Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 26. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufi ge Tagesordnung der 26. und 27. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufi gen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 26. und 27. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich im Namen des ganzen Hauses dem Ministerpräsidenten zur Verleihung des Großen Verdienstkreuzes mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland gratulieren.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wo ist er?)
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zurufe von der Fraktion der CDU und Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Oh!)
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der FDP hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Wegfall Nothafen Darßer Ort – Auswirkungen auf die Seenotrettung in Mecklenburg-Vorpommern“ beantragt.
Aktuelle Stunde Wegfall Nothafen Darßer Ort – Auswirkungen auf die Seenotrettung in Mecklenburg-Vorpommern
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion wird heute erstmalig das Thema der Aktuellen Stunde bestimmen und mir bleibt, das wissen Sie, leider nur sehr wenig Zeit, um dieses wichtige Thema näher zu beleuchten.
Einige von Ihnen werden jetzt möglicherweise sagen, das Thema schlägt fast schon Wurzeln und ist längst geklärt. Aus meiner persönlichen Sicht ist es überhaupt nicht geklärt. Andere können sich vielleicht noch an das Jahr 1993 erinnern, als die erste Anfrage zu diesem Thema im Landtag gestellt wurde, sozusagen eine unendliche Geschichte.
Wir Liberalen möchten uns heute in diesem Hohen Hause mit der Situation am Nothafen Darßer Ort auseinandersetzen, weil wir glauben, dass hier zwei Dinge miteinander gemessen werden, die unserer Ansicht nach nicht vergleichbar sind – auf der einen Seite der Natur- und Umweltschutz, den auch wir, das will ich ganz deutlich betonen, als FDP-Fraktion begrüßen und fördern wollen,
und auf der anderen Seite geht es hierbei um die Rettung von Menschenleben. Und ich will an dieser Stelle noch
einmal deutlich betonen, dass es meiner Fraktion und mir insbesondere heute nur um die Sicherheit und Rettung von Menschenleben geht.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich denke, beides.)
Im Nothafen Darßer Ort ist der Seenotkreuzer „Theo Fischer“, wie viele von Ihnen hier wissen, der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger stationiert. Die DGzRS hat die hoheitliche Aufgabe übernommen, im Übrigen selbstlos und gemeinnützig ohne staatliche Zuschüsse, und ich denke, es ist an dieser Stelle auch einmal ein Dank zu sagen, dass 180 hauptamtliche und 800 ehrenamtliche Damen und Herren die Seenotrettung selbstlos und gemeinnützig durchführen.
(Beifall Reinhard Dankert, SPD, Volker Schlotmann, SPD, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, Hans Kreher, FDP, und Michael Roolf, FDP)
Das erste Problem: Der Nothafen liegt in der Schutzzone I des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Der WWF hat sich gegen einen Weiterbetrieb ausgesprochen. Das hörte sich aber 1999 noch ganz anders an, da gab es diese Aussage: „Der WWF anerkennt die Notwendigkeit eines Alternativhafens für den Nothafen Darßer Ort. Dieser kann auch erst geschlossen werden, wenn ein Alternativhafen gebaut und funktionsfähig ist. Erst danach soll der Bereich des Nothafens Darßer Ort renaturalisiert werden.“
Aber was ist die Realität, meine Damen und Herren? Im Jahr 2005 klagt der WWF gegen die Ausbaggerung vor der Europäischen Union. Und da schließt sich schon das zweite Problem an. Ein Ersatzhafen wird voraussichtlich erst im Jahr 2010 zur Verfügung stehen und die Betonung, meine Damen und Herren, liegt auf „voraussichtlich“. Vorgestern haben wir – und ich denke, Sie alle – aus der Presse entnehmen dürfen, dass ein Bürgerentscheid zum Bau eines Alternativhafens in Prerow erst am 9. Dezember 2007 durchgeführt wird. Weiterhin konnte man in der Presse lesen, interessant wird die Finanzierung des Investitionsvorhabens von über 20 Millionen Euro. Gelder von EU, Bund und Land sind fest einge plant, entschieden ist aber noch nichts. „Prerow wird keinen Eigenanteil tragen müssen und kann es auch nicht“, so der Bürgermeister der Gemeinde. Das ist insofern eine interessante Aussage, wenn wir uns den Doppelhaushalt angucken. Ich fi nde keine Position, die wir als Landesförderung vorgesehen haben.
Damit komme ich zum Problem Nummer drei und dieses Problem lässt sich am besten mit der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Mathias Löttge darstellen. Dort heißt es nämlich: „Eine nochmalige Ausbaggerung der Fahrrinne zum Nothafen Darßer Ort ist nicht geplant. Eine mögliche Entscheidung zu einer nochmaligen Ausbaggerung der Fahrrinne könnte allenfalls im Rahmen der Entscheidung zum Bau des Alternativhafens erfolgen.“
Eines der Hauptprobleme war und ist die Ausbaggerung der Fahrrinne zum Nothafen. Der Bund hat sich bis ins Jahr 2006 an den Kosten beteiligt. Und diese Situation, meine Damen und Herren, kannte schon die damalige Landesregierung.
Eine Geschichte aus dem Tollhaus wird es allerdings, dass im Jahr 2004 – die Betonung liegt auf 2004 – 200.000 Euro für neue Steganlagen investiert worden sind. Und die Frage, die sich mir stellt, lautet: Für wen eigentlich? Der Hafen ist heute geschlossen.
Völlig absurd wird es aber, wenn ich mir die Kosten für die bisher in Auftrag gegebenen Studien ansehe. Diese belaufen sich auf bisher – hören Sie bitte alle zu – rund 500.000 Euro.
