Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im „Nordkurier“ vom 30.06. dieses Jahres fand ich zwei Artikel, die gegensätzlicher nicht sein konnten, die aber doch das ganze Dilemma der Diskussion unseres Antrages erfassen. Der erste Artikel ist überschrieben mit, ich zitiere: „Eine echte Blamage für die Politik“. Und im Untertitel heißt es weiter, ich zitiere: „Im vergangenen Herbst ist die Sorge armer Familien um die Erstausstattung ihrer Abc-Schützen in Berlin ein großes Thema gewesen. Getan hat sich – nichts.“ Zitatende. Die Überschrift des zweiten Artikels lautet: „150-Euro-Antrag stößt auf wenig Gegenliebe“. Und weiter heißt es, ich zitiere: „Im Nordosten wird über Hilfen für Abc-Schützen gestritten. Ein Vorschlag der Linken findet kaum Zustimmung.“ Zitatende.
Meine Damen und Herren, wann fängt eigentlich Bildung an für Kinder? Nun will ich nicht schon wieder auf dem gestern von uns abgelehnten Antrag zur Novellierung des KiföG herumreiten, zumal die Kinder ja den Kindergarten auch nicht wirklich als Bildungsort erkennen. Aber der erste Schultag ist für Kinder und für Eltern schon so etwas wie der bewusste Start ins lebenslange Lernen. Dass dieser Tag nicht in allen Familien festlich begangen werden kann, habe ich zum ersten Mal im Frühjahr 1999 in einem Gespräch mit dem Landfrauenverband erfahren. Sie erzählten mir, dass sie durch ihr Projekt der aufsuchenden Lebenshilfe in unserem Landkreis erfahren hätten, dass es Eltern gäbe, die kein Geld hätten, um den Kindern eine Schultüte zu kaufen. Über die Gründe für den Geldmangel mag man unterschiedlicher Auffassung sein. Es bleibt trotzdem der Fakt, dass es in unserem Land erhebliche Armut gibt, dass Kinder quasi von Geburt an arm sind und damit gesellschaftliche Nachteile erfahren und sie auf Selbstverständlichkeiten verzichten müssen, obwohl ihre Eltern sich bemühen und das Bestmögliche tun.
Wie geht es also Kindern, die am ersten Schultag keine Schultüte haben? Die Kinder sind traurig und verstehen
nicht, warum sie keine Schultüte haben, alle anderen Kinder aber doch. Sie sind von Beginn an ausgegrenzt, stigmatisiert und so empfinden sie es auch. Kinder, die neugierig sein sollten auf das, was sie lernen und erfahren werden, erleben als Erstes: Ich bin außen vor. Sie sollten eigentlich im Mittelpunkt stehen und erleben am ersten Schultag, dass sie doch nur am Rande stehen.
Weil ich genau das erfahren habe, meine Damen und Herren, organisiere und finanziere ich seit nunmehr acht Jahren in Bad Doberan gemeinsam mit den Landfrauen eine kleine Einschulungsfeier für Schulanfänger, ihren Eltern, Geschwistern und Großeltern. Und die Kinder erhalten von mir ihre Schultüte, die mit dem Notwendigsten gefüllt ist. Ich habe unterschiedliche Reaktionen der Eltern und Großeltern erlebt, Dankbarkeit, Freude, aber auch Scham und Pein.
Ich erlebte Eltern mit strahlenden Augen, die ihr Kind fürs Zeitungsfoto in die erste Reihe geschoben haben. Ich wurde von Eltern angesprochen, die sich bei mir bedankten für die Feier und die Schultüte und darum baten, dass ihr Kind nicht auf das Foto solle, denn sonst würden die Nachbarn aus der Zeitung sehen, dass die Schultüte nicht von den Eltern kommt.
Warum erzähle ich Ihnen das? Sicherlich kennen Sie alle ähnliche Aktionen, haben daran teilgenommen oder haben sie auch mitfinanziert. Es mag den einen oder anderen auch befriedigen, denn es macht ein gutes Gefühl, Dankbarkeit für eine gute Sache zu empfangen. Aber, meine Damen und Herren, es geht hier nicht um Barmherzigkeit und Dankbarkeit einerseits und Großzügigkeit und bürgerschaftliches Engagement auf der anderen Seite, Herr Grabow und Herr Reinhardt. Es geht um etwas Grundsätzliches in dieser Gesellschaft, um gleiche Bildungschancen von Anfang an. Sie wissen es alle, in dieser Bundesrepublik gibt es einen untrennbaren Zusammenhang zwischen Armut und Bildung, zwischen Armut und Reichtum und den Bildungschancen in unserem Land.
