Protokoll der Sitzung vom 01.02.2008

stets überprüft werden, ob diese nicht einen unverhältnismäßigen Aufwand zur Folge haben.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Ich würde ja mal lieber der Justizministerin zuhören.)

Zum Zweiten stellt der Antrag zu einseitig die Basiskomponente „elektronische Signatur“ als Voraussetzung bei E-Government-Projekten in den Vordergrund. Dies ist in der jetzigen Situation verfrüht. Gegenwärtig bleiben noch die Ergebnisse bei den zu erwartenden Entwicklungen und den damit verbundenen Verfahrensstandards abzuwarten. Die Abstimmungen hierzu zwischen den Bundesländern sind noch nicht abgeschlossen und Alleingänge Einzelner greifen gerade im Interesse des Datenschutzes zu kurz. Deshalb können Entscheidungen über die Einbindung der Basiskomponente der elektronischen Signatur derzeit noch nicht erfolgen.

Ich komme zum dritten Punkt des Antrages, der ebenfalls abzulehnen ist. Die Interessen der Unternehmen im Land sind bei der Forderung nach einer Verordnung für das Datenschutzaudit in diesem Punkt nicht genug berücksichtigt. Wir haben die Verbände zu diesem Thema befragt. Die Verbände haben uns übereinstimmend geantwortet, dass sich das Auditverfahren von öffentlicher Stelle, wie es bislang allein in SchleswigHolstein praktiziert wird, als zu bürokratisch, teuer und betriebswirtschaftlich unrentabel erwiesen hat. Seitens der Wirtschaft wird ein privatwirtschaftlich organisiertes, kostengünstigeres Auditverfahren vorgezogen. Diesen Vorschlag wollen wir berücksichtigen. Das datenschutzrechtliche Prinzip der Kontrolle durch Selbstkontrolle würde zudem mit einer solchen privaten Lösung gestärkt. Der Staat, meine Damen und Herren, muss nicht alles an sich ziehen.

(Gino Leonhard, FDP: Das ist richtig.)

Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob der Bedarf für ein solches Verfahren überhaupt besteht. Seit dem Inkrafttreten der entsprechenden Rechtsverordnung in Schleswig-Holstein sind lediglich 34 Anträge gestellt worden, davon 15 Anträge unter Rückgriff auf EU-Fördermittel. Zudem sind vergaberechtliche Probleme bei der Erteilung datenschutzrechtlicher Gütesiegel nicht auszuschließen. Erfahrungen aus Schleswig-Holstein zeigen, dass bei den Vergabestellen in den Kommunen ein datenschutzrechtliches Gütesiegel eine Blendwirkung entfalten kann. Es könnte einseitig auf dieses vergaberechtlich unbeachtliche Siegel vertraut werden und

die tatsächlich vergaberechtlich relevanten Voraussetzungen könnten nicht mehr ausreichend geprüft werden. Insgesamt ist es deshalb sinnvoller, zunächst die weitere Entwicklung im Bund und in den Ländern abzuwarten, da das Auditverfahren noch ein relativ neues und auch umstrittenes Instrument des Datenschutzes ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob eine Regelung zum Auditverfahren mit den von der Landesregierung verfolgten Zielen des Bürokratieabbaus und der Deregulierung im Einklang steht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Leonhard. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Datenschutz ist wichtiger denn je. Ja, er ist ein wesentliches Freiheitsgrundrecht, er ist Bestandteil der Würde des Menschen und Voraussetzung für seine freie Entfaltung. Er ist Voraussetzung für die demokratische Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern am Staatsgeschehen. Eingriffe durch Hoheitsträger sind nur für bestimmte Zwecke und nur im Interesse der Allgemeinheit auf klarer gesetzlicher Grundlage zulässig. Der Anwendungsbereich und die Eingriffswünsche haben sich in den letzten Jahren allerdings quantitativ und qualitativ verändert. Die Abwicklung von immer mehr Lebensvorgängen über die digitale Datenverarbeitung und über digitale Medien erzeugt immer mehr Daten. Anlagen mit immer größeren Leistungen speichern, verarbeiten und übertragen immer mehr Daten. Die Auswertbarkeit menschlichen Verhaltens steigt damit in einem fort. Dazu kommen immer neue Erkenntnismöglichkeiten über die Auswertung von DNA-Spuren.

