Protokoll der Sitzung vom 21.10.2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 52. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Die vorläufige Tagesordnung der 52., 53. und 54. Sitzung liegt Ihnen vor. Interfraktionell ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 26 nach Tagesordnungspunkt 14 sowie den Tagesordnungspunkt 15 nach Tagesordnungspunkt 25 und den Tagesordnungspunkt 28 nach Tagesordnungspunkt 17 sowie den Tagesordnungspunkt 18 nach Tagesordnungspunkt 27 aufzurufen. Die Fraktion der FDP hat weiterhin beantragt, den Tagesordnungspunkt 30 nach dem Tagesordnungspunkt 20 sowie den Tagesordnungspunkt 21 nach dem Tagesordnungspunkt 29 aufzurufen. Wird der so geänderten Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 52., 53. und 54. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Die Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP haben einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Holzwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/1917 verteilt wird. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Bevor ich jetzt den Tagesordnungspunkt 1 aufrufe, möchte ich nachträglich dem Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern ganz herzlich zu seinem Geburtstag gratulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Ein ebenso herzlicher Glückwunsch geht an den Minister für Bau und Landesentwicklung, Herrn Volker Schlotmann, der ebenfalls Geburtstag hatte.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Verkehr, Verkehr.)

Ich rufe jetzt auf Tagesordnungspunkt 1: Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern

Das Wort hat der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Erwin Sellering.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer in diesen Tagen eine Regierungserklärung abgibt, kommt nicht umhin, die Krise auf den Finanzmärkten anzusprechen, denn davon sind auch wir in Mecklenburg-Vorpom

Neben Verlässlichkeit in der Sache stehe ich auch für Verlässlichkeit gegenüber dem Koalitionspartner. SPD und CDU haben zu Beginn dieser Legislatur eine Koalitionsvereinbarung geschlossen, die den Rahmen setzt und die Ziele des Regierungshandelns bis 2011 klar bestimmt. Harald Ringstorff hat dazu hier im Landtag eine ausführliche Regierungserklärung abgegeben. Diese Koalitionsvereinbarung zählt. Der Rahmen ist also gesetzt. Innerhalb dieses Rahmens möchte ich Ihnen die Schwerpunkte und die politischen Akzentsetzungen meiner zukünftigen Regierungsarbeit vorstellen.

Meine Damen und Herren, eines ist mir ganz wichtig und deshalb stelle ich es allem anderen voran: Ich möchte ein Ministerpräsident für alle Menschen in MecklenburgVorpommern sein, für die Mecklenburger wie für die Vorpommern, für Männer und Frauen, für Junge und Alte, für Starke und Schwache, für Gesunde und Kranke, für den Unternehmer genauso wie für den Hartz-IVEmpfänger. Die Bauern sind mir so wichtig wie die Werftarbeiter. Die Ärzte und Krankenschwestern, die Kassiererinnen im Supermarkt, die Forscher an den Unikliniken, alle werden gebraucht. Und sie werden bei uns im Land, in unserer Heimat, gebraucht.

Für mich ist die wichtigste Aufgabe als Ministerpräsident, Politik so zu gestalten, dass wir alle mitnehmen und keinen zurückzulassen. Wie in einer Familie ist es auch in der Gesellschaft die Aufgabe des Starken, dem Schwächeren zu helfen, damit er auf eigenen Füßen stehen und sein Leben selbst meistern kann.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Familie ist Gemeinschaft. Familie lässt niemanden allein. Sie ist da, wenn man sie braucht. Familie, das bedeutet Zusammengehörigkeit. So wollen wir in MecklenburgVorpommern miteinander umgehen. Denn nur, meine Damen und Herren, wenn wir zusammenhalten, werden wir die Aufgaben der Zukunft meistern. Wir wissen, spätestens 2020 müssen wir auf eigenen Füßen stehen. Mecklenburg-Vorpommern kann sich nicht darauf verlassen, dass andere, der Bund und Europa, weiter einen großen Teil der Rechnungen bezahlen. Spätestens 2020 müssen wir sagen können: Wir gestalten unsere Zukunft aus eigener Kraft.

