvoll war, besonders bei den Kommunalpolitikern unter uns, das möchte ich auch betonen,
denen, die mit mir im Innenausschuss, der Enquetekommission oder im Ältestenrat, auch seitens der Landesregierung oder der Landtagsverwaltung tätig waren, herzlich bedanken. Oder ich will es kurz in meiner neuen Heimatsprache oder Muttersprache sagen: Srdeãne dekuju, všechno nejlepši a na schledanou!
Herzlichen Dank, Ihnen alles Gute und vielleicht auf ein Wiedersehen in Südböhmen in âeské Budûjovice! Sie wissen ja, es gibt dort gutes Bier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Heinz Müller ist jetzt aufgestanden,
aber er hatte wohl vom parlamentarischen Verfahren vergessen, dass es nicht üblich ist, in einer Zweiten Lesung einen Antrag noch mal zu erläutern.
Das wird DIE LINKE deshalb auch nicht tun,
weil es eigentlich üblich ist, nach einer Ersten Lesung im Innenausschuss eine ordentliche Behandlung durchzuführen.
Das haben Sie ja leider abgelehnt. Ich komme darauf noch mal an anderer Stelle zurück.
Den Entwurf für dieses Gesetz zur Änderung der Verfassung haben wir in Erster Lesung am 16. März in den Landtag eingebracht.
Und wenn Sie sich noch mal an die Einbringungsrede von Herrn Holter erinnern, schloss sich das nahtlos an, an eine Ankündigung, die er bereits im Januar in der Aktuellen Stunde gemacht hat, dass wir dazu einen Gesetzentwurf einbringen. Die Gesetzesbegründung war sachlich, ausgewogen und stichhaltig und kein Schaufensterantrag, Herr Müller.
Die Opposition hat für eine Überweisung in die zuständigen Fachausschüsse gestimmt. Innenminister und Koalitionsfraktionen haben dies abgelehnt.
Meine Damen und Herren, aufschlussreich sind die Ablehnungsgründe der Koalition heute wie am 16. März. Für den Innenminister war diese Verfassungsänderung nicht erforderlich,
weil – ich zitiere sinngemäß – das Verhältnis zwischen Landesregierung und kommunalen Landesverbänden noch nie so gut war wie heute.
Schade, dass er nicht da ist. Ich hätte ihn gern noch mal gefragt, den Herrn Innenminister, und ihm auf der anderen Seite recht gegeben, dass diese seine Wahrnehmung als zuständiger Kommunalminister unseres Landes im Gegenteil eigentlich für die Dringlichkeit unserer Verfassungsänderung spricht.
Die CDU-Fraktion, namens Herr Lenz, hat sich besonders schwergetan in der Ersten Lesung mit einer Gegenargumentation und hierauf am Ende lieber ganz verzichtet, denn der Minister habe ja alles gesagt.
Und Sie, lieber Kollege Müller, konnten den Gesetzentwurf nicht recht einordnen, weil doch im Innenausschuss immer alles gut laufe mit den kommunalen Landesverbänden.
Ich darf da nur ergänzen, Herr Müller – ich habe das eingangs eben schon getan –,
wenn denn der Gesetzentwurf dann überhaupt den Innenausschuss erreicht hätte. Und ich darf bei dieser Innenausschussharmonie aber auch fragen, warum wir die Landesverfassung dennoch mit dem Konnexitätsprinzip belästigen mussten.
Meine Damen und Herren, es konnte zum vorliegenden Gesetzentwurf zunächst aufgrund der Gefechtslage, die hier bestand, keine wesentlichen neuen Erkenntnisse geben, da die Koalition ja eine Überweisung und damit auch die mögliche Anhörung verhindert hat. Auch auf diese Weise, Kollege Müller, Kollege Lenz, kann man die Kommunalverfassung in den Paragrafen 6 und 93 ad absurdum führen und eine Anhörung der kommunalen Verbände ausbremsen. An der Stelle bleibt mir nur festzustellen: So läuft der Innenausschuss dann in der Tat gut, wenn er auf diese Weise seiner kommunalpolitischen Verantwortung nicht gerecht werden kann.
Meine Damen und Herren, ich habe eben darauf Bezug genommen, dass es zunächst nicht möglich war, wesentlich neue Erkenntnisse seit der Ersten Lesung hier einzubringen, und damit nicht möglich war, neue vorzulegen. Der Koalition ist es aber dieses Mal nicht gelungen, kommunale Einschätzungen zu der vorliegenden Verfassungsänderung in diesem Parlament vollständig zu unterbinden. Ich nenne nur drei Stichpunkte, nämlich das Datum 4. Mai, den Rechts- und Europaausschuss und das Stichwort „Anhörung zur Schuldenbremse“. Mein Fraktionskollege Peter Ritter hat dort explizit die Frage gestellt, ob die von der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagene Verfassungsänderung sinnvoll ist. Daran gebe es nichts zu bemängeln. Die Verfassungsänderung wäre sinnvoll, sie sei sachgerecht, so das durchgehende Fazit.
