Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Alles ist richtig, Herr Schnur. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das war alles richtig.)

Die FDP hatte am 15. November 2007 bereits einen ähnlichen Antrag zur Pendlerpauschale eingebracht.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Ich kann mir vorstellen, dass Sie von der Regierungskoalition sich sicherlich fragen, warum jetzt wieder so ein Antrag kommt. Diese Frage ist an sich relativ leicht zu beantworten.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Der Antrag kommt, weil es immer noch überfällig ist, dass in diesem Punkt Rechtssicherheit geschaffen werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Wir gehen mit unserem Antrag also weiterhin einen konsequenten Weg.

Für all diejenigen, die hier sitzen und es nicht wahrhaben wollen, die jetzige Situation ist immer noch unbefriedigend für diejenigen, die jeden Tag pendeln müssen. In Mecklenburg-Vorpommern pendeln circa 480.000 Personen. Davon pendeln 64 Prozent mit dem eigenen PKW. Das sind somit circa 300.000 Betroffene. 14 Prozent der Betroffenen reisen mit Bus oder Bahn. Das sind 70.000 Personen. Es ist also etwa jeder Vierte in Mecklenburg-Vorpommern von der Pendlerpauschale berührt. Ich denke, damit ist das Problem für uns alle klar.

Mit der Aufforderung an die Landesregierung, die Rücknahme der Kürzung der Entfernungspauschale für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beim Bund zu erwirken, verfolgt die FDP-Fraktion ein wesentliches Ziel. Wir müssen schnell wieder Rechtssicherheit für die Betroffenen in unserem Land erreichen. Dieses Ziel ist mit den Entscheidungen der Finanzgerichte innerhalb der letzten Monate bereits verloren gegangen. Die getroffenen Entscheidungen zielen sämtlich auf die Verfassungswidrigkeit der Kürzung der Entfernungspauschale ab. Die Kürzung der Entfernungspauschale verstößt demnach gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Absatz 1 Grundgesetz. Bei der Einkommensverwendung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit handelt es sich nicht um eine beliebige Einkommensverwendung. Dieses begründet sich darin, dass der

Arbeitnehmer bei Nichtdurchführung der Fahrten Gefahr läuft, seine Einkunftsquelle, also seine Arbeit zu verlieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich vorweg eine Anmerkung zum Gesamtsachverhalt einfügen. Sie wissen, dass die Liberalen für eine vollständige Vereinfachung des Steuersystems eintreten.

(Zurufe von Heinz Müller, SPD, Angelika Gramkow, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Im Übrigen, meine Damen und Herren der CDU, sind auch Sie für eine Vereinfachung des Steuersystems eingetreten. Ich erinnere Sie gern einmal an Herrn Professor Kirchhof, aber wahrscheinlich haben Sie diesen Namen bereits vergessen und auch damit das Ziel der Vereinfachung des Steuersystems. Gott sei Dank haben die Bürger in unserem Land die Möglichkeit, mit der FDP eine Alternative zu wählen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Gerade das Konstrukt der Pendlerpauschale zeigt doch ganz allein für sich, dass unser Steuerrecht einer generellen Überarbeitung bedarf.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die FDP hat dazu am vergangenen Sonntag auf ihrem Bundesparteitag wesentliche Entscheidungen getroffen, um ein einfaches und gerechtes Steuersystem in absehbarer Zeit zu schaffen.

(Angelika Gramkow, DIE LINKE: Haben Sie denn die Pendlerpauschale abgeschafft?)

An der Zielsetzung, ein einfaches und gerechtes Steuersystem zu schaffen, hat sich für die FDP-Fraktion auch mit dem vorliegenden Antrag nichts geändert. Es ist auch kein Versuch, an einem unvollkommenen System umherzureparieren. Es ist der Versuch, das Minimale an Möglichkeiten zu erreichen, und das ist im Wesentlichen der Punkt Rechtssicherheit. Das ist der Anspruch unserer Auffassung nach, den Politik haben sollte,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

um den Bürgern Rechtsfrieden zu verschaffen. Ich möchte dazu nur bemerken, dass dies eigentlich normal sein sollte.

