Ich wusste es, Frau Dr. Linke wusste es und unser Mitarbeiter Jörg Böhm wusste es auch, dass wir es hier wieder damit zu tun haben werden bei diesem Antrag, dass einige sich hinstellen und sagen, wir verstehen es nicht. Wir haben mit viel Genugtuung und Wohlwollen bemerkt
und registriert, dass Herr Sellering sehr wohl verstanden hat, was wir hier wollen und warum wir es wollen, und er nicht gesagt hat, dieser Antrag ist sinnlos, sondern, wir müssen dringend weitermachen.
Und, Herr Grabow, hier stehen nicht die Überschriften, die Sie voriges Jahr gefunden haben, und, Herr Rühs, es sind nicht drei, es waren voriges Jahr sechs. Und die Qualität hat sich auch geändert, denn wir sprechen nicht von Kindern, sondern von Jugendlichen und Erwachsenen, und das ist nach unserem Begriff etwas anderes.
Zugegeben, wir haben voriges Jahr ein Dreivierteljahr gebraucht, ehe Sie dann am 16. Januar dieses Jahres einen Antrag eingebracht haben, wonach die Regierung aufgefordert werden sollte oder soll, für kinderspezifi sche Regelsätze, die bedarfsdeckend sind, einzutreten. Ich hatte mir hier fast aufgeschrieben, ob da der Landtag zum Popanz gemacht werden sollte. Da ich aber nicht genau weiß, ob das ein nicht parlamentarisches Wort ist, nehme ich das Wort sofort zurück und habe es nicht genannt. Ich sage aber, eigentlich haben wir ein bisschen gedacht, das war Theater, denn bereits am 12. Dezember 2007 hat der Bundesrat zusammengesessen und beschlossen, die Regelsätze für Kinder anzuheben.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, der Minister wusste noch nicht, ob seine Koalition das auch unterstützt.)
Wenn wir uns jetzt nicht ganz täuschen, sitzen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sehr wohl im Bundesrat und haben darüber schon abgestimmt. Und ich weiß überhaupt nicht, warum wir hier noch über etwas abstimmen sollten, was bereits besteht.
Aber wir haben nichts unterlassen voriges Jahr, um unseren Druck auf Sie in der Regierung auszuüben, da tätig zu werden, immer wieder darzustellen, dass die Regelsätze für die Kinder nicht funktionieren. Und so sollten Sie bitte jetzt auch den Antrag heute sehen, denn Kinder bis zum 17. Lebensjahr zu defi nieren und dann festzustellen, jetzt reicht’s, das reicht eben nicht. Und das hat auch so Herr Sellering gesagt, denn die spezifi schen Bedarfe für Jugendliche sind wirklich spezifi sche Bedarfe. Und wer Kinder hatte, die in der Zwischenzeit Jugendliche sind oder in der Zwischenzeit erwachsen sind, weiß ganz genau, was Jugendliche kosten, was sie kosten Richtung Freizeit, was sie kosten Richtung Bildung, was sie kosten im Hinblick auf den Bedarf ihrer Bekleidung, was sie auch kosten im Unterschied zwischen Mädchen und Jungen und so weiter und so fort.
Deswegen steht jetzt hier heute dieser Antrag für spezifi sche Regelsätze für Jugendliche und dann im Endeffekt auch für Erwachsene, denn, Frau Dr. Linke hat es schon gesagt, Sie haben in diesen Regelsätzen für Erwachsene keinen Cent für Bildung. Bei den Dingen, die Sie aber zum Beispiel in den Gesetzlichkeiten festgelegt haben und welche die Arbeitsagenturen in ihren Richtlinien festgelegt haben, ist gerade Bildung das A und O, um immer an der Basis zu sein und sich so zu qualifi zieren, um wieder Arbeit zu fi nden. Es gibt massenweise Qualifi zierungsmöglichkeiten, die leider niemand bezahlt, wofür
man sich allein umtun muss. Und was Bücher kosten, darauf hat Frau Dr. Linke auch schon hingewiesen.
