Protokoll der Sitzung vom 24.04.2008

(Irene Müller, DIE LINKE: Ja, ja.)

von 1987 bis 1994 Präsident des Bundesverfassungsgerichtes. Er schreibt in der „Welt am Sonntag“, Januar 2007, Zitat: Die „Europäische Union gefährdet die parlamentarische Demokratie in Deutschland“. Und das heißt, der EU-Vertrag bedeutet Aufl ösung unseres Staatswesens, Teilabschaffung des Grundgesetzes. Der Hinweis auf Artikel 146 Grundgesetz sei mir gestattet. Eine solche Abschaffung muss, so ist es dort geregelt, vom deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen werden.

(Raimund Borrmann, NPD: Genau.)

Und dieses Grundgesetz schreibt auch, dass dies nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt. Erst dann verliert das Grundgesetz seine Gültigkeit. Aber davon kann keine Rede sein.

Zum Reformvertrag gehört auch, Unionsrecht hat Vorrang vor dem Recht der Mitgliedsstaaten,

(Raimund Borrmann, NPD: Genau.)

Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 22. Juni 2007, Frau Lochner-Borst. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist der Vorrang des EG-Rechts einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Das vereinfachte Änderungsverfahren überträgt die Verfassungshoheit weitestgehend dem Europäschen Rat. Professor Schachtschneider meint dazu, Zitat: „Mit dem Demokratieprinzip ist das ,vereinfachte Änderungsverfahren‘ schlechterdings unvereinbar.“ Der Völkerrechtler Professor Rotter macht darauf aufmerksam, dass der EUVertrag die EU auch noch zu einem Verteidigungsbündnis macht. Meine Annahme, damit werden die fünf NichtNATO-Mitglieder zu faktischen NATO-Mitgliedern und die Erfüllung der Forderung nach kollektiver Sicherheit erleben wir ja gerade, indem man sich bemüht, die neutralen Länder Europas, nämlich Irland und Österreich, eventuell in dieses Verteidigungsmuss oder dieses Rüstungsmuss zu integrieren, meine Damen und Herren.

(Raimund Borrmann, NPD: Genau.)

Und noch ein Wort

(Irene Müller, DIE LINKE: Aber nur eins.)

zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker drückt sich eben nicht dadurch aus, dass die Völker über die Parteien, also über Mittler, zu etwas verpfl ichtet werden, wo sie selbst überhaupt gar kein Mitspracherecht haben.

(Zuruf von Udo Timm, CDU)

Dieser Fall ist ja jetzt, indem wir dem Vertrag zustimmen, nicht nur in Deutschland ganz offenkundig auch in den anderen Ländern gegangen worden, weil man nämlich gemerkt hat, dass die Völker ein viel zu großes Risiko darstellen, indem sie nämlich sagen könnten, wir wollen diesen Vertrag nicht, wir stimmen dagegen.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

So macht man Entdemokratisierung.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Ich möchte Ihnen noch ein Zitat von Jean-Claude Juncker zitieren: „Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert.“

(Dr. Till Backhaus, SPD: Die Redezeit ist zu Ende!)

„Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen,“

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Mikro weg!)

„was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt,“ …

Herr Pastörs, Ihre Redezeit ist beendet.

Ich komme zum Ende.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

… „bis es kein Zurück mehr gibt.“ Und das ist Selbstbestimmungsrecht der Völker für Sie, für uns von der NPD nicht.

Herr Pastörs, Ihre Redezeit ist beendet.

(Udo Timm, CDU: Mikro aus! – Volker Schlotmann, SPD: Drehen Sie ihm doch den Saft ab!)

Wir werden selbstverständlich alles in unserer Kraft Stehende tun, um eben diese Entwicklung …

(Der Abgeordnete Udo Pastörs beendet seine Rede bei abgeschaltetem Mikrofon. – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/1402. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der NPD auf Drucksache 5/1402 bei Zustimmung der NPD-Fraktion, aber Ablehnung aller anderen Fraktionen abgelehnt.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der FDP-Fraktion – Kfz-Kennzeichen-Scanning in Mecklenburg-Vorpommern verfassungsgemäß regeln, Drucksache 5/1393.

Antrag der Fraktion der FDP: Kfz-Kennzeichen-Scanning in MecklenburgVorpommern verfassungsgemäß regeln – Drucksache 5/1393 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Leonhard von der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, einige Kollegen werden hier jetzt nicht das Déjà-vu erleiden,

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Schöner Film.)

aber es ist nun mal ein Thema, welches wir insbesondere heute auf die Landtagssitzung setzen wollten. Bereits in der letzten Landtagssitzung, meine sehr geehrten Damen und Herren, hatte meine Fraktion einen Antrag auf Überprüfung der Regelungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in Mecklenburg-Vorpommern zum Kfz-Kennzeichenscanning eingebracht. Damals wollten wir allerdings dafür Sorge tragen, dass das Innenministerium eine Überprüfung vornimmt und die Anwendung bis zu deren Ergebnis ausgesetzt wird.