Meine Damen und Herren, unser Ziel ist ein starkes, selbstbewusstes, modernes Bundesland, ein Land, von dem die Menschen in ganz Deutschland und darüber hinaus sagen, da möchte ich leben, da möchte ich arbeiten,

(Udo Pastörs, NPD: Deswegen gehen auch so viele weg aus diesem Land.)

ein Land, das stolz ist auf seine Leistungen und seine Traditionen selbstbewusst pflegt, ein Land, in dem die Menschen sich etwas zutrauen, weil sie sehen, sie haben etwas geschafft, und weil sie wissen, sie können noch mehr. Da wollen wir hin. Das ist unser Horizont. Da wollen wir 2020 stehen, meine Damen und Herren.

Wie erreichen wir das? Wir wissen, sozialer Fortschritt und starke Wirtschaft, das ist kein Widerspruch. Das gehört zusammen. Wenn jeder eine Chance hat, seine Begabungen und Stärken zu entwickeln, dann kommt das uns allen zugute. Jeder soll seine Begabungen in die Gemeinschaft einbringen können. Nur wenn wir alle mitnehmen und niemanden zurücklassen, dann sind wir als Gemeinschaft stark, auch wirtschaftlich stark. Dazu brauchen wir mehr Chancengleichheit.

Mehr Chancengleichheit, das fängt in den Familien an, denn die Familien vermitteln die Kompetenzen, sich im Leben zurechtzufinden. Dazu machen wir die Familien stark. Den Eltern bieten wir bei der Erziehungsarbeit Unterstützung an. Zusammen mit der Wirtschaft verbessern wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Männern wie Frauen ermöglichen wir so, gleichberechtigt Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Meine Damen und Herren, zur Attraktivität unseres Landes gehört, dass wir das Kinderland M-V sind, dass wir ein hervorragendes Angebot für Familien haben. Schon heute gehört das Kinderbetreuungssystem in Mecklenburg-Vorpommern zu den besten in Deutschland. Oder wie mir neulich eine aus Westdeutschland zugezogene Mutter sagte: Das ist ja wie im Paradies.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ja lächerlich, was Sie hier verbreiten!)

Das Angebot stimmt also.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Aber Chancengleichheit heißt auch, dass der KitaBesuch nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf. Deshalb haben wir durchgesetzt, dass Kinder aus sozial bedürftigen Familien in den Kindertagesstätten und Krippen ein kostenloses gesundes Mittagessen erhalten, denn eine gesunde Ernährung ist wichtig, Herr Glawe, für die Entwicklung eines jeden Kindes. Darüber hinaus trägt das Land künftig einen Teil der Elternbeiträge im letzten Kindergartenjahr vor der Einschulung.

Aber, meine Damen und Herren, der nächste Schritt wird sein und wird sein müssen, dass wir das Kindertagesstättengesetz weiter verbessern. Dazu wird auch gehören, für mehr Kinder mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Als wir 2004 den Pauschalbetrag für die Kitas ins Gesetz geschrieben haben, da hatten wir fast 10.000 Kinder weniger in den Kitas als heute. Wenn wir das Gesetz novellieren, werden wir das berücksichtigen müssen. Und, meine Damen und Herren, da, wo es soziale Brennpunkte gibt, brauchen Kinder eine besonders intensive Betreuung. Das liegt mir am Herzen. Klar ist das langfristige Ziel: Kita muss für alle kostenlos sein. Das gilt für das Mittagessen in der Kita genauso wie für das Mittagessen in der Schule. Aber dieses Ziel können wir nur erreichen, wenn sich der Bund mit einem erheblichen Anteil an der Finanzierung beteiligt. Das ist für mich das wichtigste Thema auf dem Bildungsgipfel morgen im Gespräch mit der Bundeskanzlerin.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, Chancengleichheit bedeutet vor allem mehr Bildung, denn Bildung sichert Aufstiegschancen. Wir brauchen deshalb gute vorschulische Bildung schon in den Kitas. Die Bildungskommission hat dazu interessante Vorschläge gemacht, die wir prüfen werden. Wichtig ist, wir wollen Kinder starkmachen, ihnen Rückgrat geben, damit sie klarkommen im Leben. Bei meinen Besuchen im letzten Sommer in den Kitas habe ich erlebt, wie engagiert und mit wie viel Begeisterung die Erzieherinnen das umsetzen. Respekt vor dieser Arbeit, von der ich mir wünsche, dass sie in Zukunft auch von deutlich mehr Männern ausgeübt wird.

