Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 107. Sitzung des Landtages. Meine Damen und Herren, ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 107., 108. und 109. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 107., 108. und 109. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Sitzung eintreten, möchte ich ganz herzlich unserer Kollegin Dr. Marianne Linke nachträglich zu ihrem 65. Geburtstag gratulieren, alles Gute wünschen, Gesundheit und viel Schaffenskraft.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 107., 108. und 109. Sitzung des Landtages den Abgeordneten Udo Timm zum stellvertretenden Schriftführer.
(Zuruf aus dem Plenum: Oh, Donnerwetter! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE)
Meine Damen und Herren, in der 106. Sitzung des Landtages am 14. Oktober 2010 hat der Abgeordnete Pastörs während der Begründung des Antrages der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/3797 mehrfach die Ordnung des Hauses verletzt. Gemäß Paragraf 97 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages erteile ich im Nachgang zur vorgenannten Sitzung dem Abgeordneten Pastörs wegen Beleidigung der Präsidentin des Landtages einen Ordnungsruf und einen weiteren Ordnungsruf wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Keine Atomtransporte nach Russland über Mecklenburg-Vorpommerns Häfen“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/3915 verteilt wird. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Interessen des Landes wahren: Atomdeal stoppen – kein Endlager auf dem Gelände der Energiewerke Nord GmbH“ beantragt.
Aktuelle Stunde: Interessen des Landes wahren: Atomdeal stoppen – kein Endlager auf dem Gelände der Energiewerke Nord GmbH
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute Morgen strahlt mich die Kanzlerin aus der Zeitung an.
Ich lese in der Zeitung viele Versprechen, die Angela Merkel abgibt, darunter das Versprechen, eine zuverlässige, bezahlbare und umweltfreundliche Energieversorgung zu sichern.
Was ich nicht lese, ist ein Versprechen, die Endlagerung für Atommüll zu klären. Nichts ist dauerhafter als eine befristete Lösung. Und so, meine Damen und Herren, kommt der Atommüll – gestern ins Wendland, übermorgen nach Vorpommern.
Und ich frage Sie: Warum muss eine ganze Region für etwas herhalten, wofür sie nicht verantwortlich war und ist?
Und ich frage Sie: Warum kommt ein technisches Verfahren, dessen Risiken, Folgen und Langzeitwirkungen nicht beherrschbar sind, länger als geplant zur Anwendung?
Und ich frage Sie: Warum werden die geplanten Investitionen in zwei Gaskraftwerke auf die lange Bank geschoben?
Und schließlich möchte ich Sie fragen: Warum droht ein Bürgermeister mit Klagen, wenn sein Ort im Zusammenhang mit Atommüll genannt wird?
Diese und andere brennende Fragen haben uns veranlasst, das Thema für die heutige Aktuelle Stunde zu wählen. Wir, die LINKE-Fraktion in diesem Hause, sind davon überzeugt, dass die Interessen des Landes unmittelbar betroffen sind. Wir waren und wir sind dafür, dass Lubmin ein geeigneter Energiestandort ist. Ungeeignet ist er allerdings für die Einlagerung von mehr Atommüll als geplant und versprochen.
Im Zwischenlager Nord dürfen keine radioaktiven Abfälle aus der ganzen Bundesrepublik gelagert werden. Sie werden fragen, warum. Ich will es Ihnen sagen:
Mit dem Rückbau des Kernkraftwerkes Nord wurde immer wieder dieses politische Versprechen abgegeben, dass nur Atommüll aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg hier zwischengelagert wird.
Wenn jetzt der erfolgte Rückbau eines Atomkraftwerkes wie an dem Standort in Lubmin und die geschaffenen Lagerkapazitäten als Vorwand genommen werden, um mehr Atommüll aufzunehmen, dann sollten Sie sich nicht wundern, dass die Menschen fragen: Wem und was kann man denn noch glauben?