Am vergangenen Montag habe ich jedoch auf dem Neujahrsempfang der IHK in Neubrandenburg unter tosendem Applaus hören dürfen, dass sich unser Ministerpräsident für die Umsetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens im Zusammenhang mit dem Bau eines Steinkohlekraftwerkes in Lubmin einsetzen wird. Ich frage nun die Landesregierung: Ist ein rechtsstaatliches Verfahren nicht normal und wenn man sich als Ministerpräsident dafür stark machen muss, was hat man denn eigentlich sonst vorgehabt?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der Regierungskoalition, mit der Zustimmung zu unserem Antrag zeigen Sie auf der einen Seite, dass Sie den Willen zur Rechtssicherheit für die Bürger unseres Landes haben. Mit einer Ablehnung unseres Antrages zeigen Sie jedoch etwas ganz anderes. Sie zeigen, dass Sie trotz der Entscheidung der Gerichte und der aktuellen Entwicklung im Bund keine Rechtssicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger des Landes wollen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Selbst der Bundesfinanzhof, Frau Gramkow hat es erwähnt, zweifelt seit dem 23. August 2007 ernstlich daran, dass die Streichung der Pendlerpauschale mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Im Auftrag des Bundesfinanzhofes prüft daher derzeit das Bundesverfassungsgericht, ob der Gesetzgeber die Fahrtkosten für die ersten 20 Kilometer zwischen Wohnung und Arbeitsplatz anerkennen muss oder nicht. Die endgültige Entscheidung fällt voraussichtlich Ende dieses Jahres. Um ihre Ansprüche zu wahren, müssen die Betroffenen die Entfernungspauschale bei der Steuererklärung für 2007 daher unbedingt ab dem ersten Kilometer geltend machen und das Spiel auf Zeit schadet den Menschen in unserem Land. Ich will es auch deutlich sagen: Wir müssen doch nicht stetig die Bürger unseres Landes und die Bürger insgesamt dazu zwingen, gegen Gesetze vorzugehen, wo erkennbar ist, dass sie verfassungswidrig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Wir können doch bereits heute erkennen, wohin die Reise geht.

Und, sehr geehrter Herr Dr. Jäger, Politik muss auch den Anstand haben – leider ist er nicht da –, wenn etwas falsch gemacht wurde, es zurückzunehmen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Das ist auch ein Mittel gegen Politikverdrossenheit und aus meiner Sicht deutlich geeigneter als Ihr Vorschlag zur Briefwahl.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Aber zurück zum Sachverhalt. Es schadet den Menschen insbesondere in unserem Land, wenn die Regelungen zur Entfernungspauschale nicht unmittelbar angepasst werden. Für viele Steuerpflichtige stellen die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz einen der größten Abzugsposten in ihrer Steuererklärung dar. Pro Tag und Entfernungskilometer wurden bis einschließlich 2006 30 Cent als Werbungskosten anerkannt. Ab dem Steuerjahr 2007 hat der Gesetzgeber die Regelung zur Pendlerpauschale jedoch außer Kraft gesetzt. Im entsprechenden Gesetz heißt es nur noch lapidar: „Keine Werbungskosten sind die Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte …“

Als eine Art Entgegenkommen für die Bürgerinnen und Bürger, die besonders weite Wege zur Arbeit zurücklegen müssen, hat der Gesetzgeber allerdings ein Trostpflaster eingefügt. Demnach dürfen die Kosten ab dem 21. Kilometer wie bisher gnädigerweise wie Werbungskosten geltend gemacht werden. Ich erwähnte es bereits, dass im Auftrag des Bundesfinanzhofes daher das Bundesverfassungsgericht die Gesetzeslage prüft.