Meine Damen und Herren, diese Attribute wurden der von meiner Fraktion vorgeschlagenen Verfassungsänderung verliehen und nicht, um hier nicht missverstanden zu werden, der Schuldenbremse.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend deshalb noch mal vier Punkte zusammenfassen:
Erstens entspricht der vorliegende Gesetzentwurf der Praxis in zahlreichen Bundesländern, deren Verfassungen eine kommunale Beteiligung an der Landesgesetzgebung vorsehen.
Zweitens entspricht der vorliegende Gesetzentwurf kommunalpolitischen Aktivitäten von SPD, CDU und meiner Partei auf Bundesebene.
Drittens entspricht der vorgelegte Gesetzentwurf den Ankündigungen von Ihnen, meine Damen und Herren der SPD und CDU, am Ende der letzten Wahlperiode.
Und viertens schließlich entspricht der vorliegende Gesetzentwurf Punkt für Punkt den Ergebnissen der Anhörung des Landtages zur Schuldenbremse, die in der vorliegenden Form von niemandem gewollt war, während ein verfassungsrechtlich verankertes kommunales Mitwirkungsrecht für sachgerecht und sinnvoll gehalten wurde.
Deshalb sind Sie sicher auch nicht verwundert, wenn wir an dieser Stelle zum Antrag zur Änderung der Landesverfassung namentliche Abstimmung beantragen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Ulrich Born, CDU, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Toralf Schnur, FDP: Oh!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schuldenbremse,
Kommunalverfassung, gleich anschließend folgt das Finanzausgleichsgesetz.
Für die Kommunen unseres Landes ist dies heute insgesamt aus Sicht meiner Fraktion ein rabenschwarzer Tag.
Diese Koalition verabschiedet sich von der politischen Bühne, und die Kommunen im Lande sind froh, dass der letzte Vorhang fällt.
Nach einer Zugabe ruft niemand.
Aus kommunalpolitischer Sicht gehört diese Landesregierung abgewählt.
Meine Damen und Herren, aber – und das will ich nicht unausgesprochen lassen, damit Sie sich hier vorne wieder beruhigen können, meine Herren –
bei allen politischen Kontroversen, die Kommunalverfassung war in diesem Lande bisher ein Gesetz, das durch Konsens und parteiübergreifenden Pragmatismus geprägt war.
Und da wende ich mich hier vorne nicht zuerst an Sie, sondern an meinen Kollegen aus Ihrer Fraktion, Herrn Dr. Jäger. Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker waren so etwas wie der einende Kitt über Fraktionsgrenzen hinaus.
Auch das hat diese Koalition absterben lassen.
Meine Damen und Herren, vor einigen Wochen hat meine Fraktion den Zustand der kommunalen Selbstverwaltung in einer Aktuellen Stunde thematisieren müssen.
Nach fünf Jahren Rot-Schwarz kann man sagen, dieser Landtag müsste sich aktuell jede Stunde mit diesem Thema befassen,
denn die Selbstverwaltung der Kommunen in diesem Land durchlebt in diesem Jahr einen historischen Tiefpunkt.
Daran kann auch das heutige Ablösegesetz der Kommunalverfassung letztlich überhaupt nichts ändern. Die Koalition hat es geschafft, auch dieses Gesetz derart zu politisieren,
dass nicht etwa mehr Selbstverwaltung und deren Stärkung die Debatte prägte, sondern solche Formeln wie, wir haben es ja eben wieder gehört, wie Staatswirtschaft und Schwarzbuch der Kommunalwirtschaft.
Meine Damen und Herren, der Kollege Heinz Müller hat im Rahmen der oben genannten Aktuellen Stunde auch Krokodilstränen vergossen. Was war der Anlass? Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN Helmut Holter hatte den dramatischen Zustand der Städte und Gemeinden beschrieben und dabei die Novelle der Kommunalverfassung ausdrücklich nicht erwähnt, die sich damals ja bekanntlich noch zur Beratung in den Ausschüssen befand. Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und Kommunalverfassung, so Heinz Müller in der Aktuellen Stunde, das seien doch ein Paar Schuhe.
Dieser Auffassung muss ich heftig widersprechen, und auch Ihnen, Herr Caffier, mit Ihrer Einschätzung, die Sie zu Beginn der Debatte vorgenommen haben. Das heute zur Abstimmung stehende umfangreiche Ablösegesetz der Kommunalverfassung enthält nämlich Tendenzen, die mit Selbstverwaltung und deren Stärkung nichts, aber auch gar nichts zu tun haben. Ich komme darauf zurück.
Herr Müller, ich möchte Ihre Frage nicht beantworten.
Entschuldigen Sie, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren, es gehört nicht zu den ureigensten Aufgaben der Opposition, Lösungsansätze der Koalition zu würdigen.
Lassen Sie mich erst einmal weiterreden, Herr Müller.
Es wäre aber letztlich kommunalpolitisch unredlich, den vorliegenden Gesetzentwurf durchgängig zu kritisieren.
Bitte immer erst zuhören!
Zu beachten ist dabei auch, dass der Gesetzentwurf streckenweise auf rot-roten Vorarbeiten aus dem Jahr 2005 basiert.