Für alle diejenigen, die unser Antragsmotiv nicht mehr kennen, will ich kurz noch einmal die Notwendigkeit der Beschäftigung mit diesem Thema begründen. Das Automatische Kfz-Kennzeichenlesesystem ermöglicht der Polizei, Kennzeichen zu erfassen, abzugleichen und zu speichern. Dadurch wird den Polizeibehörden eine massenhafte heimliche Beobachtung von Unverdächtigen ermöglicht. Bei ortsgebundenen Systemen werden die Erfassungsgeräte ähnlich wie bei der Geschwindigkeitsmessung an einer bestimmten Stelle fest eingesetzt. Bei mobilen Anlagen werden sie etwa aus einem fahrenden Polizeifahrzeug heraus in Stellung gebracht, zum Beispiel, um Autos auf einem Parkplatz oder im fl ießenden Verkehr zu kontrollieren.

Zahlen aus Bayern zeigen, dass sich bei über 99 Prozent der Betroffenen keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefahr oder Straftat ergeben hatten. Die Trefferquote für Lesegeräte liegt also bei 0,03 Prozent. Moderne Kennzeichenlesegeräte sind in der Lage, jede Stunde Tausende von Kennzeichen vorbeifahrender Fahrzeuge zu erkennen, abzugleichen und gegebenenfalls zu speichern. Im praktischen Einsatz sind allerdings bis zu 40 Prozent der gemeldeten Treffer fehlerhaft.

Unser Antrag war aber nicht der Allgemeinkritik der Liberalen an der stetig zunehmenden Überwachung der Bürger geschuldet, die durch eine Vielzahl neuer gesetzlicher und technischer Möglichkeiten ständig bewusst und unbewusst in ihren Freiheitsrechten beschnitten werden,

(Udo Pastörs, NPD: So ist es.)

nein, wir stellten ihn aus gegebenem Anlass, weil es bei der Einschränkung der Bürgerrechte zur informationellen Selbstbestimmung der Bürger auch nicht den kleinsten Zweifel an der Erforderlichkeit, an der Geeignetheit, ergo an der Verhältnismäßigkeit geben darf. Diesen Zweifel gibt es hinsichtlich der Landesregelung in MecklenburgVorpommern aber spätestens seit dem mittlerweile, denke ich, allen bekannten ADAC-Gutachten zum Einsatz von Kennzeichenlesegeräten in verschiedenen Bundesländern. Als Liberale können und wollen wir solche Zweifel nicht unausgeräumt stehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Das vom ADAC in Auftrag gegebene Gutachten stellt fest, dass es einige Bundesländer gibt, in denen die Regelungen zum Kennzeichenscanning aus mehreren Gründen gegen die Verfassung verstoßen, so in Bremen, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und in Schleswig

Holstein. Und es gibt auch Bundesländer, in denen die Regelungen zumindest in einzelnen Fallgestaltungen und Aspekten gegen die Verfassung verstoßen.

(Im Plenarsaal wird die Beleuchtung eingeschaltet. – Zurufe aus dem Plenum: Oh!)

Um diese Uhrzeit! Und das ist wichtig. Schauen Sie sich das an! Das möchten Sie gerne mal haben, ne?

(allgemeine Heiterkeit)

Es gibt eben auch Bundesländer, in denen die Regelungen zumindest in einzelnen Fallgestaltungen und Aspekten gegen die Verfassung verstoßen. Neben Brandenburg und Bayern gilt das auch für unser Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Und Zweifel an der Verfassungsgemäßheit darf der Gesetzgeber nicht dulden – wir! –, selbst wenn es nur einzelne Fallgestaltungen betrifft.

Für uns Liberale gilt die Verfassung absolut. Wir können keine Gesetze mit Eingriffsbefugnissen, keine Fallgestaltungen und Aspekte eines Gesetzes, die verfassungsrechtlich problematisch sind, dulden. Das Gutachten des ADAC stellt aber fest, dass der Umfang der Möglichkeit einer automatisierten Erfassung und Auswertung von Kennzeichen im Grenzgebiet und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs mit unmittelbarem Grenzbezug der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes, also dem Artikel 74 des Grundgesetzes widerspricht. Und es stellt fest, dass die Regelung, die eine Datenerhebung im öffentlichen Verkehrsraum zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung zulässt, zu unbestimmt und daher verfassungswidrig ist. Genauer gesagt zielt diese Kritik auf den Paragrafen 43a in Verbindung mit Paragraf 27a des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in unserem wunderschönen Bundesland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Koalition, diese Kritik müssen wir endlich ernst nehmen. Von einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Kritik des Gutachtens war in der Beratung unseres Ursprungsantrages leider keine Spur zu erkennen. Da wurde die Qualität sowohl des Gutachtens als solches, aber auch des Gutachters als Person angezweifelt. Mein geschätzter SPD-Kollege Dr. Nieszery, Vorsitzender des Innenausschusses, glänzte gar mit der fachlich fundierten Kritik, er sei nun schon fast 30 Jahre Mitglied des ADAC, könne die Verfassungswidrigkeit aber persönlich trotzdem nicht erkennen. Halten Sie das für eine ernsthafte verfassungsrechtliche Auseinandersetzung mit diesem Thema?