Da bis zur endgültigen Entscheidung schon viele Steuerbescheide für 2007 erlassen sein werden, haben die obersten Finanzbehörden von Bund und Ländern jetzt die Verwaltungspraxis in der Übergangszeit geregelt. Die Finanzämter müssen den ungekürzten Fahrtkostenbeitrag ab sofort oder ab 2007 auf der Lohnsteuerkarte eintragen. Falls der Antrag auf Eintrag des vollen Freibetrages bereits einmal abgelehnt worden ist, können die Bürger dagegen Einspruch einlegen und einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Die Finanzämter sind angewiesen, diesen Anträgen unbürokratisch stattzugeben.

Spannend ist, dass das Bundesfinanzministerium zugleich bemerkt, dass bei Inanspruchnahme der Lohnsteuerermäßigung Nachzahlungen drohen, falls das Verfassungsgericht die Kürzung der Pauschale letztlich doch für rechtmäßig erklärt. Für die Betroffenen gilt jedoch, teurer kann es für sie unter dem Strich ohnehin nicht werden. Vor allem müssen sie nicht etwa, wie behauptet, mit Strafzinsen rechnen, wenn sich bei ihnen eine Steuernachzahlung ergibt. Das Problem besteht jedoch weiterhin darin, dass derjenige, der dem Staat an der Stelle vertraut hat, unter Umständen bestraft wird, da er nachträglich nicht in den Genuss von Steuerrückständen kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Raimund Borrmann, NPD: Wie kann man diesem Staat vertrauen?)

Voraussetzung für eine nachträgliche Steuererstattung ist, dass sie die Fahrtkosten, ich habe es vorhin schon einmal bemerkt, in voller Höhe vermerkt haben. Gutgläubige und gesetzestreue Bürger mit Fahrtwegen bis zu 20 Kilometern, die darauf verzichten, kommen nicht in den Genuss eines für sie positiven Urteils. Falls den Betroffenen dieses Ärgernis aber erst auffällt, während sie bereits ihren Steuerbescheid in den Händen halten, dann haben sie noch eine letzte Chance. Sie können Einspruch gegen den Steuerbescheid einlegen, weil sie selbst etwas falsch eingetragen oder vergessen haben, aber ab Erhalt des Steuerbescheides haben sie dafür nur noch vier Wochen Zeit. Mit Rechtsfrieden hat der derzeitige Zustand also immer noch nichts zu tun. Ich denke, dass wir alle das relativ leicht nachvollziehen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade in einem Flächenland, in dem das Pendeln wichtig ist, und wir alle erwarten, dass die Bürgerinnen und Bürger flexibel und beweglich sind und ihre Arbeit auch in entfernten Regionen wahrnehmen, müssen wir alles dafür tun, dass die Flexibilität aufrechterhalten bleibt und nicht eingeschränkt wird.

Unser Punkt 3 im Antrag bedarf nur einer kurzen Erläuterung. Der Punkt 3 zielt darauf ab, dass es aufseiten der SPD Überlegungen gibt, die Beträge von 30 Cent abzusenken, um den zu erwartenden Verlust auszugleichen. Ich denke, diese Überlegung sollte auch unter Berücksichtigung der aktuellen Preisentwicklung bei Benzin und Diesel deutlich zurückgewiesen werden. Es muss doch für alle Vertreter dieses Hauses ein Interesse daran bestehen, und das zum Wohle unseres Landes. Deshalb fordern die Liberalen Sie alle auf, unserem Antrag zuzustimmen. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erster hat um das Wort gebeten der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ringstorff. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

Herr Abgeordneter Schnur, ich weiß nicht, ob Sie beim IHK-Empfang in Neubrandenburg dabei waren. Wenn Sie dabei waren, haben Sie nicht richtig zugehört. Ich habe gesagt,

es gibt ein rechtsstaatliches Genehmigungsverfahren und das ist selbstverständlich. Ich habe nie gesagt, dass ich mich dafür einsetzen werde. Nur damit keine Legendenbildung hier geschieht. Ich weiß nicht, ob Ihnen das jemand aufgeschrieben hat oder ob Sie falsch zugehört haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Es hat jetzt das Wort die Finanzministerin des Landes Frau Keler. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete!