Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier stehen, wie in vielen anderen Problemfeldern auch, Datenschutz und Persönlichkeitsrechte gegen Gefahrabwehr. Dazu gibt es den Standpunkt der Naivlinge, der da lautet: Ich habe nichts zu verber
gen, also sollen sie doch mein Kennzeichen abspeichern, macht nichts, wenn ein komplettes Bewegungsbild von mir erstellt werden kann, verhaltenssteuernd, oder wenn auch mein Computer heimlich ausgespäht wird, der Staat will ja nur mein Bestes. Und es gibt den Gegenstandpunkt der realitätsblinden Datenschutzfetischisten, denen völlig egal ist, wie die Bedrohungslage aussieht, und die, bevor sie drei Daten sammeln, lieber El Kaida freie Hand lassen.
Das Bundesverfassungsgericht urteilt in diesen Fällen immer in ähnlicher Weise. In sehr schwerwiegenden Fällen und unter Aufl agen wird die Ausspähungsmaßnahme zugelassen, aber nicht als Routinepraxis. Was ein schwerwiegender Fall ist und welche Aufl agen dann nötig sind, hängt von den konkreten Ereignissen ab. Sollte es zu erheblichen Terroranschlägen kommen, wird die Bereitschaft der Gerichte größer sein, weitgehende Eingriffe zuzulassen.
Wie wahrscheinlich die sind, kann niemand sagen. Es gibt viel Panikmache, aber auch viel Verharmlosung. Solange nichts passiert, neigt die Öffentlichkeit eher zum Datenschutz. Nach einem entsprechenden Ereignis wird sich die Stimmung erfahrungsgemäß völlig drehen und auch die Bereitschaft der Gerichte, entsprechend zu urteilen.
Welche Lösung soll man nun wählen, um jeder Situation gerecht zu werden? Man entwickelt die entsprechende Technologie und hält sie vor. Man verzichtet auf die weitgehende Anwendung, solange es die Sicherheitslage erlaubt, weil angesichts der extrem geringen Trefferquote eine fl ächendeckende Erfassung aller Kraftfahrer nicht zu rechtfertigen ist – Ausnahme vielleicht die polnische Grenze, obwohl da himmlischer Frieden herrscht. Na bitte! Und im Krisenfall verabschiedet man vorbereitete Gesetze...
Im Krisenfall verabschiedet man vorbereitete Gesetze mit zeitlich befristeter Dauer, die eine weitgehende Anwendung erlauben, denn wenn sich hier Anschläge wie in Madrid oder London ereignen sollten, wäre es den meisten Bürgern wohl relativ egal, ob man auf der Jagd nach denen ihre Kennzeichen scannt oder speichert – wohlgemerkt: zeitlich befristete Bestimmungen, nicht wie der Patriot Act von Herrn Bush, der auf unbestimmte Zeit schwerste Eingriffe in Bürgerrechte rechtfertigt, weil der Krieg gegen den Terror ja endlos wäre, sondern zeitlich befristet, à la Notstandsgesetze.
Der FDP-Antrag geht davon aus, dass alles schön ruhig bleibt, aber schon der verpfuschte G8-Gipfel mit seinen Terrorexzessen hätte Sie darüber belehren müssen, dass das nicht selbstverständlich ist. Liberal passt nicht immer. Wir lehnen den Antrag ab.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Jetzt kriegen wir Klarheit. Erklär es ihnen und dann lehnen wir ab! – Toralf Schnur, FDP: Das ist nicht das Problem.)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Innenminister sich, wie ich fand, sehr umfänglich zu dem Thema geäußert hat und auch Herr Ritter eigentlich schon für die Koalition relativ klar gelassen hat, wie wir uns denn wohl verhalten würden, kann ich, um mal so ein Wort des Innenministers zu nehmen, ein mittlerweile gefl ügeltes Wort, es einigermaßen kurz machen.