Der Ausbau der Ortsverfassungen gehört selbstverständlich auf die positive Seite dieser Novelle, ebenso erweiterte Informationsrechte der Bürgerinnen und Bürger oder umfassendere Informationspflichten der Verwaltungen bis hin zum erweiterten Akteneinsichtsrecht.
Die Einführung der geschlechtergerechten Sprache wird unseren gleichstellungspolitischen Sprecher Peter Ritter besonders gefreut haben, und wir haben es ja auch vernommen, nicht nur ihn.
Meine Damen und Herren, auch wenn es in der öffentlichen Diskussion nicht die zentrale Rolle gespielt hat, so möchte ich doch den neuen Absatz 4 in Paragraf 44,
also Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen, positiv erwähnen.
Meine Damen und Herren, wie bereits eingangs gesagt, ist dieses Ablösegesetz der Kommunalverfassung keine reine Sternstunde der kommunalen Selbstverwaltung. Lassen Sie mich meine Kritik an drei Aspekten verdeutlichen:
Zum ersten Aspekt. Im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung wurden Chancen vergeben
und durch ungeschicktes Agieren verhärtete Fronten geschaffen. Fachlich und logisch ist es nämlich nicht zu erklären, warum die Koalitionsfraktionen unsere Änderungsanträge, etwa zu Paragraf 15 oder zu Paragraf 68, nicht mitgetragen haben. Alle Welt spricht von der Energiewende. Unter Beachtung der Aufgaben des Bundes, der Länder und der Kommunen für den Klimaschutz beziehungsweise die Verbesserung der globalen Klimasituation sollte für den Anschluss- und Benutzungszwang auch der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Berücksichtigung finden.
Meine Damen und Herren, diese Regelung wurde von allen Kommunalvertretern in der Anhörung gefordert und von der Wirtschaft nicht ausdrücklich abgelehnt. Hier wird eine neue Koalition in der nächsten Legislatur sicherlich eine andere Regelung finden, die der Lebenswirklichkeit und den kommunalen Interessen wesentlich näher kommt.
Dies betrifft auch die sogenannten Annextätigkeiten, also die mit der Haupttätigkeit des Unternehmens verbundenen Nebentätigkeiten von untergeordneter Bedeutung. Unser Änderungsantrag hätte den Beteiligten
schwierige Abgrenzungsfragen erspart, aber auch hier hat ganz offensichtlich Lobbyarbeit über kommunalpolitischen Sachverstand gesiegt.
Meine Damen und Herren, der zweite kritische Aspekt betrifft die Ausweitung rechtsaufsichtlicher Maßnahmen, auch wenn es gelungen ist, Schlimmstes fraktionsübergreifend zu verhindern. Ich sage nur das Stichwort „Vorlagepflicht des Haushaltssicherungskonzeptes“ in Paragraf 43 Absatz 8.
Ich bin noch nicht zu Ende.
Einige Neuregelungen haben aber mit einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung überhaupt nichts zu tun. Das betrifft etwa den neuen Paragrafen 55a, also die Anzeigepflicht für langfristige Zahlungsverpflichtungen. Diese Regelung ist von tiefstem Misstrauen gegenüber den Kommunen geprägt und sie wird die Haushaltslage der Kommunen überhaupt nicht ändern, daneben aber für erheblich mehr und zusätzlichen Verwaltungsaufwand sorgen. Auch die Verlängerung der Widerspruchsfrist der Rechtsaufsicht gegen rechtswidrige Wahlen von vier auf sechs Wochen ist wenig kommunalfreundlich. Die Kommunalpraxis hatte im Gegenteil eine Verkürzung dieser Frist auf zwei Wochen gefordert.
Meine Damen und Herren, das ist noch nicht alles. Dass künftig das Innenministerium bei der Bestellung und Abbestellung der Leiterin oder des Leiters der kreislichen Rechtsaufsichtsbehörde seine Zustimmung erteilen muss,
mag ja aus ministerieller Sicht oder ministerieller Perspektive verlockend sein,
mit kreiskommunaler Selbstverwaltung hat dieser Eingriff in die Befugnisse der Landräte beziehungsweise des Landrates aber wenig zu tun.
Und eine dritte kritische Anmerkung betrifft die drastische Reduzierung der Mitglieder in den Amtsausschüssen. Obwohl dies erhebliche kommunale Auswirkungen hat,
hielt es die Landesregierung nicht für geboten, auf diese wesentliche Änderung bereits unter den Regelungsschwerpunkten ihres Gesetzentwurfs hinzuweisen.
Meine Damen und Herren, damit Sie sich wieder beruhigen,
auch meine Fraktion DIE LINKE verkennt nicht, dass hier gewisser Regelungsbedarf besteht.
So mancher Amtsausschuss gleicht ja einem kleinen Kreistag.
Warum aber regeln wir mit dem jetzigen Gesetzgebungsverfahren einzelne Bestandteile einer künftigen Gemeinde strukturreform, die einer sinnvollen Gesamtkonzeption möglicherweise zuwiderlaufen? Wofür haben wir eine Enquetekommission eingesetzt?