Es ist auch nach wie vor so, dass in dem Moment, wo ein Erwachsener in die Bedürftigkeit gehört, für die Alterssicherung nur ganz wenig zur Verfügung steht. Und wir haben nicht umsonst zum Beispiel hier auch am gestrigen Tage über Rente gesprochen, über Altersarmut und alles, was damit zusammenhängt. Also es ist dringend notwendig, für die Alterssicherung etwas zu tun in dem Moment, wo ein Erwachsener bedürftig wird. In der gleichen Art und Weise ist auch freizustellen, was für Alterssicherung eingezahlt werden muss. Freizustellen ist für Erwachsene auch die Kindergeldzahlung, was man da so alles reinrechnet, um unterm Strich auf angebliche Gelder zu kommen, wo man noch etwas zurücklegen kann, falls mal irgendwas dringend gebraucht wird.
Die Anrechnungsfreiheit bei Partnereinkommen ist auch noch nicht diskutiert. Man will es nicht, man will es vielleicht politisch nicht, aber wir sprechen es hier an, weil wir es politisch wollen. Und über die Kostenfreiheit bei Arztbesuchen, über die Medikamentenbefreiung für Hartz-IV-Empfänger muss dringend nachgedacht werden, denn auch wenn es bei chronisch erkrankten Menschen im Endeffekt nur ein Prozent ist, ehe man die Anerkennung bekommt, chronisch krank zu sein, dauert es ein bisschen, und da zahlt man viel. Es gibt Krankheiten, die nun mal ganz schön teuer sind. Und ich mache aufmerksam auf bestimmte Statistiken der Krankenversicherungen, wo ganz eindeutig zu hören und zu lesen ist, dass Arztbesuche in einer bestimmten Klientel abgenommen haben. Weil sie nicht mehr krank sind oder weil sie es nicht bezahlen können? Werden Medikamentenrezepte nicht eingelöst, weil derjenige denkt, er wird vollgepumpt, oder weil er es nicht bezahlen kann?
Wir haben also zu verzeichnen, dass die Koalition im vorigen Jahr in Stetigkeit unsere Anträge abgelehnt hat. Wir haben aber gleichzeitig zu verzeichnen, dass in Hinsicht der kinderspezifi schen Regelsätze sich in der Zwischenzeit etwas geändert hat, und deshalb heute dieser Antrag. Jugendliche und Erwachsene sind Menschen, die menschenwürdig leben sollen, die Bedürfnisse haben, die berechnet werden müssen mit einem neuen Warenkorb. Der alte Warenkorb ist wirklich in die Kiste zu drücken.
Da sind nicht mehr nur die Dinge zu benennen, die sich praktisch eingetrampelt haben, dadurch lieb geworden sind und nicht mehr verändert werden sollen, sondern da hat uns die Zeit gelehrt, dass in der Zwischenzeit ganz andere Zahlen zur Verfügung stehen. Und ich muss noch mal sagen, Herr Sellering hat mir das Brot für 49 Cent auch noch nicht gezeigt.
(Raimund Borrmann, NPD: Das ist aber nicht essbar. Das kann man nicht essen. – Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)
Außer bei Herrn Sellering zeigt die Diskussion hier im Parlament heute wieder, dass wir uns eigentlich auf genau dem gleichen Level befi nden, wie es lange Zeit bei der Rente war, teilweise auch noch ist, und bei der Diskussion um Armut, um Altersarmut.
Leider bewegen Sie sich, meine Damen und Herren von der Koalition, viel zu langsam und viel zu spät, nämlich erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen und das Fass am Überlaufen ist. Das ist sehr bedauerlich. Ich verspreche Ihnen hier an dieser Stelle, wir werden nicht nachlassen, Ihnen zu erklären, warum wir solche Anträge stellen und auf welche Art und Weise wir Sie Ihnen untermauern. Das, denke ich mir, führt im Endeffekt doch zu einem Erkenntnisprozess. Wir hoffen, dass es bei Jugendlichen und Erwachsenen ein schnellerer Erkenntnisprozess ist als bei Kindern. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu. Letztendlich ist es auch eine Hilfe für Herrn Sozialminister Sellering zu agieren. – Danke.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1414. Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag bei Zustimmung durch die Fraktion DIE LINKE und die Fraktion der NPD, bei Ablehnung durch die Fraktion der SPD, der CDU und der FDP sowie einer Stimmenthaltung der CDU abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Ratifi zierung des EUVertrages von Lissabon, auf der Drucksache 5/1402.
Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der NPD-Fraktion, der Abgeordnete Herr Pastörs. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Zeit, um Verantwortung zu zeigen, es ist Zeit, um die rasante Entdemokratisierung in Deutschland zu stoppen, die sich mit der Entwicklung in der EU immer deutlicher herauskristallisiert. Es ist erst zwei Jahre her, da wurde durch die Stimme des Volkes in den Niederlanden und in Frankreich die EU-Verfassung gestoppt. Damit war das Projekt einer einheitlichen Verfassung, das auch in vielen anderen Staaten Europas nicht gewollt wird, eigentlich gescheitert.
Wir erinnern uns. In Deutschland wurde das Volk nicht befragt, das Parlament verabschiedete eine Verfassung, die die meisten Abgeordneten gar nicht kannten. Die Befragung einer Redaktionsmannschaft von „Panorama“ hatte seinerzeit das erschütternde Ergebnis gezeigt, dass die Abgeordneten im Deutschen Bundestag noch nicht einmal wussten, worüber sie da abstimmten. Kein Wunder, Sie, meine Herrschaften, sind nichts weiter als die willigen Vollstrecker des Großkapitals, egal, ob in Landes- oder Bundesparlamenten. Selbst nach den ohnehin undemokratischen Regeln der EU war diese
EU-Verfassung eigentlich am Ende. Wenn nur ein Staat ablehnt, dann hätte die Sache gescheitert sein müssen, so die Regel. Aber was hat man gemacht? Durch die Hintertür ist man mit dem gleichen Unsinn wiedergekommen. Diesmal hieß die politische Mogelpackung „EU-Reformvertrag“ und er hatte den Vorteil für die Lobbyregierungen in ganz Europa, dass zwar das Gleiche drinstand wie in der sogenannten Verfassung, einen Vertrag musste man dagegen nur von den Parlamenten absegnen lassen. Diese sind jedoch zwar in ganz Europa vom Volk gewählt, aber durchaus nicht dem Volk verpfl ichtet.
In Frankreich etwa, wo die Verfassung in direkter Abstimmung bereits abgelehnt worden war, hat das Parlament nun zugestimmt. Als gewählte Vertretung unseres Landes haben wir hier in Mecklenburg-Vorpommern deshalb eine besondere Verantwortung. Wir sind als Bundesland das schwächste Glied innerhalb dieser EU-Bürokratie. Aber wir müssen eben auch das ausbaden, was man da in Brüssel beschließt. Wir müssen die Konsequenzen tragen und deshalb müssen wir auch gerade aus einem solchen Haus den Menschen ein Signal geben, dass man nicht alles mit sich machen lassen muss. Wir können durch eine Nichtzustimmung des Vertrages im Bundesrat und dadurch, dass wir ein landespolitisches Gewicht haben, ein Sandkorn im Getriebe dieser großen EU-Maschinerie sein.
Das Land hat europapolitische Interessen, sonst müsste es keine Vertretung in der Europäischen Union unterhalten. Es muss seine Interessen aber auch wahrnehmen. Und da frage ich: Wo ist Ihre Position, meine Herrschaften von der Landesregierung? Warum ist der Vertrag abzulehnen? Der EU-Reformvertrag bringt eine Verpfl ichtung zur dauerhaften Aufrüstung für alle EU-Mitgliedsstaaten. Diese Aufrüstungspfl icht wird durch ein eigenes Rüstungsamt überwacht und vorangetrieben. Der EU-Reformvertrag ermächtigt unter dem Deckmantel des sogenannten Antiterrorkampfes den EU-Rat zu weltweiten Militärinterventionen, ohne ein UNO-Mandat. Alles staatliche Handeln muss dem inneren und äußeren Frieden dienen und Bedingungen schaffen, unter denen gesellschaftliche Konfl ikte gewaltfrei gelöst werden können. Das steht in unserer Landesverfassung. Durch den Vertrag geförderte militärische Interventionen widersprechen unserer Landesverfassung fundamental.