(Udo Pastörs, NPD: Bei einem Besuch von einer halben Stunde haben Sie das festgestellt.)

Gleichberechtigung lebt vom Beispiel und Erziehung ist eben nicht weiblich, sondern Sache von Mann und Frau, von Mutter und Vater.

Meine Damen und Herren, ebenso wichtig wie gute Kitas sind gute Schulen. Mit der flächendeckenden Einführung der Selbstständigen Schule schaffen wir die Voraussetzung, dass in den Schulen künftig mehr vor Ort entschieden wird. Durch mehr Ganztagsschulen können wir besser auf die individuellen Stärken und Schwächen der Kinder eingehen. Auch das schafft mehr Chancengleichheit. Dabei ist klar, wir können nicht hinnehmen, dass mehr als zehn Prozent der Jugendlichen die Schule ohne Abschluss verlassen. Schon jetzt fehlt der Wirtschaft Nachwuchs. Mein Ziel ist, diese Quote bis spätestens 2020 mindestens auf die Hälfte zu reduzieren. Genauso müssen wir die Zahl der Abiturienten von jetzt 33 auf deutlich über 40 Prozent erhöhen. So schaffen wir Chancen und Perspektiven für unsere Jugend.

Ich möchte eins noch zu denen sagen, die all das leisten sollen, zu den Lehrern. Ich habe großen Respekt vor der Leistung der Lehrerinnen und Lehrer. Von ihnen wird sehr viel erwartet. Sie sollen nicht nur den Stoff vermitteln, sondern sie sollen auch Erzieher der Kinder sein, Psychologen, Ratgeber und natürlich Vorbilder. Ich finde, sie hätten manchmal mehr Unterstützung durch die Eltern verdient und mehr Respekt und Anerkennung von uns allen. Für eine gute Zukunft brauchen wir nicht nur kreative Ingenieure. Wir brauchen auch leidenschaftliche Lehrer, die unseren Kindern Lust auf Lernen machen.

Meine Damen und Herren, in den Bereichen Wirtschaft und Arbeit haben wir in Mecklenburg-Vorpommern in den letzten Jahren viel geleistet und viel erreicht. Die Wirtschaftsstruktur im Land hat sich verbessert, es sind neue zukunftsfähige Arbeitsplätze entstanden. Die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Das ist gut. Doch damit können wir uns noch nicht zufriedengeben. Für einen selbsttragenden wirtschaftlichen Aufschwung reicht das noch nicht aus.

Die Wirtschaft voranbringen und zukunftsfähige Arbeitsplätze hier im Land schaffen, das ist deshalb der zweite politische Schwerpunkt der von mir geführten Landesregierung. Dazu werden wir die Standortoffensive fortsetzen und Neuansiedlungen gezielt fördern, selbstverständlich ohne die Interessen der bereits ansässigen Unternehmen zu vernachlässigen. Bei uns finden vor allem mittelständische Unternehmen gute Standortbedingungen. Wir haben gut ausgebildete Fachkräfte, Grundstücke in logistisch interessanter Lage, schnelle Genehmigungsverfahren aus einer Hand. Deshalb sind Unternehmen wie etwa Liebherr, Nordex, Netto hier bei uns in Mecklenburg-Vorpommern.

Unsere Stärke, meine Damen und Herren, sind die Menschen. Die Menschen in unserem Land haben ganz unterschiedliche Fähigkeiten. Für jeden von ihnen brauchen wir Arbeitsplätze, brauchen wir den passenden Arbeitsplatz und deshalb muss die Wirtschaft unseres Landes auch breit aufgestellt sein.

(Udo Pastörs, NPD: Wir sind breit aufgestellt.)

Verarbeitendes Gewerbe, die maritime Wirtschaft und Logistik sind genauso wichtig wie die Biotechnologie, Tourismus, Ernährungsgüterwirtschaft und auch Servicecenter.

Meine Damen und Herren, im Interesse der Wirtschaft wird auch die Investition in die Infrastruktur weitergehen. Eine immer wichtigere Rolle spielen bei uns im Land die Häfen. Sie sind sehr unterschiedlich ausgerichtet und besitzen deshalb gute Voraussetzungen, vom Wachstum im Ostseeraum zu profitieren. Das nutzt nicht nur der Logistikwirtschaft, sondern die Häfen etablieren sich auch immer mehr als Standorte für neue Unternehmen. Im Kreuzfahrt- und Passagierverkehr haben wir auch noch deutlich Reserven.

Meine Damen und Herren, wichtig ist auch, Unternehmen, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen noch enger zu verknüpfen, denn davon profitieren letztlich alle, die Wissenschaft von Forschungsaufträgen, die Wirtschaft von der Umsetzung in neue Produkte und Dienstleistungen, das Land von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und weiter wachsender Lebensqualität. Gut ausgebildete Fachkräfte sind die wichtigste Ressource im Wettbewerb. Doch schon heute finden viele Unternehmen nicht mehr genug geeignete Auszubildende. Davon sind alle Arbeitgeber betroffen und sie tun gut daran, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern und ihn sich zu sichern, und zwar im eigenen Interesse.

Mögen geringe Lohnkosten früher ein Standortvorteil gewesen sein, inzwischen muss die Wirtschaft umdenken. Um Fachkräfte hier zu halten oder nach Mecklenburg-Vorpommern zu holen, brauchen wir angemessene Löhne und Ausbildungsvergütungen. Das ist Sache der Tarifpartner. Deshalb brauchen wir starke Gewerkschaften. Aber wir müssen auch als Staat Leitplanken setzen, damit nicht einer der Tarifpartner von der Straße gedrängt wird. Hier gibt es innerhalb der Koalition durchaus unterschiedliche Meinungen, aber ich jedenfalls sage mit den Gewerkschaften: Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland. Wer den ganzen Tag hart arbeitet, muss sich und seine Familie auch davon ernähren können. Das ist für den Einzelnen eine Frage der Gerechtigkeit,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

für das Unternehmen ist es eine Frage der wirtschaftlichen Vernunft. Das gilt genauso zum Beispiel bei der Schaffung von Betriebskindergärten. Das ist nicht allein, Herr Bluhm, eine soziale Wohltat, sondern das trägt auch dazu bei, Fachkräfte an die Unternehmen zu binden.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Unternehmen im Land brauchen aber nicht nur den Elan der Jungen, Herr Ritter, auch die Erfahrung der Älteren, vielleicht passt das gerade. Wir wollen, dass Jung und Alt hier im Land Arbeit und Perspektiven haben.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Unser Land, meine Damen und Herren, braucht alle Talente und dafür werden wir werben.

Meine Damen und Herren, für Mecklenburg-Vorpommern spricht vieles. Menschen von außerhalb denken bei Mecklenburg-Vorpommern sofort an das Gelb der weiten Rapsfelder, an den hohen blauen Himmel, die Alleen, die Ostsee, die herrlichen Flecken unberührter Natur. An dieses Bild knüpfen wir an im Tourismus, in der Gesundheitswirtschaft.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

In Mecklenburg-Vorpommern öffnen sich Horizonte für Menschen aus ganz Deutschland und darüber hinaus, die hier bei uns Urlaub machen wollen, leben und arbeiten wollen, und auch für Menschen, die sagen, Mecklenburg-Vorpommern soll meine neue Heimat sein, es muss nur nicht gleich Herr Pastörs sein.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der NPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)