Im Rahmen der Ersten Lesung hatte meine Fraktion die Zeitschiene des vorliegenden Gesetzentwurfs kritisiert. Diese Kritik war berechtigt, denn das enge Zeitfenster hat letztlich konkrete Auswirkungen, negative Auswirkungen, wie ich meine, auf die Gesetzgebung. So hatte die Enquetekommission dem Innenausschuss bereits im Januar dieses Jahres konkrete Vorschläge unterbreitet, die Eingang in die neue Kommunalverfassung finden sollten.
Ich denke hier besonders an die Ausweitung der Instrumente kommunaler Zusammenarbeit oder an eine Experimentierklausel für Modellprojekte
zu neuen Formen der Gemeindestruktur. Auf unsere Nachfrage war aus den Reihen der Koalitionsfraktionen zu erfahren, dafür habe letztlich die Zeit nicht mehr ausgereicht. Das verstehe ich also nicht.
Meine Damen und Herren, aber nun zum Schluss: Die Kommunalverfassung gehört in diesem Land zu den qualitativ besseren Gesetzen.
Das bleibt auch künftig so. Dennoch wurden mit dieser Änderung Chancen vergeben und unnötige Eingriffe vorgenommen, die die kommunale Selbstverwaltung nicht stärken.
Meine Fraktion wird sich deshalb heute bei der Abstimmung der Stimme enthalten.
Ich möchte auch zu den 22 Anträgen der FDP noch etwas sagen: Es kann ja sein, dass man am Ende einer Legislatur unter einem enormen Druck noch nach allen Rettungsankern sucht, der Welt begreiflich zu machen, wie sehr man sich doch noch mehr Veränderungen wünscht. Aber, liebe Kollegen von der FDP-Fraktion, lieber Herr Schnur, es ist einfach unredlich, in der abschließenden Beratung in Größenordnungen Punkte aufzumachen, die vorher weder in der Anhörung noch in der kommunalen Praxis eine Rolle gespielt haben, geschweige, dass sie mit ihnen noch mal diskutiert würden. Das würde wirklich ein Tor aufmachen, für das wir bei der Kommunalverfassung in diesem Land bisher nicht zu haben waren.
Es ist deshalb auch klar, dass wir Ihren Antrag ablehnen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie der Beschlussempfehlung und dem eben genannten Bericht von Herrn Dr. Timm entnehmen konnten, wird meine Fraktion DIE LINKE dem Gesetzentwurf zur Änderung des Informationsfreiheits- und Landesdatenschutzgesetzes seine Zustimmung geben. Wir sind zwar nicht ganz zufrieden, aber die Richtung stimmt. Deswegen können wir heute auch reinen Gewissens Ja sagen.
Wenn ich trotzdem betone, dass wir nicht ganz zufrieden sind, dann deshalb, weil von dem großen Blumenstrauß an Vorschlägen, die der Landesdatenschutzbeauftragte uns vorgelegt hat, einige schöne Blüten abgeschnitten worden sind. So soll zum Beispiel – auch das wurde eben noch einmal genannt – der Höchstrahmen für Gebühren nach der Informationskostenverordnung nicht auf 500 Euro halbiert und an die entsprechende Bundesregelung angepasst werden. DIE LINKE hat vergeblich versucht, dieses berechtigte Anliegen im Innenausschuss – und das in unserem Land mit dem niedrigsten Einkommen – durchzusetzen. Heute geben wir Ihnen mit unserem Änderungsantrag deshalb noch eine Chance. Nutzen Sie diese! Der Blumenstrauß und unser Gesetz sehen dann sicher besser aus.
Nicht ganz zufrieden sind wir auch, weil es die Koalition nicht über das Herz gebracht hatte – entgegen erster zarter Versuche –, sowohl das Landesdatenschutzgesetz, aber vor allem das Informationsfreiheitsgesetz gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen anzupacken.
Oder durfte der eine nicht, weil der andere nicht wollte? Und das, obwohl die Parlamentarischen Geschäftsführer der demokratischen Fraktionen bereits vor zwei Jahren in mehreren Diskussionsrunden mit dem damaligen Landesdatenschutzbeauftragten dabei auf gutem gemeinsamen Weg waren.
Meine Damen und Herren, bis heute sehe ich keinen wirklich überzeugenden Grund für die Ausgrenzung durch SPD und CDU, zumal von Anfang an unstreitig war, das Informationsfreiheitsgesetz von Rot-Rot zu entfristen. Das Gesetz hat sich bewährt, das räumen auch die damaligen Skeptiker ein. Mecklenburg-Vorpommern hat hier im Konzert der Landesdatenschützer den Ton angegeben wie unser Musiksommer und ist stark deutschlandweit beachtet worden.
Dass bei Fortentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich Einigkeit besteht, zeigten auch die Änderungsanträge im Innenausschuss. Die Vorstellungen der Koalitionäre deckten sich weitgehend mit denen
der LINKEN. Nunmehr ist zum Beispiel klargestellt, dass die Antragsteller in die Akten einsehen, sich Notizen machen und Kopien anfertigen können. Auch haben die Behörden zukünftig ausreichend Zeit, den Bescheid zu erstellen, auch dann, wenn zunächst Dritte einbezogen werden müssen.