Wie im Wendland, meine Damen und Herren, bilden sich auch in Mecklenburg-Vorpommern Initiativen gegen die Castortransporte. Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, dass die Proteste sich gegen die Nutzung der Atomenergien richten, und das aus gutem Grund. Mit viel Energie wurden und werden gewinnbringende Geschäfte gemacht. Mit der Atomlobby wurde ein Deal vereinbart, der den Konzernen Milliardenzusatzgewinne in die Taschen spült und der Tausende Tonnen zusätzliche hoch radioaktive Abfälle anhäuft, und das, obwohl schon unter dem von Rot-Grün vereinbarten Atomausstieg Mengen anfallen, die nicht beherrschbar sind. Und auch damals gab es kein Konzept zur Lagerung der gefährlichen Hinterlassenschaften einer unverantwortlichen Politik.
Auch die Grünen müssen sich heute den Vorwurf gefallen lassen, dass sie in sieben Jahren Mitregieren im Bund in der Endlagerfrage nicht viel mehr geschafft haben, als ein Moratorium der Gorleben-Erkundung zu veranlassen. Die Große Koalition hat eine ergebnisoffene Erkundung für ein Endlager ebenso wenig vorangebracht.
Interessant ist, dass der neue EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte, ich darf zitieren: „Wir hatten einen Kompromiss in unserem Lande, der die Beendigung der Laufzeiten festgelegt hat. Wir haben die Endlagerung noch nicht gelöst, was wir aber müssen.“
„Es war unklug von der Bundesregierung, diesen Konsens wieder in Frage zu stellen. Darüber muss gesprochen werden. Die Bürger protestieren nicht grundlos.“ Ende des Zitats.
Dem muss man nichts hinzufügen. Recht hat der Mann. Im Interesse unseres Landes wäre es konsequent, dass die Landesregierung wie einige andere vor das Verfassungsgericht zöge.
Die Bundesregierung kann und darf in diesen grundlegenden Fragen nicht über die Köpfe der Länder hinweg entscheiden. Das Mindeste wäre ein Mitspracherecht beim Atomgesetz.
Inzwischen, meine Damen und Herren, geht es um mehr als nur um die Einlagerung von Atommüll in das Zwischenlager Nord. Auch das war heute in der Zeitung zu lesen. Alternativen für Gorleben sehen Experten auch in Mecklenburg-Vorpommern, heißt es dort. Ich möchte schon mitreden können, wenn in meinem Garten etwas vergraben werden soll. Sie etwa nicht, Herr Sellering, oder Sie, Herr Caffier?
Bayern und Baden-Württemberg stemmen sich gegen die neue Suche. Dabei haben diese Länder entscheidend zur Laufzeitverlängerung beigetragen.
Und wie, meine Damen und Herren, halten wir es mit dem Willen der Kreise? Rügen, Greifswald und Ostvorpommern haben durch Beschlüsse ihrer Kommunalvertretungen den Satz im Raumentwicklungsprogramm Vorpommern bestätigt. Der Satz lautet: Keine atomaren Abfälle im Zwischenlager Nord, außer denen aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.
Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Dieser Herbst wird die Bundesrepublik verändern. Es gibt nicht nur Politikverdrossenheit. Zehntausende fühlen sich be- und getroffen. Zehntausende lehnen lautstark und sym
bolkräftig die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung ab. Sozial gerecht und nachhaltig sieht anders aus. So wird der von der Regierung angekündigte „Herbst der Entscheidungen“ zum „Herbst der Konfrontationen“. Die Entscheidungen von CDU und FDP provozieren den Widerstand und den Protest, da helfen auch der Dank und die Versprechen der Kanzlerin nicht. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Position der Landesregierung ist klar: Wir sind gegen die bevorstehenden Atommülltransporte nach Lubmin und wir sind erst recht gegen die befürchtete schleichende Umwandlung Lubmins in ein atomares Endlager.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut. – Zurufe von Hans Kreher, FDP, und Michael Roolf, FDP)
Meine Damen und Herren, wir haben in diesem Haus schon oft über Lubmin und über das Atommülllager der Energiewerke Nord debattiert
und erfreulicherweise ist es gelungen, eine gemeinsame Position aller demokratischen Fraktionen herzustellen. Wir sind uns einig, dass in Lubmin nur Abfall gelagert werden soll,
(Michael Roolf, FDP: Wie kann man so was als Ministerpräsident sagen?! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das haben Sie doch mit beschlossen.)
der aus den ehemaligen DDR-Kernkraftwerken Greifswald und Reinsberg stammt, und das auch nur übergangsweise, bis ein Endlager gefunden ist und das Zwischenlager in Lubmin aufgelöst werden kann.