Frau Merkel hat vor ein paar Tagen verkündet: „Wohlstand für alle“ heißt „Bildung für alle“. Ich denke, richtiger heißt es: Gute Bildung für alle ist die Voraussetzung für Wohlstand für alle. Gerade haben internationale Untersuchungen wieder bewiesen, in keinem entwickelten Industrieland sind die Bildungsschranken so hoch wie in der Bundesrepublik Deutschland.
Und eine der wesentlichsten Ursachen, so sagen die internationalen Untersuchungen, liegt in der Armut einer großen Zahl von Familien in unserem Bundesland und in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Mit Hartz IV hat sich diese Armut seit Januar 2005 noch verstärkt und verfestigt. Das Arbeitslosengeld II ist eben keine nur vorübergehende Hilfeleistung. Viele Familien müssen dauerhaft mit den Hartz-IV-Regelsätzen über die Runden kommen. Und ich sage bewusst „über die Runden kommen“, denn mehr ist nicht möglich. In der ehemaligen Sozialhilfe, die Sozialpolitiker wissen es, gab es über 100 einmalige Beihilfen unter anderem für Schulbedarf und die Einschulung. Diese einmaligen Beihilfen wurden mit der Einführung von Hartz IV ersatzlos abgeschafft. Aus dem Grund, meine Damen und Herren, hat meine Fraktion vor fast genau einem Jahr, und zwar am 12. Juli 2007, gefordert, die Kosten für Schulbildung im Rahmen des SGB II und des SGB XII zu erstatten.
Natürlich haben Sie recht, die Landesregierung hat sich erfolgreich dafür eingesetzt im Bundesrat. Dieser Landtag hat sich auch für die Ermittlung kindgerechter Regelsätze ausgesprochen. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren, ganz ernsthaft, was nützt es den Kindern, die in diesem Jahr eingeschult werden? Es nützt ihnen nichts.
Ja, Frau Tegtmeier, der Antrag ist populistisch. Das heißt aber noch lange nicht, dass das Problem nicht besteht. Wir machen einen Vorschlag zur Lösung des Problems. Sie ignorieren das Problem und meinen, es damit gelöst zu haben.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich würde meinen, der Antrag ist populär.)
Da kann ich nur fragen, was war der Antrag „Kinderspezifischer Regelsatz nach SGB II sowie SGB XII“ vom Januar dieses Jahres denn sonst? Trotz dieses Antrages hat sich immer noch nichts im Interesse der Betroffenen geändert. Es bleiben immer noch Taten offen. Außer dass es bis zum Ende des Jahres 2008 auf der Bundesebene geprüft wird, Frau Tegtmeier, ist doch nichts passiert. Die Zeit für solche Prüfungen ist überreif. Wir brauchen jetzt Taten im Interesse der Betroffenen.
Im Herbst des letzten Jahres, meine Damen und Herren von der SPD, hatte Ihr damaliger Bundesarbeits- und Sozialminister Müntefering ein „Schulstarter-Paket“ in die öffentliche Debatte geworfen – einmalig 150 Euro zur Einschulung von Kindern aus Hartz-IV-Familien. Was sagt die Sprecherin des jetzigen Bundesarbeitsministers? Der „Nordkurier“ hat nachgefragt und die Antwort ist öffentlich bekannt. Sie sagte: „Die Idee eine Einmalleistung einzuführen, ist noch nicht abgeschlossen, auch nicht abschlägig beschieden“. Das gibt Hoffnung. Weiter sagte sie: „Es gibt derzeit keine Bundesleistungen für bedürftige Schulanfänger“. Außerdem stünden, sagt die Sprecherin, ja auch die Kommunen für ihre jüngsten Einwohner in der Verantwortung. Der Sozialminister, mit dieser Aussage konfrontiert, antwortete, dass das SPDPräsidium einen Maßnahmenkatalog gegen Kinderarmut beschlossen hat, das Land diese Leistungen aber auf keinen Fall allein schultern könnte, da wäre der Bund gefragt. Na ja, Kamerad sei tapfer, lass mich hinter den Baum! Wer ist denn nun verantwortlich? Der Bund, das Land, die Kommunen
oder die karitativen Bemühungen beziehungsweise die Bemühungen Einzelner? Was ist nun mit den Schulanfängern in diesem Jahr? Wahrscheinlich spart die Große Koalition auf der Bundesebene das Geld für die Schulanfänger schon für ein Gratisticket für den Abi-Ball der dann 18-Jährigen. Vielleicht ist dann darüber entschieden worden.
Natürlich, meine Damen und Herren, gibt es Kommunen, die einspringen. Herr Reinhardt hat sie genannt. Es gibt Spendenaktionen und Schulbeihilfen. Das ist gut so. Aber im Gegensatz zum Sozialminister finde ich nicht,
dass unser Land schon auf einem guten Weg zu einem kinder- und familienfreundlichen Land ist, wenn Hilfsorganisationen Spenden sammeln und der Sozialminister öffentlichkeitswirksam die davon gekauften 300 Schulranzen im Uecker-Randow-Kreis verteilt. Ich schätze das Engagement aller, die sich für Spenden und Hilfeleistungen aufreiben. Aber darum, meine Damen und Herren, geht es nicht.