Die einmaligen Ausbaggerungskosten in Höhe von circa 100.000 Euro stehen – und ich denke, darüber herrscht hier in diesem Haus Einigkeit – wohl in keinem Vergleich zu einem Menschenleben. Die Lösung einer Kostenübernahme für die Ausbaggerung liegt aber dennoch scheinbar nahe. Wie wäre es, wenn wir einen Teil der Ausgaben des Landwirtschaftsministeriums im Bereich der sächlichen Verwaltungskosten, die sich im Übrigen auf einen siebenstelligen Bereich erhöht haben, für die Ausbaggerung umwidmen?
Aber kommen wir nun zum eigentlichen vierten Problem, das ich hier noch einmal neu skizzieren will. Die Verlagerung des Seenotkreuzers „Theo Fischer“ nach Barhöft bringt eine deutliche Fahrzeitverlängerung zur Kadetrinne. Wir alle wissen, darüber brauchen wir nicht zu philosophieren, es ist eine der gefährlichsten Seeverkehrsstraßen. Im Jahr 2010 werden sich die Schiffsbewegungen von derzeit 80.000 auf 160.000 verdoppeln. Und ich will Ihnen noch einmal zeigen, um welche beiden Standorte es hierbei geht.
Die Kadetrinne ist rot markiert, gelb ist der Standort Darßer Ort, blau der Standort Barhöft. Hier befi nden sich die regelmäßigen Unfälle in diesem Bereich. Die Fahrzeit erhöht sich von derzeit 30 Minuten vom Standort Barhöft auf 1,5 bis 2 Stunden, um das nur mal in Relation zu setzen. Und jeder, der sich ein wenig damit auskennt, weiß, was eine Minute bei der derzeitigen Wassertemperatur bedeutet.
Der nächste Herbststurm macht die Verlegung des Seenotkreuzers in den Hafen Barhöft notwendig und wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich damit die Fahrzeitverlängerung möglicherweise auf die Rettung von Menschenleben auswirken wird. Die Hafenausfahrt – gestatten Sie mir zu sagen, dass ich das nur aus persönlichem Empfi nden kenne – geht durch die sogenannte Gellenfahrrinne, das ist die Südspitze der Insel Hiddensee und gehört zum östlichen Darß, und dieses Gewässer gehört zu denjenigen, das als eines der ersten vereist sein wird.
Unsere Vermutung hat sich damit bestätigt, dass der Hafen strategisch völlig ungünstig gelegen und unvereinbar ist, um eine effektive und effi ziente Seenotrettung,
auch nach Rücksprache mit der DGzRS in Bremen, abzusichern. Es bleibt allerdings keine andere Alternative, als nach Barhöft zu verlegen, weil unmittelbar in der Nähe kein anderer Hafen zur Verfügung steht.
Ich will den Koalitionären unter uns kurz in Erinnerung rufen, dass sie vereinbart haben: „Einen besonderen Schwerpunkt stellt dabei die Lösung des Problems Not- und Etappenhafen ,Darßer Ort‘ unter Beachtung der Umweltbedürfnisse und der Sicherheit des Sportboottourismus dar.“
Es gibt aus der Sicht der FDP-Fraktion nur eine einzige Lösung und ich will sie hier fest skizzieren: Der Nothafen Darßer Ort ist als Anlegerstützpunkt für den Seenotkreuzer solange aufrechtzuerhalten, bis ein Ausweichhafen in unmittelbarer Nähe fertiggestellt ist. Und das, meine Damen und Herren, ist die ganz einfache und simple Antwort auf diese Frage.
Ich appelliere an Ihre Vernunft, liebe Kolleginnen und Kollegen: Unterstützen Sie unsere Forderung, um es den Seenotrettern am Darßer Ort zu ermöglichen, schnell und auf dem einfachsten Wege Menschenleben retten zu können! – Vielen Dank.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich hatte das anders verstanden, weil Herr Seidel verhandelt hatte dazu.)
Sie kennen ja die etwas schwierige Problemlage und die zeigt sich natürlich an dem, was wir heute zu diskutieren haben.
Meine Damen und Herren, Grundlage des Handelns der Landesregierung ist die Koalitionsvereinbarung, auf die Herr Leonhard schon hingewiesen hat. Und ich will diese mal zitieren. Da steht in Ziffer 26: „Die Koalitionspartner arbeiten an der Umsetzung des ,Standortkonzepts für Sportboothäfen an der Ostseeküste‘ unter Einbeziehung von Bund, Gemeinden und Investoren. Einen besonderen Schwerpunkt stellt dabei die Lösung des Problems Not- und Etappenhafen ,Darßer Ort‘ unter Beachtung der Umweltbedürfnisse und der Sicherheit des Sportboottourismus dar.“
Meine Damen und Herren, wir haben hier einen ganz gewaltigen Zielkonfl ikt. Sie wissen, am 1. Oktober 1990 wurde der Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft festgesetzt. Damit war der Hafen innerhalb dieses Nationalparks zum Problem geworden. Er wurde deshalb als Nothafen ausgewiesen, deklariert. Mit dieser Regelung sollte erreicht werden, dass der Hafen der Klein
schifffahrt als Zufl ucht zur Verfügung steht, obwohl ein Hafen in der Kernzone des Nationalparks nicht zulässig ist. Durch die Festsetzung als Nothafen wurde auch der Standort des Seenotrettungskreuzers am Darßer Ort gesichert. Das war vor 17 Jahren, dieses Provisorium wurde vor 17 Jahren geschaffen.