Der EU-Reformvertrag schreibt eine neoliberale Wirtschaftspolitik fest. Alle EU-Staaten werden zu einer Wirtschaftspolitik der offenen Marktwirtschaft mit sogenanntem reinen freien Wettbewerb verpfl ichtet. Kapitalverkehrsfreiheit, Steuerdumping, öffentliche Sparzwänge und so weiter führen zu verschärftem Sozialabbau und zum kontinuierlichen Rückgang des Anteils der Arbeitnehmer am Sozialprodukt. Der EU-Reformvertrag unterwirft die öffentlichen Dienste noch stärker dem Wettbewerbsrecht des EU-Binnenmarktes und schafft neue gesetzliche Grundlagen für die Liberalisierungswut der EU-Kommission. Er ist ein Freibrief für die Fortsetzung der Initiativen der EU-Kommission zur Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Dienste. Betroffen sind Wasser, Energie, Gesundheit, Soziales.
Der EU-Reformvertrag zementiert die diktatorische Stellung der Europäischen Zentralbank. Sie darf ausdrücklich keinem Einfl uss demokratisch gewählter Organe unterworfen werden. Die EZB ist auf dem Vorrang von Hartwährungspolitik vor der Beschäftigungspolitik verpfl ichtet, also auf die Interessen der großen Vermögensbesitzer vor denen der großen Mehrzahl der Bevölkerung. Das können wir von der NPD nicht akzeptieren.
Wie sagte nicht so schön der Altkanzler der SPD, Herr Helmut Schmidt? Sechs Prozent Infl ation seien ihm lieber als sechs Millionen Arbeitslose. Recht hat er.
Der EU-Reformvertrag setzt die Entmachtung der nationalen Parlamente fort. Die EU-Kommission soll in Zukunft internationale Handelsverträge in den sensiblen Bereichen Bildung, Soziales und Gesundheit aushandeln können ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente. Dabei ist die Kommission laut EU-Recht zum Abbau der internationalen Handelshemmnisse verpfl ichtet. Der EUReformvertrag baut die Möglichkeit für die EU-Kommission aus, eine Politik im Interesse der großen Konzerne durchzusetzen. Der EU-Reformvertrag legt den grundsätzlichen Vorrang von EU-Recht vor nationalem Recht fest. Vetomöglichkeiten für einzelne Staaten entfallen. Die Macht der großen Nationalstaaten auf Kosten der kleinen nimmt dramatisch zu.
Das Monopol der Gesetzesinitiative bleibt bei der EUKommission, also bei einer demokratisch kaum belangbaren Bürokratie, die durch den EU-Reformvertrag noch undemokratischer wird. Nicht einmal mehr jedes Land verfügt über einen Kommissar, meine Damen und Herren. Damit wird Demokratie weiter abgebaut.
Diese Gründe allein würden uns schon verpfl ichten, hier einen Riegel vorzuschieben. Aber auch in europäischer Hinsicht zeigt sich, dass der Vertrag nicht ausgeglichen ausgehandelt ist. Während die Interessen mancher Staaten berücksichtigt werden, etwa die der Polen, scheint Deutschland gar keine eigenen Interessen zu haben. Es ist schon merkwürdig, was in Polen im Zusammenhang mit dem EU-Vertrag ausgehandelt worden ist. Man konnte sich ja schon wundern, dass hier ein Sinneswandel im Sejm eingetreten war.
Der Grund ist skandalös. Und besonders skandalös ist, dass gerade in Deutschland dies in den Medien und bei den politisch Verantwortlichen für keinerlei Reaktion gesorgt hat. Die Lösung für Warschau war nämlich eine sogenannte Drop-out-Regelung, also ein Werkzeug, das es einem Vertragspartner ermöglicht, bestimmte Vertragsbestandteile außer Acht zu lassen. Für Polen oder besser für Deutschland heißt das, dass die im EU-Vertrag enthaltene Grundrechtscharta für das Land Polen nicht zum Tragen kommt. Damit wird millionenfacher Vertreibungsmord, denn darum ging es ja der polnischen Regierung, im Nachhinein legitimiert.
Das wirft kein gutes Licht auf die Polen, die über 60 Jahre nach den Vertreibungsverbrechen verschweigen und beschönigen. Das wirft aber auch kein gutes Licht auf die Deutschen, denen das Schicksal ihrer eigenen Bevölkerung offenbar vollkommen gleichgültig ist.