Den größeren Möglichkeiten stehen wachsende Auswertungswünsche von Bund und Ländern gegenüber. Stetig werden zusätzliche Eingriffsbefugnisse zur Abwehr von Terrorismus und organisierter Kriminalität geschaffen. Davon sind, auch wenn es nicht jeder sofort merken wird und kann, alle Bürger, egal ob sie sich etwas zuschulden kommen lassen haben oder nicht, betroffen. Ich erinnere nur an die Abschaffung des Bankgeheimnisses durch das Gesetz zur Förderung der steuerlichen Ehrlichkeit. Verschiedenste Behörden haben dadurch die Möglichkeit, auf Kontodaten eines jeden Steuerbürgers zurückzugreifen, und jedes Eingriffsrecht, meine Damen und Herren, jeder Eingriff in die Datensphäre von Bürgern eröffnet die Möglichkeit von Missbrauch.

Wir haben in Deutschland, und Sie haben das aus der Presse in den vergangenen Monaten sicherlich vernehmen können, noch keine CD mit Millionen von höchst persönlichen Daten verloren wie vor einiger Zeit in Großbritannien, zwischenzeitlich schon zweimal passiert. Gleichwohl drohen Gefahren, wo immer Menschen, die nun mal Fehler machen können, mit sensiblen Daten in Kontakt kommen. Und dass die Vorratsdatenspeicherung ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum Überwachungsstaat ist, kann niemand leugnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Die These, wer nichts zu verbergen hat, deutet nach unserer Ansicht auf einen sehr beschränkten Geist hin,

auf ein geringes Bewusstsein darüber, Mensch zu sein, freier Bürger in einer freien Bürgergesellschaft, in welcher der Staat seinen Bürgern dient und nicht umgekehrt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Deshalb wird meine Fraktion den ersten beiden Punkten Ihres Antrags auch zustimmen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE. Und deshalb wünschen wir uns als Liberale natürlich einen funktionierenden und effektiven technischen Datenschutz.

Ihrer Forderung im dritten Antragspunkt helfen wir in der vorgelegten Form jedoch nicht weiter. Ihr Vorschlag eines Datenschutzgütesiegels klingt zunächst einmal toll. Aber lassen Sie uns bitte die Debatte ehrlich führen. Ich wüsste zunächst gerne, welche Erfahrungen SchleswigHolstein mit dem Gütesiegel gemacht hat. Wenn ich auf die Internetseiten des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein schaue, dann kann ich erfahren, dass ein Gutachtenverfahren mit Zeit, Geld und Aufwand verbunden ist. Wir reden also wieder einmal von mehr Bürokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Eben nicht.)

Nach Angaben des Datenschutzzentrums dauert sowohl der Prozess der Begutachtung durch die Sachverständigen als auch die Schlüssigkeitsprüfung durch das Datenschutzzentrum in der Praxis jeweils einige Monate. Werden bei der Begutachtung Mängel festgestellt, so geht weitere Zeit ins Land.

Die Kosten des Gütesiegels setzen sich zusammen aus den Kosten für die Begutachtung des Produkts und den Gebühren des Datenschutzzentrums für die Prüfung der Plausibilität und Erteilung des Siegels. Die Kosten für die Begutachtung werden mit den Sachverständigen frei ausgehandelt. Allein dafür fallen einige Tausend Euro an. Zusätzlich fallen die Gebühren des Datenschutzzentrums an. Diese betragen in der Regel zwischen 1.000 Euro und 2.500 Euro. Da das Gütesiegel für zwei Jahre befristet erteilt wird, reden wir hier über einen erheblichen Zeitaufwand und erhebliche Kosten für einen überschaubaren Zeitraum. Sie müssen sagen, woher das Geld kommt, sehr geehrte Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, wie Sie den notwendigen Sachverständigenstab aufbauen und fi nanzieren wollen, was das Ganze letztendlich wirklich bringen soll.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Aus diesem Grund werden wir den Punkt 3 ablehnen. Ich beantrage für meine Fraktion getrennte Abstimmung zum Antrag der Fraktion DIE LINKE. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Heinz Müller.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der modernen Informations- und Kommunikationstechnik verläuft im Augenblick in einer Geschwindigkeit, die, wenn man sie nüchtern betrachtet, einen erschauern lässt. Und wenn wir uns angucken, was heute, allein was Speichermedien