(Marc Reinhardt, CDU: In einer Bürgergesellschaft geht es auch darum. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Es geht, um es noch einmal ganz deutlich zu sagen, um Chancengleichheit von Anfang an, um einen Rechtsanspruch und nicht um Bedürftigkeitsprüfungen und Bitten.
Deshalb ist meine Fraktion der Auffassung, dass wir in diesem Jahr, bis die Bundesregierung entschieden hat – denn Sie sind ja so optimistisch, dass die Bundesregierung einen positiven Entscheid über die Prüfung fällen wird, ob es einen kinderspezifischen Zusatz gibt – einmalig 150 Euro für die ABC-Schützen unseres Landes aus den Steuermehreinnahmen des Landes ausreichen, und zwar im Interesse der Betroffenen. Meine Damen und Herren, das sind, glaube ich, knapp ein Prozent der Steuermehreinnahmen in diesem Jahr, die wir dafür bräuchten. Ich denke, das ist nicht zu viel.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1572. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/1572 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE sowie einer Stimme aus der Fraktion der CDU, Zustimmung der Abgeordneten der NPD-Fraktion sowie Gegenstimmen der Fraktionen der SPD, CDU und FDP abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Tiefflieger über Mecklenburg und Vorpommern – Urlaubsland oder Tiefflugzone?, auf Drucksache 5/1532.
Antrag der Fraktion der NPD: Tiefflieger über Mecklenburg und Vorpommern – Urlaubsland oder Tiefflugzone? – Drucksache 5/1532 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gerade in letzter Zeit wurde durch viele Bürger eine vermehrte Zahl von Tiefflügen, also Flügen in einer besonders geringen Höhe, festgestellt. Nicht nur aus der Landeshauptstadt, sondern auch aus dem Landkreis Güstrow und von besonderen Urlaubszielen wie dem Plauer See wurden solche Flüge gemeldet.
Hinweise von Bürgern, die sich direkt an meine Fraktion gewendet haben, kommen aber auch aus den Landkreisen Uecker-Randow und Mecklenburg-Strelitz. Die „Schweriner Volkszeitung“ hat diesem Problem einen Artikel gewidmet und auch die CDU-Abgeordnete Frau Lochner-Borst sah sich genötigt, zu diesem Themenbereich eine Pressemitteilung abzusondern.
Parlamentarisch hat die Schweriner SPD-Stadtratsfraktion diese Thematik aufgegriffen, allerdings erst, nachdem Sie, meine Damen und Herren vom Block der selbstherrlichen Demokraten, unseren Eilantrag in der letzten Plenarsitzung ablehnten. Wie immer, wenn etwas geschieht, geht das große Geschnatter los. Die Ursachen der jeweiligen Probleme beseitigen Sie allerdings nicht. Sie ziehen es vor, ein Schauspiel des Mitfühlens, der Besorgnis und des Interesses für die Probleme der Menschen im Lande aufzuführen.
Sie haben zwar beinahe jede Einflussnahme an übergeordnete Stellen und auch nach Brüssel abgegeben, aber das stört Sie bekanntlich so lange nicht, wie sich Ihre monatlichen Bezüge nicht verringern. Da die Urlaubshochsaison vor der Tür steht, ist es dringend geboten, dass die Landesregierung hier handelt.
Man könnte anführen, dass diese Überflüge nur wenige Minuten dauern, aber die Verunsicherung der Bevölkerung und auch die Abschreckung von Urlaubern lassen sich damit nicht wegreden. Vielmehr kommt es einer empfundenen Bedrohung gleich, wenn Tiefflüge durchgeführt werden. Außerdem ist es in vielen Fällen gerade nicht mit ein paar Minuten getan. So konnten die Schüler der Regionalen Schule in Lalendorf beispielsweise am 9. Juni insgesamt 25 Tiefflieger über ihrem Schulgelände zählen.
Diese kamen in zwei lang gestreckten Phasen, welche sogar den Schülern der 1. und 2. Klassen ausreichend Zeit boten, die Flieger zu zählen.
Auch wenn die Bundeswehr angibt, dass diese Tiefflüge zu Übungszwecken notwendig sind, möchten wir darauf verweisen, dass die Bundeswehr per Definition eine Verteidigungsarmee ist. Selbst Aufklärungsflüge, wie sie in Afghanistan mit den AWACS-Flugzeugen durchgeführt werden, bedürfen keiner Tiefflugübungen, da sie in großer Höhe geflogen werden.
Auch wird die Bundeswehr bisher noch nicht im Inland gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt. Also erübrigen sich auch hierfür Übungsflüge über Gebieten, die Großstädten ähneln.