Protokoll der Sitzung vom 01.02.2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 35. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 32: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Transparenz beim Einsatz der Regionalisierungsmittel, auf Drucksache 5/1192.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Transparenz beim Einsatz der Regionalisierungsmittel – Drucksache 5/1192 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche heute hier zu diesem Tagesordnungspunkt für meine erkrankte Kollegin Frau Birgit Schwebs. Ich mache das sehr gern, weil ich damit wieder einmal zu meinem alten Politikfeld reden kann, zumal das Thema Regionalisierungsmittel und Regionalisierungsgesetz schon ein Thema war, als ich noch verkehrspolitischer Sprecher meiner Fraktion war.

Das Gesetz zur Regionalisierung des Personennahverkehrs vom Dezember 1993 trat als Teil der Bahnreform mit Beginn des Jahres 1996 in Kraft. Den Ländern wurde damit die Verantwortung für den schienengebundenen Personennahverkehr vom Bund übertragen. Seitdem gab es eine ganze Reihe von Novellen, die letzte im Dezember 2007. Von Anfang an sorgte dieses Gesetz auch für Konfl ikte zwischen Bund und Ländern und für Konfl ikte zwischen den Parlamenten und den jeweiligen Regierungen. Mit dem Regionalisierungsgesetz überweist der Bund jährlich erhebliche Mittel für den Personennahverkehr an die Bundesländer, quasi ein durchlaufender Posten, da das Geld einer mehr oder weniger strengen Zweckbindung unterlag und unterliegt.

Für Mecklenburg-Vorpommern bedeutet dies zum Beispiel für das Jahr 2008 mehr als 221 Millionen Euro an Zuweisungen. Diese Zahlen tauchen selbstverständlich auch im Landeshaushalt als Einnahme- und als Ausgabentitel auf. Da liegt aus unserer Sicht und aus Sicht des Bundes auch ein großes Problem, denn diese Haushaltstitel sind naturgemäß sehr pauschal. Und wenn die Landesregierung den Einsatz der Regionalisierungsmittel konkret im Haushalt aufführen würde oder die Erläuterungen des Haushaltsplanes exakt nach den Ausgaben ausrichten würde, wäre sicherlich das Kapitel „Allgemeine Bewilligungen – Verkehr –“ dicker als der gesamte Haushalt des Ministeriums. Aber damit könnten wir sogar leben.

Nicht leben hingegen können wir mit dem Verhalten des Ministeriums, wenn es um die Transparenz der Regionalisierungsmittel geht. So versuchte meine Fraktion auf der 5. und auf der 7. Sitzung des Verkehrsausschusses, die konkreten Auswirkungen der Kürzung der Regionalisierungsmittel zu erfahren. Bis auf Allgemeinplätze blieb das Ministerium eine Antwort schuldig. Aber wir bemühten uns weiter, Licht in das Dunkel zu bringen, und luden Vertreter des Ministeriums in unseren Arbeitskreis „Nachhaltige Entwicklung“ ein. Wir erhielten interessante Antworten zur Lage der öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen in unserem Land, aber die konkreten

Auswirkungen der Kürzung der Regionalisierungsmittel wurden wiederum nicht benannt. Auch eine Kleine Anfrage führte hier nicht weiter. Bis heute hat zum Beispiel die Landesregierung eine Kleine Anfrage meiner Kollegin Birgit Schwebs vom Juli des letzten Jahres nicht beantwortet. Da kann man sich schon fragen, ob hier alles mit rechten Dingen zugeht oder ob die Landesregierung etwas zu verbergen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich meine, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist das gute Recht des Parlaments, dass die Landesregierung hier mit offenen Karten spielt, gerade wenn es wie hier um den Einsatz nicht geringer Steuermittel geht. Und wir haben vorgestern an dieser Stelle auch über den Einsatz von Fördermitteln, also von Steuergeldern, heftigst gestritten.

Transparenz ist die absolute Voraussetzung für einen korrekten Mitteleinsatz und für das Vertrauen der Menschen und der Verkehrsunternehmen in die Politik. Dafür möchten ich und meine Fraktion werben. Wir sind aber auch fl exibel, was die Transparenzkriterien angeht. Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, nicht mit den von uns vorgeschlagenen Parametern einer solchen Unterrichtung einverstanden sind und bessere Vorschläge haben, so lassen Sie uns doch darüber im Verkehrsausschuss diskutieren. Mit einer Überweisung unseres Antrages könnten wir durchaus leben, eine Zustimmung wäre uns allerdings viel lieber. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Ritter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Minister für Bau- und Landesentwicklung Herr Dr. Ebnet.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Lieber Herr Ritter, zu verbergen gibt es da gar nichts. Wir haben auch nichts zu verbergen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Aber Sie tun nichts.)

Wir können allerdings nur Fragen beantworten, die wir tatsächlich auch zahlenmäßig unterlegen können. Das ist nicht bei all Ihren Fragen der Fall. Vor allem bei denen, die sich auf die Verkehrsbetriebe der kommunalen Ebene beziehen, da wird es etwas schwierig.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die Regionalisierungsmittel erhalten die Länder für die seit 1996 vom Bund übernommene Aufgabe der Gestaltung und Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs

(Irene Müller, DIE LINKE: Wenn man da Geld reinsteckt, müssen Sie auch wissen, wofür.)

sowie für weitere Aufgaben im Zusammenhang mit dem Öffentlichen Personennahverkehr.

aufbauend ein Abgleich sowie eine Hochrechnung der Nachfragedaten erforderlich. Die entsprechenden Leistungen müssten extern vergeben werden. Hierfür wäre mit Kosten in Höhe von etwa 50.000 Euro je Kalenderjahr zu rechnen. Hinzu kämen der personelle Aufwand für die Umsetzung dieser Aufträge und die Auswertung der Ergebnisse bei der landeseigenen Verkehrsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern GmbH.

Alternativ kann der bisher fünfjährige Turnus der landesweiten Verkehrserhebung im Schienenpersonennahverkehr auf einen jährlichen Turnus verdichtet werden. Die entsprechenden Leistungen müssten extern vergeben werden. Hierfür wäre mit Kosten in Höhe von etwa 750.000 Euro je Kalenderjahr zu rechnen. Auch hier entstünde bei der Verkehrsgesellschaft ein erheblicher zusätzlicher personeller Aufwand. Für den Schienenpersonenfernverkehr in Mecklenburg-Vorpommern bestehen keine Verkehrsverträge, insofern bestehen hier auch keine Meldepfl ichten bezüglich der Nachfragedaten. Mit den Anbietern des Schienenpersonenfernverkehrs in Mecklenburg-Vorpommern, derzeit die DB Fernverkehr GmbH und die Veolia Verkehr GmbH, wären gesonderte Vereinbarungen zu treffen. Ob dafür Bereitschaft besteht, ist offen.

Für Straßenbahn und Bus sind die Daten zwar je Unternehmen verfügbar, da aber deren Betriebsleistungen vom Land nicht mit Regionalisierungsmitteln bezuschusst werden – Aufgabenträger und damit Finanzverantwortliche sind hier Landkreise und kreisfreie Städte –, ist ein Zusammenhang mit der Verwendung der Regionalisierungsmittel nicht erkennbar. Die Darstellung ist daher aus Sicht der Landesregierung entbehrlich.

Zu den Kosten ist Folgendes zu sagen: Zunächst ist festzustellen, dass unter Kosten die Zuschüsse, also die Differenz zwischen Kosten und Erlösen verstanden werden, da das Land nur Erkenntnisse über diese Differenz hat. Auch hier sind die Daten in der geforderten Form nicht vorhanden. Dies gilt insbesondere für die Aufteilung auf Regionalexpressverkehre, Regionalbahnverkehre und S-Bahn-Verkehre. Deren möglicherweise unterschiedlichen spezifi schen Kosten sind nicht bekannt. Die Zuschüsse sind lediglich je Verkehrsvertrag mit dem jeweiligen Unternehmen verfügbar. Es ist weder eine Ermittlung der Zuschüsse je Zuggattung, wie gefordert, noch je Linie möglich. Letzteres gilt im Wesentlichen auch für die Zuschüsse für den Schienenpersonennahverkehr, da die Leistungen über Verkehrsverträge langfristig vereinbart werden. Lediglich bei einer Neuausschreibung wären Anpassungen möglich, die das Land als Aufgabenträger vornehmen kann. Aber auch hier handelt es sich um Verwaltungsaufgaben, denn anhand der sich ändernden Fahrgastzahlen werden die Linien und die Häufi gkeit der Bedienung überprüft und gegebenenfalls angepasst.

Ich bin gerne bereit, Herr Ritter, Ihnen zu gegebener Zeit hier oder im Verkehrsausschuss einen ähnlichen Bericht wie heute abzugeben.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Dies könnte beispielsweise wieder im Frühjahr 2009 erfolgen, wenn die Zahlen des Jahres 2008 vorliegen und eine Modifi zierung der Nachfragedaten des Jahres 2004 erfolgt ist. Wegen des Aufwands beziehungsweise der teilweisen Unmöglichkeit bitte ich Sie aber von der Darstellung gemäß Ihrem Antrag, wie es hier vorgesehen ist, abzusehen. – Danke sehr.

Aus dieser Beschreibung ist bereits zu entnehmen, dass diese Mittel einer bestimmten Zweckbindung unterliegen. Die Landesregierung und auch der Landtag sind beim Einsatz also nicht frei. Mit der gerade in Kraft getretenen Änderung des Regionalisierungsgesetzes sind die Länder verpfl ichtet, dem Bund gegenüber die Verwendung der Mittel nachzuweisen. Wenn wir es dem Bund nachweisen können, können wir es selbstverständlich Ihnen gegenüber auch nachweisen.

Aus der letzten landesweiten Verkehrserhebung des Jahres 2004 kann ich Ihnen für den Schienenpersonennahverkehr folgende Ergebnisse mitteilen: Auf den Regionalexpresslinien in Mecklenburg-Vorpommern wurden 558 Millionen Personenkilometer pro Jahr erbracht, auf den Regionalbahnen 100 Millionen Personenkilometer, bei der S-Bahn Rostock 77,5 Millionen Personenkilometer und bei den Schmalspurbahnen circa 14 Millionen Personenkilometer. Ich bitte dabei zu beachten, dass es seit der Erhebung 2004 einige Änderungen in der Netzstruktur gegeben hat, die auch Einfl uss auf diese Daten haben. Unterstellt man unabhängig von der Zug gattung gleiche Zuschüsse, so lauten diese Werte für 2007 wie folgt: Regionalexpress 115 Millionen Euro pro Jahr, Regional bahn 36 Millionen Euro, S-Bahn 17 Millionen Euro und Schmalspurbahnen 3 Millionen Euro. Fernverkehrsleistungen werden vom Land nicht bezuschusst.

Ein weiterer größerer Betrag der Regionalisierungsmittel wird für die Ausgleichsleistungen im Ausbildungsverkehr und für die Beförderung Schwerbehinderter verwendet. Diese Beträge sind mit 28 beziehungsweise 5 Millionen Euro im Haushalt gesondert ausgewiesen. Die Höhe wird nach klaren gesetzlichen Regelungen des Personenbeförderungsgesetzes, hier Paragraf 45a, und des Sozialgesetzbuches IX, hier die Paragrafen 145 ff. ermittelt. Eine Kontrolle des Landtags kann daher in diesem Bereich auch nicht zu Veränderungen führen. Das Gesetz bleibt ja so, wie es ist.

Investitionen wurden 2007 mit rund 17 Millionen Euro gefördert. Hier ist die Landesregierung auf die Anträge der Infrastrukturbetreiber angewiesen, die die Maßnahmen planen und Zuwendungen beantragen. Eine Einfl ussnahme seitens der Politik ist nicht möglich, denn es handelt sich hier um einen reinen Verwaltungsvollzug. Ein Nachweis gegenüber dem Landesparlament ist natürlich grundsätzlich möglich, allerdings, Herr Ritter, nicht in der von Ihnen gewünschten Form. Diese würde einerseits einen erheblichen fi nanziellen und personellen Aufwand erzeugen und ist teilweise auch tatsächlich nicht möglich.

Lassen Sie mich zunächst Ausführungen zu den Verkehrsleistungen machen. Diese werden angegeben in Personenkilometern, für deren Ermittlung man wiederum die Anzahl der Fahrgäste und deren Fahrtweite benötigt. Die für den Schienenpersonennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern geschlossenen Verkehrsverträge enthalten unterschiedliche Regelungen zur Meldung von Nachfragedaten durch die Verkehrsunternehmen. Bestimmte Darstellungs- und Aufbereitungsformen für die Meldung von Nachfragedaten sind nicht defi niert. Eine Verkehrsleistung in Personenkilometern für den Schienenpersonennahverkehr in Mecklenburg-Vorpommern kann aus den gemeldeten Nachfragedaten nicht ohne Weiteres ermittelt werden. Da jedes Verkehrsunternehmen unterschiedliche Arten der Nachfrageerhebung verwendet, wären eine Aufbereitung und darauf

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Ebnet.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDPFraktion Herr Roolf. Bitte schön, Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will für unsere Fraktion eines ganz klar und ganz deutlich sagen: Herr Ritter, wir stimmen Ihrem Antrag zu, weil ich denke, es ist zwingend notwendig, dass wir eine Transparenz brauchen bei den Regionalisierungsmitteln. Nach dem, was der Minister uns hier heute vorgetragen hat, glaube ich, haben wir sogar eine zweite Baustelle. Wir haben gehört, was alles nicht zur Verfügung steht, was alles nicht erfasst ist und was alles nicht möglich ist. Dann frage ich mich ganz besorgt, wie macht man denn die Planung für den Öffentlichen Personennahverkehr für die Jahre 2010, 2015, 2020, wenn man nicht einmal in der Lage ist, sich Zahlen und Fakten so zusammenzustellen, dass man ein gesamtumfängliches Bild für das Land Mecklenburg-Vorpommern hat. Aus diesem Grund kann ich in unserem Namen nur dringend die Koalitionsfraktionen darum bitten, diesen Antrag hier heute nicht sterben zu lassen, sondern ihn zumindest in den Verkehrsausschuss reinzubringen.

Herr Minister Ebnet, wenn so eine Kleine Anfrage ein halbes Jahr herumliegt, wäre doch vielleicht der erste Schritt, dass Sie erst einmal die Fragen beantworten, die Sie beantworten können und die, die Sie nicht beantworten können, lassen Sie einfach frei und sagen, im Augenblick ist keine Antwort möglich, die reiche ich nach.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das wäre normal.)

So etwas ein halbes Jahr liegen zu lassen, ist, glaube ich, kein guter Stil. Wir werden uns sowohl einer Überweisung als auch der Gesamtzustimmung heute nicht verwehren. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Vielen Dank, Herr Roolf.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der Fraktion der SPD.

(Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Das beruhigt mich doch, dass Sie der Auffassung sind, Frau Gramkow, dass ich alles weiß.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

(Regine Lück, DIE LINKE: Fast.)

Also die Einschränkung nehme ich Ihnen jetzt übel.