angeht, auf einen USB-Stick passt, wofür man vor wenigen Jahrzehnten noch ganze Kleiderschränke gebraucht hätte, dann kann man vielleicht erahnen, welche Möglichkeiten des Gebrauchs, aber auch des Missbrauchs in solchen technischen Möglichkeiten stecken. Die Arbeit von Datenschutzbeauftragten ist deshalb heute mehr denn je unverzichtbar und ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen und rechtsstaatlich organisierten Gesellschaft. Ich denke, dieses wird von niemandem hier in Zweifel gezogen.

Allerdings ist das, was Datenschutzbeauftragte machen, die eine Seite, und eine nicht zu vernachlässigende Seite in einem Spannungsverhältnis, in dem auf der anderen Seite auch andere Interessen anderer berechtigter Anliegen in einem Rechtsstaat stehen. Ich denke, wir müssen zu einer Abwägung kommen. Ich habe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, immer ein bisschen Sorge, wenn man in einem solchen Spannungsverhältnis sich sehr klar und sehr eindeutig nur auf die eine Seite bezieht. Ein Abwägen und ein sinnvolles Hören beider Seiten scheint mir die richtige Verfahrensweise zu sein, weil man dann zu einem in der Tat abgewogenen und argumentativ untersetzten Urteil kommt.

Dieses, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, scheint mir im ersten Punkt Ihres Papiers gerade nicht zu erfolgen. Wenn man auf die berechtigte eine Seite schaut, die andere aber völlig ausblendet, dann kommt man zu diesem abgewogenen Ergebnis nicht, und das scheint mir der entscheidende Schwachpunkt dieses ersten Punktes zu sein.

Die Punkte 2 und 3. Beim Lesen habe ich mich zunächst mal gefragt: Wie kommen diese drei inhaltlich doch sehr verschiedenen Punkte – gut, sie haben alle etwas mit Datenschutz zu tun, aber ansonsten sind sie doch sehr verschieden – eigentlich in einen Antrag? Ich hatte so ein bisschen den Eindruck, dass man dort, bildhaft gesprochen, das Büro aufgefegt hat und noch ein paar Zettel gefunden hat, aus denen man einen Antrag zusammengeklebt hat.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Oh, oh, oh, Herr Müller! Das hätte ich nicht von Ihnen gedacht. – Zuruf von Angelika Gramkow, DIE LINKE)

Die sind ja einzeln, jeder für sich, alle sehr interessant und alle sehr wichtig, aber daraus einen Antrag zu machen, fand ich in der Tat ein wenig merkwürdig. Aber gut.

Zum zweiten Punkt, zu der Frage der Berücksichtigung des Datenschutzes bei E-Government. Meine Damen und Herren, wir haben uns über Maßnahmen von E-Government hier wiederholt auseinandergesetzt. Wir haben darüber im Innenausschuss gesprochen. Ich denke, es wäre dort der Ort gewesen, konkrete Punkte anzusprechen, wo die Belange des Datenschutzes noch stärker Berücksichtigung fi nden müssten. Ein solcher genereller Angriff, zu sagen, wir müssen uns aber noch viel stärker um den Datenschutz kümmern, wenn wir E-Government machen, glaube ich, geht ins Leere, der ist mir viel zu unkonkret. Wenn man mir hier konkrete Punkte nennen könnte, dann wäre ich allerdings gerne bereit, darüber zu reden. Dies können Sie nur an einem Punkt, nämlich der elektronischen Signatur, und hier fehlt mir die Begründung. Der Antrag ist auch bei der Begründung nicht so besonders üppig ausgestattet. Hier fehlt mir in der Tat

die Begründung, warum gerade in der Frage der elektronischen Signatur das eigentliche Problem liegt.