Beim Landesdatenschutzgesetz verhielt es sich ähnlich. Es gibt jetzt eine klare Regelung in Paragraf 5, die den landesweiten Einsatz von informationstechnischen Produkten fördert, indem diese vorrangig einzusetzen sind. Die völlige Unabhängigkeit des Landesdatenschutzbeauftragten ist nunmehr auch gewährleistet. Auch das war klar.
Meine Damen und Herren, einzelne Kritikpunkte will ich hintanstehen lassen,
weil die Richtung des Gesetzes grundsätzlich stimmt.
Das sahen auch die Sachverständigen in der Anhörung so. Professor Michael Rodi teilte kurz mit, der Gesetzentwurf enthielte eher minimale Korrekturen, sei aber durchaus sinnvoll. Die Vereinigung der Unternehmensverbände und der Deutsche Beamtenbund erhoben keine Bedenken. Nicht zuletzt der Landesdatenschutzbeauftragte begrüßte selbst den Gesetzentwurf grundsätzlich. Der Städte- und Gemeindetag zeigte sich sogar erfreut, dass Änderungen in wichtigen Punkten zu den Vorentwürfen bereits berücksichtigt worden waren. Ebenso äußerte sich der Landkreistag zur Entfristung des Informationsfreiheitsgesetzes und den Änderungen des Landesdatenschutzgesetzes grundsätzlich positiv. Mann o Mann, so viel weitgehende Zustimmung muss SPD und CDU erheblich irritiert haben!
Das sind sie ansonsten gar nicht gewöhnt.
Meine Damen und Herren, aber abschließend gestatten Sie mir trotzdem noch einen Satz oder mehrere Sätze an die FDP gerichtet, auch wenn die jetzt hier sehr „zahlreich“ vertreten sind. Früher dachte ich einmal, dass bei aller Kritik an der FDP auf die Liberalen wenigstens in Sachen Freiheitsrechte Verlass ist. Auf ihrem Bundesparteitag kürzlich in Rostock wurde das Wort „Freiheit“ erneut arg strapaziert. Doch was erlebt man von der FDP in Mecklenburg-Vorpommern im parlamentarischen Gremium?
Eben nichts. Schweigen im Walde.
Ich kann das nur noch mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen, dass es die FDP tatsächlich fertigbrachte,
sich weder zum Landesdatenschutzgesetz noch zum Informationsfreiheitsgesetz konkret auch nur mit einer Silbe in die Debatte einzubringen.
In der öffentlichen Anhörung war kein Sterbenswort zu hören, nicht ein einziger Antrag wurde eingebracht. Dabei wurden zahlreiche Änderungsbedarfe von Anzuhörenden förmlich auf dem Silbertablett präsentiert. Aber nein, am Ende enthielt sie sich auch noch kleinlaut bei der Abstimmung im Innenausschuss.
Dabei tönte ihr ehemaliger Parteivorsitzender Guido Westerwelle vor nicht allzu langer Zeit: „Enthaltung ist keine Haltung.“ Beim Thema Datenschutz und Informationsfreiheit, meine lieben Kollegen von der FDP, hätten Sie zumindest Ihrem alten Chef folgen sollen. – Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Herr Dr. Born, auch wenn Sie jetzt als Rechtsanwalt mit akribischer juristischer Genauigkeit noch einmal versucht haben darzustellen, dass es eines Ja zur Stärkung des Datenschutzes auf europäischer Ebene und unserer vier vorgeschlagenen Punkte nicht bedürfte, möchte ich das, was Frau Borchardt hier hineingerufen hat, noch mal in Ihr Gedächtnis zurückrufen und es auch an alle richten.
Wenn es einen Konsultationsprozess gibt, der auch damit beauftragt ist von der Kommission selber, dass Untersuchungen vorgenommen werden, Überprüfungen, dann muss man als Land und als Beteiligter dieses Prozesses nicht warten, bis man irgendwelche Prüfungsergebnisse kriegt,
sondern man kann sich sehr wohl in den Prozess einbringen. Das war unser Anliegen. So schädlich sehen Sie am Ende unseren Antrag ja nicht, weil Sie von vornherein sagen, es ist ein Diskussionspunkt da und wir werden das in den Ausschüssen machen.
Ich will mich daran
jetzt nicht festhalten,
weil Sie mir schon zugerufen haben, Sie überweisen sowieso.
Ich möchte trotzdem noch an die Ausführungen von Frau Borchardt anknüpfen und noch einige Aspekte aus der Sicht unseres Landes hineinbringen. Wir müssen auch nicht immer nach Brüssel und Berlin schauen, was die da sagen, sondern unsere Position und Erfahrung darlegen.
Sehen wir uns doch mal hier in Mecklenburg-Vorpommern um! Ich frage uns: Was haben wir auf Landesebene im Datenschutz erreicht? Wie ernst nehmen wir den Datenschutz? Und welche Rahmenbedingungen haben wir als Gesetzgeber gegeben?