Also, meine Herren von der FDP, Herr Leonhard, zunächst mal Folgendes: Dass ich Sie aufgefordert hätte, sozusagen diesen Antrag einzubringen, daran kann ich mich nun beim besten Willen nicht erinnern. Allerdings darf ich sagen, dass die Überraschung, dass wir heute diesen Antrag hier haben, sich wirklich in sehr, sehr engen Grenzen hält. Im Grunde hätte ich schon mit Ihnen wetten können, nämlich am 5. März, das war die letzte Landtagssitzung, als wir darüber debattiert haben,
dass der Antrag spätestens dann kommt, wenn das Bundesverfassungsgericht – das war ja nur eine Woche später, nämlich am 11. März – nun wirklich sein Urteil zur automatischen Erfassung von Kfz-Kennzeichen sprechen wird
und wenn es vor allen Dingen so ausging, wie es eben ausgegangen ist, nämlich dass die Regelungen in Hessen und Schleswig-Holstein für verfassungswidrig erklärt wurden. Meine Damen und Herren, so ist es gekommen und ich stehe zu meinem Wort.
Im Übrigen, da sind wir uns beide einig, ich hatte auch damals schon gesagt, dass Paragraf 43a mit der Verweisung auf die Paragrafen 27a, 29, 32 und 33 SOG deutlich besser als die eben zitierten Normen aus Hessen oder Schleswig-Holstein sind. Das ist sicherlich nicht das Problem. Der Innenminister hat schon darauf hingewiesen, dass die Prüfung, die natürlich sofort bei uns einsetzte, nachdem die Urteilsbegründung da war, sich vor allen Dingen auf die verdachtsunabhängige Kontrolle, und das ist eben der Paragraf 29a, im 30-Kilometer-Grenzbereich erstrecken wird.
Meine Damen und Herren, der Innenminister Lorenz Caffi er hat ja nach der Verkündung des Urteils angekündigt, dass die Landesregierung die Verfassungsmäßigkeit der automatisierten Kennzeichenerfassung im Land prüfen wird. Und das Schöne ist, wenn unser Minister etwas sagt, dann lässt er seinen Worten auch sofort Taten folgen,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ein klasse Minister, ja.)
und deswegen hat ja das Haus, meine Damen und Herren, natürlich schon längst mit der Arbeit begonnen,
und zwar an dem Tag, als die Urteilsbegründung schriftlich vorlag. Und das ist schon ein paar Tage her.
Der weiß noch nicht alles. Er hat ja hier gesagt, wenn Sie richtig zugehört haben, dass er genau zum Paragrafen 29a noch prüft, und er hat auch Vorschläge gemacht.
Aber, wir haben es gehört, meine Damen und Herren, auch von meinem Kollegen Heinz Müller, Ihr Antrag ist eigentlich schon aus diesen Gründen nicht erforderlich.
Bevor ich gleich zur Schlussrede komme, noch ein ganz kurzes Wort zu Herrn Ritter. Herr Ritter, Sie haben gesagt, dass der Wille bei der Landesregierung offensichtlich nicht so richtig ausgeprägt sei, sich intensiv damit zu befassen. Herr Ritter, ich kann mich vielmehr daran erinnern, dass der Wille schon damals, als die Änderungen ins SOG kamen, bei Ihnen nicht so richtig ausgeprägt war.
also so ungefähr, Änderung SOG gegen Informationsfreiheitsgesetz. Also wenn das schon mit dem Willen, der nicht so richtig ausgeprägt ist, eine Bewendung hat,
Beim Innenministerium ist das eine klare Sache und deswegen, meine Herren von der FDP, muss ich Ihnen ganz einfach sagen, es ist natürlich rührend, dass Sie sozusagen den Hund zum Jagen tragen wollen.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da hängt sogar die Zunge raus, so jagt er. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)
Es bleibt zum Schluss zu sagen, Herr Leonhard, natürlich nehmen wir alle Kritik ernst. Und weil wir die ernst nehmen, werden wir uns, wie der Innenminister es vorgeschlagen hat, mit dem Selbstbefassungsrecht nach Paragraf 12 der Geschäftsordnung des Landtages im Innenausschuss, wo das wirklich hingehört, dann damit befassen, wenn das Ergebnis vorliegt.