Zur Frage 3, zum Thema Datenschutzgütesiegel. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Thema haben wir am 22. März 2007 im Innenausschuss bereits hin und her diskutiert. Ich möchte hier nicht die Argumente, die wir dort gebracht haben, alle wiederholen. Ich glaube, die Diskussion hat nicht zu dem Ergebnis geführt, dass wir sagen könnten mit guten Argumenten, wir halten die Einführung dieses Gütesiegels für sinnvoll. Ich glaube, der damaligen Diskussion ist wenig hinzuzufügen. Ich muss deshalb sagen, wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Angelika Gramkow, DIE LINKE: Herr Müller!)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer von Ihnen einmal George Orwells Buch „1984“ gelesen hat, der weiß, wie eine Welt aussieht, die total überwacht wird. Wer allerdings glaubt, dass die Horrorszenarien Orwells nur die Erfi ndung eines Schriftstellers mit großer Fantasie und/oder Verfolgungswahn sind, der vergisst das Leiden von vielen Menschen in der DDR und wird auch in der BRD spätestens seit 2001 eines Besseren belehrt. Überwachung von Telefongesprächen, Speicherung und Austausch von Daten, Kontrolle am Arbeitsplatz, biometrische Merkmale im Ausweis, von einem demokratischen Rechtsstaat, der hier immer viel gepriesen wird, kann angesichts solcher Diskussionen und Verhaltensweisen kaum die Rede sein. Unter dem Propagandaschlachtwort „Kampf dem Terrorismus und Verteidigung der Demokratie“ haben Sie und Ihre Parteien sowohl den Datenschutz als auch die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger untergraben.

Seit diesem Jahr beispielsweise verpfl ichtet die Bundesregierung Telefongesellschaften und sogenannte Internetprovider, sämtliche Daten von Telefongesprächen und Internetverbindungen ein halbes Jahr zu speichern. Was wollen Sie denn angesichts dieser Polizeistaatsmethoden und dem schrittweise zunehmenden Totalitarismus des Staates überhaupt verteidigen? Sie sprechen von Freiheit und Demokratie und meinen in erster Linie vor allem Ihre Privilegien, Ihre Futtertröge und Ihre Vorteile aus diesem Schacher, den Sie als Meinungspluralismus und Demokratie verkaufen möchten. Sie spüren ganz genau, dass der Bürger Ihnen immer weniger traut.

(Reinhard Dankert, SPD: Sie wollten doch auch an diese Futtertröge, Herr Köster.)

Schauen Sie sich doch die Wahlbeteiligung der vergangenen Landtagswahlen an. Wo Vertrauen schwindet, müssen Stasimethoden her.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Die Bürgerinnen und Bürger in M-V hatten das alles schon einmal.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Sie haben sich von einer Diktatur befreien können und befi nden sich nun wieder auf dem besten Wege in eine

solche. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schar stellte hinsichtlich der Demokratie einmal fest: Die Demokratie bedeutet nicht nur, dass die Bürger das Wahlrecht haben, dass sie das Recht haben zu entscheiden, welche Partei die Regierung bilden wird, Demokratie bedeutet auch, dass die Grundrechte, und dazu gehören auch das Recht des Einzelnen auf Privatsphäre, respektiert werden müssen. Davon allerdings, meine Damen und Herren, entfernt sich die Bundesrepublik immer mehr. Nicht wir von der NPD stehen gegen das Grundgesetz, sondern Sie missachten es beinahe täglich.

Doch nun konkret zum Antrag. Erst einmal ist es sehr bezeichnend für den politischen Zustand in Mecklenburg-Vorpommern, dass sich hier eine Partei, eine Fraktion gegen die totale Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ausspricht,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Bla, bla, bla!)