Ich möchte mit etwas Positivem beginnen. Die Menschen sind in unserem Land in datenschutzrechtlichen Belangen zunehmend sensibilisiert. Eingriffe in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden nicht ohne Weiteres toleriert. Nicht wenige fragen sich zu Recht, Herr Müller hat es ja auch gesagt: Welche Daten werden von mir erhoben, von wem und wozu, für welchen Zeitraum oder wer hat unter welchen Voraussetzungen auf meine Daten Zugriff?
Dass diese Sensibilisierung da ist, ich glaube, das ist gut, da in Politik und Wirtschaft leider allzu schnell in den Datenschutz eingegriffen wird, oftmals aus vermeintlichen Gründen der Sicherheit. Ich glaube, es ist sehr wichtig, sich diesem Trend entgegenzustellen. Mit Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung, Mitarbeiterüberwachung oder Google Street View möchte ich einige bekannte Schlagwörter noch einmal ins Gedächtnis zurückrufen. Ach ja, in unserem Land gab es dann auch noch die Kopien des elektronischen Grundbuchs, die der Justizministerin abhanden gekommen sind.
All diese Vorfälle verdeutlichen, dass der Datenschutz eine starke Lobby braucht. Insofern ist es gut, dass Mecklenburg-Vorpommern auf eine engagierte Arbeit des bisherigen Landesdatenschutzbeauftragten Karsten Neumann zurückblicken kann. Ich bin mir allerdings sicher, meine Damen und Herren, auch sein Nachfolger Reinhard Dankert wird dem Datenschutz guttun.
Meine Damen und Herren,
die Rahmenbedingungen für die Arbeit des Landesdatenschutzbeauftragen im Land haben sich leicht verbessert, wie wir wissen. Eine Stelle mehr ist nicht viel, aber immerhin. Auch gibt es neue Beteiligungsrechte für den Landesdatenschützer im Gesetzgebungsverfahren.
Damit sind wir jedoch schon beim grundsätzlichen Problem: Was nützt es dem Datenschutzbeauftragten, wenn er in den Ausschüssen Änderungen anmahnt, die dann in der Regel ungehört bleiben? Was nützen seine Tätigkeitsberichte, die er uns mitteilt, wenn den darin ausgesprochenen Empfehlungen grundsätzlich nicht gefolgt wird?
Ein Blick in den aktuellen 9. Tätigkeitsbericht genügt, um sich ein Bild zu machen. Von 20 Empfehlungen des 8. Berichtes werden nur vier, und die auch teilweise nur zum Teil, umgesetzt.
Allen anderen wurde überwiegend oder gar nicht gefolgt. Schade, wird Karsten Neumann im Rückblick auf seine Arbeit denken.
Da war sogar die oppositionelle LINKE mit ihren parlamentarischen Initiativen im Landtag erfolgreicher,
und das bei dieser Koalition, die Anträge der Opposition allzu häufig grundsätzlich ablehnt oder überflüssig findet,
zum Beispiel auch, weil eine Fraktion gern zustimmen würde,
aber nicht darf.
Ich kann dem neuen Landesdatenschutzbeauftragten,
meinem geschätzten Kollegen Reinhard Dankert, nur wünschen, dass seine Empfehlungen künftig insbesondere von der Landesregierung als Hauptadressatin häufiger umgesetzt werden als bisher. Das wäre dann eine schöne Weihnachtsüberraschung und ein schönes Weihnachtsgeschenk an ihn.
Meine Damen und Herren, es gibt eine weitere Baustelle im Land. Unser Landesdatenschutzgesetz muss den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen gerecht werden. Damit spreche ich nicht nur die zwingend vorzunehmende Umsetzung der europäischen Vorgaben an wie die Streichung der Rechtsaufsicht der Landesregierung für den nicht öffentlichen Bereich. Neben der völligen Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten brauchen wir dringend mehr Kompetenzen. Dazu gehört die Möglichkeit, notfalls auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Unternehmen Bußgelder verhängen zu können.
Wie ich gehört habe, wollen SPD und CDU die Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes anpacken und die eine oder andere Neuerung einführen. Mal sehen, wie lange das noch dauert und vor allem, was dabei herauskommen wird. DIE LINKE jedenfalls steht für die erforderliche Modernisierung des Landesdatenschutzgesetzes bereit und wird Ihrem Kollegen Dankert den Rücken stärken.
Vielleicht gelingt uns ja in diesem Hohen Hause dann, wie beim Informationsfreiheitsgesetz beabsichtigt, ein Konsens.
Es wäre schön gewesen, wenn Sie unserem heutigen Antrag gleich zugestimmt hätten.
Der Überweisung in den Innenausschuss sowie in den Rechtsausschuss und Europaausschuss
stellen wir uns aber nicht quer. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem der Ausschussvorsitzende Herr Dr. Timm eben die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zum Geoinformations- und Vermessungsgesetz eingebracht hat und die Fraktion DIE LINKE dem Ganzen ebenfalls zustimmt, bleibt mir nicht viel zu ergänzen.
