Protokoll der Sitzung vom 28.01.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 60. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Am 1. Januar 2009 ist unser ehemaliger Kollege Claus Gerloff im Alter von 69 Jahren plötzlich verstorben. Claus Gerloff war in den ersten drei Wahlperioden Mitglied unseres Hauses. In den Jahren von 1990 bis 2002 war er unter anderem Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion, Vorsitzender des Sonderausschusses zur Behandlung der Volksinitiative „Pro A 20/ Rügenanbindung“ und Stellvertretender Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses. Bis zu seinem Tod war er darüber hinaus kommunalpolitisch aktiv und Mitglied des Kreistages des Landkreises Parchim.

Über die Parteigrenzen hinweg genoss Claus Gerloff hohe Anerkennung, Wertschätzung und persönliche Sympathie. Er war dem Landtag und seinen Kolleginnen und Kollegen immer verbunden. Diese besondere Verbundenheit zeigte sich dadurch, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Landtag die Vereinigung der ehemaligen Landtagsmitglieder gründete und im Jahr 2003 zum Vorsitzenden dieser Vereinigung gewählt wurde.

Viele derzeitige und ehemalige Abgeordnete haben Claus Gerloff bei der Trauerfeier die letzte Ehre erwiesen.

Er war uns allen bekannt als stets aktiver Streiter für unser Gemeinwesen und unsere Demokratie. Als einer der Ersten hat er sich angeboten, im Rahmen der Aktion „Landtag vor Ort“ seine Erfahrungen und seine Persönlichkeit einzubringen, um im Rahmen der Kampagne „WIR. Erfolg braucht Vielfalt“ für unsere Demokratie zu werben. Leider konnte er das nicht so lange tun, wie er und wir uns das gewünscht hätten. Er hinterlässt seine Frau Stefania, zwei Kinder und ein Enkelkind, denen unser besonderes Mitgefühl gilt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben sich zu Ehren von Claus Gerloff von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Sehr geehrte Damen und Herren, gestern jährte sich der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 64. Mal. Wir haben dieses Tages in einer landesweiten Veranstaltung im Zentrum für Nervenheilkunde der Universität Rostock gedacht.

Seit 1996 ist der 27. Januar in Deutschland der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Die Anregung dazu ging von dem damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog aus. Er betonte, dass es wichtig sei, eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll die Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken. Es ist der Tag der Erinnerung an den Tod von Millionen von Menschen, an Verfolgung, Terror und grenzenloses Leid, die Erinnerung an Gewalt, Terror, Menschenverach

zu dieser Beschlussempfehlung zu ergänzen. Hierzu ist es erforderlich, dass zwei Drittel der Mitglieder des Landtages die Dringlichkeit bejahen. Zugleich muss die Einreihung in die Tagesordnung beschlossen werden. Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist bei Zustimmung der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP sowie zwei Gegenstimmen der Fraktion der NPD die Zweidrittelmehrheit erreicht worden. Damit ist es so beschlossen.

Die Fraktion DIE LINKE hat folgende Dringlichkeitsanträge vorgelegt:

1. „Für ein solidarisches Gesundheitswesen – Senkung des Beitrags der Versicherten der Gesetzlichen Krankenversicherung um 0,9 Prozent“, Drucksache 5/2181

2. „Unverzüglich Konsequenzen aus der ImageUmfrage der Landesregierung für zukünftige Vergaben von Umfragen ziehen“, Drucksache 5/2182

3. „Gesetzliche Rente muss tragende, armutsfeste Säule der Alterssicherung werden“, Drucksache 5/2183

4. „Konzept zur nachhaltigen Energiepolitik endlich vorlegen“, Drucksache 5/2184

5. „Kinder-, jugend- und erwachsenenspezifische Regelsätze nach SGB II sowie SGB XII – für eine chancengleiche Entwicklung aller Kinder und Jugendlichen“, Drucksache 5/2185

Wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach der Mittagspause aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieser Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „100 Tage Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern unter Ministerpräsident Erwin Sellering“ beantragt.

Aktuelle Stunde 100 Tage Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern unter Ministerpräsident Erwin Sellering

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Holter für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Etwas mehr als 100 Tage der Regierung Erwin Sellering sind für uns Anlass, nach Ergebnissen zu fragen. Sie selbst haben keine Bilanz der ersten 100 Tage vorgelegt, Herr Sellering. Konnten Sie auch nicht, weil Sie das Parlament und das Land im Unklaren lassen, wohin die Reise gehen soll.

Warum war im Oktober diese beliebige nichtssagende Regierungserklärung notwendig? Eiapopeia, wir haben uns alle lieb – an neuen Akzenten leider nichts. Kein Wunder, dass es da nichts abzurechnen gibt. Das wird auch daran liegen, dass offensichtlich die gemeinsame Basis der Koalition erschöpft ist. Zumindest …

(Harry Glawe, CDU: Das ist ja Wunschdenken. – Dr. Armin Jäger, CDU: Sind wir hier bei „Wünsch Dir was“, oder was?)

Doch, doch, Herr Jäger, zumindest knirscht es doch ziemlich heftig im Gebälk.

Zu dieser ominösen Umfrage, die die Staatskanzlei in Auftrag gegeben hat, meine Damen und Herren, ist vieles gesagt. Wir haben uns zur Verschwendung von Steuergeldern und anderen Dingen bereits positioniert. Aber eines möchte ich hier dennoch sagen: Uns und mir, Herr Sellering, ist es vollkommen egal, wo Sie geboren wurden und wo Sie vor Ihrer Zeit in Mecklenburg-Vorpommern gearbeitet haben. Für uns zählt, was Sie für das ostdeutsche Bundesland, für unser Land MecklenburgVorpommern, und seine Menschen tun. Und da hapert es gewaltig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Eine solche Frage nach 20 Jahren Einheit zu stellen, ist nicht nur schrecklich, ist zumindest politisch dumm. Und dann auch noch zu glauben, man könne solche Ergebnisse unter dem Deckel halten, zeugt von ziemlicher Naivität. Aber, wie gesagt, das ist für uns mehr ein Nebenschauplatz. Uns interessieren politische Inhalte, uns interessieren Ergebnisse.

Nehmen wir aus den vielen Störungen der Koalition mal die energetischen Störungen in der Landesregierung heraus:

(Dr. Armin Jäger, CDU: Aha! – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Hört, hört!)

Die SPD entdeckt in ihrer Klausur zu Jahresbeginn die erneuerbaren Energien. Die CDU macht Sie, Herr Sellering, damit gleich zum Ökofundamentalisten. Ich sage dazu: Das ist gar nicht so schlecht. Lieber später als nie.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Scheinbar haben die Einwendungen der Gegnerinnen und Gegner des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin und auch der größer werdende Druck aus der eigenen Basis die SPD zum Umdenken gebracht. Die Tatsache, dass bis heute kein Konzept „Energieland 2020“ auf dem Tisch dieses Hauses liegt, spricht Bände über die vielen Widersprüche innerhalb der Koalition.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, wir bauen darauf und hoffen, dass Sie Ihren Koalitionspartner davon überzeugen können, dass die Ausrichtung der Energie- und Klimaschutzpolitik des Landes auf fossile Energieträger nur in eine Sackgasse führen kann.

Und ein weiteres Beispiel will ich nennen, denn Sie werden heute beziehungsweise in den nächsten Tagen darüber sprechen: Vor einem Jahr hat meine Fraktion beantragt, über die Umsetzung des Masterplans zur Gesundheitswirtschaft zu sprechen, und die Landesregierung aufgefordert, darüber zu berichten, um diesen Masterplan fortschreiben zu können. – Damals abgelehnt. Jetzt kommen Sie mit einem wortgleichen Antrag. Die SPD zeigt auf Sie, Herr Glawe, auf Ihre Fraktion

(Harry Glawe, CDU: Machen wir doch gut.)

und gibt Ihnen die Schuld dafür, dass das Thema nicht schon früher beraten werden konnte.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Sie weisen auf Frau Schwesig, sie möge doch mal berichten, was auf dem Gebiet der Gesundheitswirtschaft tatsächlich passiert. Haben wir nicht andere Sorgen?

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Herr Ministerpräsident Sellering, hauen Sie auf den Tisch!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Eine Krise unbekannten Ausmaßes rollt auf das Land zu. Sie brauchen bloß heute die „Schweriner Volkszeitung“ zu lesen. Und dass diese Krise kommt, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihre Richtlinienkompetenz nun endlich nutzen und die Bewältigung der Krise zur Chefsache machen!

Mit mir waren einige, auch Herr Roolf, am Freitag bei der Tagung des Konjunkturrates. Wir haben über viele Dinge gesprochen. Aber was ist das Ergebnis? Deutlich wurde, dass es keinen einheitlichen Ansprechpartner für die Kommunen und Unternehmen gibt. Es gibt zurzeit keinen Überblick darüber, welche Gesetze, Verordnungen, Richtlinien und andere ordnungspolitischen und rechtlichen Änderungen notwendig sind, damit die Konjunkturpakete des Bundes und des Landes umgesetzt werden können und bei denen ankommen, die Hilfe brauchen. Und Gründlichkeit vereiteln? Ich bin für Gründlichkeit, aber hier, Frau Polzin, ist tatsächlich Zügigkeit notwendig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Dass konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Pakete nicht besprochen wurden, spricht ebenfalls für sich. Und Arbeitsmarktpolitik scheint inzwischen ein Fremdwort geworden zu sein in dieser Koalition.

Wir brauchen ressortübergreifende Maßnahmen und keine Allgemeinplätze. Es müssen alle an einen Tisch, denn es kann nicht angehen, dass nur Wirtschafts- und Finanzministerium an dieser Sitzung teilnehmen. Die Staatskanzlei fehlt, das Innenministerium fehlt,

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Skandal!)

das Verkehrs- und Bauministerium ist nicht da, das Bildungsministerium ist nicht da,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)