... wenn Sie ihn genommen hätten und durchdacht hätten, dann wäre Ihnen aufgefallen, dass es nicht mehr in Ihrer Einfl ussnahme wäre, ob Sie noch segmentieren oder nicht, sondern die Bundesgesetzgebung nach SGB VIII gibt den Rahmen vor.
Ich will mal den Ausgangspunkt suchen, nämlich an dem Punkt, als die Ministerin am 27.08. vergangenen Jahres sagte, das ist ein guter Tag für junge Familien, in einer Presseerklärung.
Ich bin der Meinung, aus tiefer Überzeugung, das war kein guter Tag für die jungen Familien. Das war ein guter Tag für Aktionäre und ein guter Tag für Heuschrecken. Ich überziehe, also das Wort „Heuschrecken“ werde ich jetzt noch öfter benutzen.
Wir brauchen 750.000 Plätze in der Betreuung für 0- bis 3-Jährige, ist gesagt worden. Das gesamte Programm kostet 12 Milliarden Euro. Der Bund hat gesagt, an Investitionen werden es 4 Milliarden Euro sein.
Wir werden dazu ein Sondervermögen bilden und dazu werden wir das SGB VIII ändern. Diese Gesetzesänderung war für 2007 angesagt. Vor liegt jetzt mit Stand vom 7. März ein Gesetzentwurf. In diesem Gesetzentwurf fi ndet sich diese Absicht, 750.000 Betreuungsplätze zu schaffen, auch wieder. Zu diesem Gesetzentwurf muss man ein Dossier danebenlegen, das ist hochinteressant – das Dossier heißt „Ausbau der Kinderbetreuung – Kosten, Nutzen, Finanzierung“ –, vom Kompetenzzentrum für familienbezogene Leistungen im Auftrag der Bundesregierung. Dort heißt es, für Investitionen wird der Bund bis 2013 3,788 Milliarden Euro bereitstellen. Dafür, wenn wir diese Plätze bereitstellen, wird es eine Gegenfi nanzierung geben. Dieses Mehr an Betreuungsplätzen bewirkt Einsparungen im SGB II von 900 Millionen Euro. Sie bewirken weiterhin Einsparungen beim Kindergeld in Höhe von 3,1 Milliarden Euro und darüber hinaus eine Effi zienzsteigerung für öffentliche Leistungen, in toto 4,1 Milliarden Euro.
Die Bundesministerin sagt in ihrer Presseerklärung, die ich bereits erwähnte, der Bund leistet einen starken Beitrag. Wenn man Rechnung und Gegenrechnung aneinanderlegt, wird deutlich, tatsächlich leistet der Bund gar keinen Beitrag. Er spart 100 Millionen Euro. Was er aber macht, ist, 4 Milliarden Euro umzuverteilen. Und jetzt wird es spannend: Wo verteilt er diese Gelder hin? Die Umverteilung erfolgt volkswirtschaftlich nicht eins zu eins – das ist der Irrtum, Herr Heydorn –, nicht eins zu eins vom Sozialbudget ins Sozialbudget, also nicht für Gesundheitsprävention, nicht für kulturelle Bildung, nicht für frühkindliche Erziehung und Bildung, sondern mehr und mehr erfolgt diese Umverteilung vom Sozialbudget in die Taschen von Kapitalgesellschaften.
Der Grund, wie soll das gehen? Durch die Öffnung des Paragrafen 74a SGB VIII. Der soll neu eingeführt werden.
Diese Öffnung sagt, gewerblich gewinnorientierte Träger sollen Geld bekommen. Und nun sagt der Deutsche Bundesjugendring, nicht PDS-nah und nicht linksparteinah: „Begründet wird die Öffnung des § 74... SGB VIII“ – ich zitiere – „damit, dass nur eine Einbindung privatgewerblicher Träger eine Erfüllung der Betreuungsziele gewähren würde. Dies erscheint dem Deutschen Bundesjugendring“ – ich zitiere immer noch – „fraglich, denn entsprechende Hinweise auf eine Überlastung der bisherigen Trägerstruktur sind empirisch nicht nachgewiesen.“
Nun ist also die Frage: Warum macht man das, wenn es eigentlich nicht nötig ist? Und wenn, wie Herr Heydorn sagt, wir wollen das ja gar nicht: Warum macht man das, Herr Dr. Jäger?
(Dr. Armin Jäger, CDU: Bisher habe ich Sie nicht verstanden. Reden Sie bitte endlich mal allgemein verständlich.)
ein ruinöser Wettbewerb. Die Heuschrecke gegen Caritas: Die Caritas zum Beispiel hat Tarifverträge. Die Heuschrecke – ich bleibe abstrakt und überziehe, aber dadurch wird es deutlich – hat Individualverträge.
Die Caritas erwirtschaftet Sozialrendite, die Heuschrecke Kapitalrendite. Die Caritas nimmt das Geld, das sie als Sozialrendite erwirtschaftet, wieder für humanistische Leistungen. Das ist doch wahr, oder nicht?
(Dr. Armin Jäger, CDU: Ist Ihnen klar, dass wir die Kindergärten, die wir haben, längst gebaut haben?)
(Irene Müller, DIE LINKE: Das sind doch zwei verschiedene Dinge. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
Und die Caritas wird gezwungen, soziale Ansprüche schrittweise aufzugeben. Tut sie das nicht, geht sie kaputt. Das ist unsere Sorge.
Wollen Sie das? Und ich gehe davon aus, dass Sie das nicht wollen, dass die Caritas, die AWO, der ASB, Paritäter in einen ruinösen Wettbewerb gegen privatgewinnorientierte Träger gehetzt werden.
Und ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie das wollen. Herr Heydorn hat es bestätigt, Sie wollen das nicht.