In gebotener Kürze möchte ich für die Fraktion DIE LINKE nur Folgendes anmerken: Wir halten den Gesetzentwurf für vernünftig. Die gesetzlichen Grundlagen für das öffentliche Vermessungswesen werden modernisiert und den aktuellen Herausforderungen angepasst. Auch werden Zugang und Nutzung von Geodaten erleichtert, das heißt, es gibt klare gesetzliche Regelungen.
Meine Damen und Herren, aber immer dann, wenn wir den Zugang zu Daten ermöglichen wollen, ist zugleich zu prüfen, ob Belange des Datenschutzes gewahrt bleiben. In der Beratung des Innenausschusses haben fast alle Anzuhörenden die Regelungen im Gesetzentwurf als ausreichend angesehen. Im Paragrafen 15, „Schutz öffentlicher und sonstiger Belange“, heißt es unter anderem: „Soweit durch den Zugang zu Geodaten … personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden, ist der Zugang zu beschränken, es sei denn die Betroffenen haben eingewilligt …“, Zitatende.
Insbesondere die Kommunen sahen keine Probleme auf sie zukommen und waren im Großen und Ganzen recht zufrieden. Im Stillen habe ich mir an der Stelle gesagt: Wurde aber auch Zeit, dass der Innenminister einmal ein Gesetz vorlegt, das die Kommunen reinen Gewissens begrüßen können. Wenn es schon bei der Kreisgebiets
reform oder beim kommunalen Finanzausgleich nicht klappt, dann wenigstens beim Geoinformations- und Vermessungsgesetz. Immerhin, Herr Caffier!
Meine Damen und Herren, zurück zu unserem Gesetz. Ein Anzuhörender hatte Probleme: natürlich der Datenschutzbeauftragte mit der Problematik Datenschutz. Das wird Sie sicher auch nicht verwundern. Er meinte, dass die Regelungen im Paragrafen 15, die ich gerade noch mal benannt habe, in der Anwendungspraxis problematisch seien. Die Kommunen wären gar nicht in der Lage, in allen Einzelfällen abzuwägen.
Aber, meine Damen und Herren, ausnahmsweise ist meine Fraktion DIE LINKE den Empfehlungen des Landesdatenschützers hier nicht gefolgt.
Wir trauen den Kommunen zu, den Datenschutz auch bei der zu erwartenden Vielzahl oder Mehrzahl von Fällen zu gewährleisten und den Zugang zu personenbezogenen Daten zu beschränken, wenn es denn erforderlich ist. Aber – und damit will ich meine Rede schließen – sowohl die Landesregierung als auch der Landtag, als auch der neue Landesdatenschutzbeauftragte sind natürlich auch zu diesem Gesetz gefordert, die Praxistauglichkeit des Gesetzes insbesondere vor dem Hintergrund des Datenschutzes genau zu beobachten und bei Fehlentwicklungen gegebenenfalls unverzüglich zu handeln.
Meine Fraktion stimmt dem Gesetz zu.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Spätestens nach den Beratungen zur Neuordnung des Wahlrechts dürfte feststehen: Wahlen sind nicht Ihr Ding, Herr Innenminister.
An sich ist die Zusammenlegung von Kommunalwahlgesetz, Landeswahlgesetz und Wahlprüfungsgesetz ein theoretisch guter Ansatz in Richtung Deregulierung,
nämlich aus drei mach eins.
Dass die Neuordnung des Wahlrechts viel zu spät in den Landtag eingebracht wurde und dass sich die Koalitionäre auch noch veranlasst sahen, gleich 22 Änderungsanträge einzubringen,
spricht nicht gerade für den Gesetzentwurf des Innenministers
oder einige Oberflächlichkeiten bei der Vorbereitung in seinem Haus.
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
Dabei bleibe ich.
Jetzt wundert mich aber auch nicht mehr,
dass die Delegierten der CDU Sie, Herr Innenminister, gleich zweimal zum Direktkandidaten für die kommende Landtagswahl wählen mussten, da beim ersten Mal einige gar nicht eingeladen wurden.
Ein Schelm, wer Arges dabei denkt,
dass diese Sorglosigkeit ausgerechnet dem CDU-Landesvorsitzenden und seinem Generalsekretär passierte.
Aber nun hat es geklappt dank der akribischen Nacharbeit von SPD und CDU.
Nicht wahr, Herr Müller?
Dass Wahlen nicht Ihr Ding sind, Herr Innenminister, stimmt mich jedoch für das Wahljahr 2011 zuversichtlich.
Diese Zuversicht, da bin ich mir sicher, teilt mit mir auch der Ministerpräsident.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf so nicht zustimmen können.
An den Änderungsvorschlägen der Koalitionäre, das möchte ich aber deutlich herausstellen, liegt es allerdings nicht.
Das sage ich hier ganz klar. An der einen oder anderen Stelle haben SPD und CDU den Gesetzentwurf durchaus verbessert, und sei es durch notwendige Klarstellung. Da hat sicher mein geschätzter Kollege Heinz Müller seine Finger im Spiel gehabt. Hut ab!
Ich muss aber meinen Hut auch ganz schnell wieder aufsetzen, weil die Koalitionäre einen schweren Fehler gemacht haben. Sie haben nämlich den Änderungsanträgen meiner Fraktion DIE LINKE nicht zugestimmt. Und ich frage mich eigentlich: Warum ist das so passiert? Weil der Absender DIE LINKE war? Nein, denke ich, das kann nicht sein, bezogen sich doch fast alle unsere Änderungsanträge auf die einmütige Auffassung der Anzuhörenden.
So konnte uns niemand erklären, wozu wir die neue Regelung zur Verhinderung der sogenannten Scheinkandidaturen brauchen, wenn diese Erklärung niemanden, aber auch niemanden bindet, erst recht nicht denjenigen, der sie abgeben soll.
Ein Bürgermeister, der für seine Kommunalvertretung kandidiert, muss auch zukünftig nicht das Mandat annehmen, obwohl er noch vor der Wahl genau das Gegenteil erklärt hat. Was soll daher eine solche gesetzliche Verpflichtungserklärung, wenn er am Ende zu nichts verpflichtet ist?
Beide kommunalen Landesverbände lehnten diese Regelung ganz klar ab.
Das hat deutlich den Geruch von Irreführung von Wählerinnen und Wählern.
Meine Damen und Herren, zu einem modernen Wahlgesetz gehört ebenfalls,
dass das aktive Wahlalter 16 …
Man kann es so sehen und so sehen.
Sie können ja gerne noch reden.
Ich komme zurück zu dem Thema Wahlalter 16. Dass das aktive Wahlalter 16 endlich auf Landesebene eingeführt würde, wäre, denke ich, von hoher Bedeutung. Aber, wie Herr Timm es eben schon formuliert hat, auch diesem Änderungsantrag konnten Sie im Innenausschuss nicht folgen.
Und weil uns dieses Anliegen eben besonders wichtig ist, haben wir Ihnen heute noch einmal einen Änderungsantrag vorgelegt. Und ich sage deshalb auch gleich an dieser Stelle, heute werden alle Abgeordneten auf der Grundlage unseres Änderungsantrages die Möglichkeit haben, namentlich darüber abzustimmen.
Dass auch der Städte- und Gemeindetag und der Landkreistag gleichrangig diese Forderung unterstützten, hat SPD und CDU im Innenausschuss wenig beeindruckt. Eben wurde auch der Landesjugendring im Bericht des Innenausschussvorsitzenden genannt. Klar, dass auch hier die Absenkung des aktiven Wahlalters begrüßt wurde. Und das sage ich auch noch mal der Vollständigkeit halber.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle vor allem noch einmal auf die Argumente eingehen, die Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und CDU, gebracht haben, und ich möchte Sie noch einmal auffordern, sie in dieser Sache noch einmal gründlich zu bedenken.
Dagegen wird eingewandt, dass im Gegensatz zu Kommunalwahlen Landtagswahlen etwas anderes seien
und junge Menschen könnten dies nicht so gut überblicken. Schließlich ginge es um Gesetzgebung und um weitreichende Entscheidungen. So weit, so gut. Auch sollte das aktive Wahlalter stets an die Vollmündigkeit gekoppelt bleiben und die liege ja bekanntlich bei 18 Jahren, so Ihre Hauptargumente.
Meine Damen und Herren, diese immer wieder vorgebrachten Bedenken können nicht überzeugen. In der Kürze der Zeit möchte ich nur auf einiges noch einmal eingehen und es skizzieren.
Mit der Frage, ob man alt genug zum Wählen sei, stieß man in der Geschichte immer wieder auf Widerstand. Im Kaiserreich waren es 25 Jahre,
in der Weimarer Republik 20 Jahre, in der Bundesrepublik zunächst 21 Jahre, seit den 70er-Jahren dann 18 Jahre.
In Mecklenburg-Vorpommern können junge Menschen mit 16 Jahren bekanntlich seit über zehn Jahren an Kommunalwahlen teilnehmen. Und Kommunalwahlen sind, meine Damen und Herren, nach der Rechtsprechung keine Wahlen von geringerer Bedeutung. Warum also überwinden wir nicht gleich die Ungleichbehandlung junger Menschen in Kommunal- und Landtagswahlen? Müssen junge Menschen, um wählen zu können, wirklich volljährig sein, wenn sie sich bereits mit 14 für eine Religion entscheiden können oder sich strafrechtlich verantworten müssen oder wenn sie auf Antrag sogar mit 16 Jahren heiraten dürfen?
Meine Damen und Herren, mit dem Alter von 16 kann man sich also durch Eheschließung schon ein ganzes Leben lang binden. Glück gehabt oder Pech gehabt – je nachdem. Mein Votum zum Landtag aber, das ich für höchstens fünf Jahre abgebe, wird mir am Ende unter
anderem mit dem Argument verwehrt, ich sei noch nicht volljährig und könne eine Legislatur nicht überblicken. So, so. Soll ich Ihnen ein Geheimnis verraten?
Hören Sie zu! Im Alter von 21 Jahren habe ich das erste Mal geheiratet