Protokoll der Sitzung vom 03.07.2008

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Udo Pastörs, NPD: Bravo! – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Passen Sie auf, dass Ihnen nicht gleich der Heiligenschein runterfällt. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Warum haben Sie die Ehrung von Stelling verweigert?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich Sie daran erinnern, dass die Fraktionen sich entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat darauf verständigt haben, heute im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 27 die Tagesordnungspunkte 35 und 34 aufzurufen, sofern hierfür die zeitliche Möglichkeit besteht. Ich bitte also die Redner zu diesen Tagesordnungspunkten, sich darauf einzustellen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Lochner-Borst von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um das Thema Tiefflug geht, dann gibt es bei den demokratischen Fraktionen sehr unterschiedliche Auffassungen, nicht nur in oder unter den Fraktionen, sondern auch in den Parteien.

(Michael Andrejewski, NPD: Auch unter den einzelnen Abgeordneten.)

Während die damalige PDS im Jahre 1995 bereits einen Antrag auf Verbot von militärischen Tiefflügen und Nachtflügen gestellt hat, sehen die Fraktionen von SPD und CDU bis heute die Notwendigkeit auch für Tiefflug übungen gegeben. Die FDP hingegen hat gegen Übungen der Luftwaffe im Allgemeinen nichts einzuwenden. Das sind teilweise große und wichtige, manchmal nur feine Unterschiede, die ich aber an dieser Stelle durchaus erwähnen möchte.

In einem sind wir uns jedoch ganz klar einig: Die geistigen Tiefflieger von der rechten Seite will und braucht –

die Mehrheit in diesem Hause und im ganzen Land – niemand.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Meine Damen und Herren, heute greift die NPD mit dem vorliegenden Antrag plakativ und populistisch das Thema Tiefflug auf. Demnächst wird sie von uns erwarten, dass wir die Landesregierung dazu auffordern, sich dafür einzusetzen, die Bundeswehr ganz abzuschaffen.

(Volker Schlotmann, SPD: Vorher schaffen wir die NPD ab. – Torsten Koplin, DIE LINKE: Richtig. – Michael Andrejewski, NPD: Ich denke, wir sind Militaristen!)

Denn ihr extremfliegender Vorsitzender träumt ja gerne laut von der Rückkehr zur Wehrmacht. Soldaten als stumpfe Befehlsempfänger, das waren und das bleiben die Vorstellungen der alten und der neuen Nazis.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig. – Michael Andrejewski, NPD: Das ist doch Ihr Stil!)

Unser demokratischer Staat jedoch will Soldatinnen und Soldaten, die getreu des Prinzips der inneren Führung ihren Auftrag auch hinterfragen.

(Michael Andrejewski, NPD: Alles tun, was Sie befehlen!)

Doch zum vorliegenden Antrag: Während die Überschrift noch die jüngste Diskussion über Tiefflüge aufgreift, wird im Beschlusstext selbst das völlige Einstellen von Übungsflügen über bewohntem Gebiet verlangt. Was würde das für unser Land heißen? Das Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage würde seine Tore schließen und in einem anderen Bundesland stationiert werden. Da die Stadt Laage seit elf Jahren mein Zuhause ist, kann ich die direkten Auswirkungen nicht nur für die Stadt Laage und den Landkreis Güstrow, sondern auch für die politische Dimension einer solchen Entscheidung recht gut beurteilen.

Vor fünfzehn Jahren hatte die Bundesregierung die Entscheidung gefällt, dass an diesem Standort zwei Waffensysteme aus Ost und West zusammengeführt werden. Es ist und war für die Luftwaffe in Deutschland einmalig, einen Fliegerhorst mit zwei unterschiedlichen Waffensystemen zu unterhalten. Wie bereits angedeutet, liegen die Wurzeln des Geschwaders zum einen in der DDR und zum anderen in der Bundesrepublik Deutschland. Während in Preschen das russische Waffensystem MiG-29 Fulcrum A stationiert war, verfügte man in Pferdsfeld über das amerikanische Waffensystem F-4F Phantom. Im September 1997 wurden beide Waffensysteme am Standort Laage-Kronskamp in ein Geschwader zusammengeführt. Heute ist in Laage der Eurofighter stationiert, wiederum ein starkes Symbol dafür, dass nach einer Zeit des Zusammenwachsens gerade hier das neueste Flugzeug der Luftwaffe stationiert wurde.

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Natürlich wurden auch am Standort Laage Fehler bei der Integration der NVA in die Bundeswehr gemacht. Im Großen und Ganzen jedoch ist das Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ eine Erfolgsgeschichte, die bei Zustimmung zu diesem Antrag nebenbei mitzerstört würde. Aber es hätte mich auch sehr gewundert, wenn die NPD eine solche politische Dimension überhaupt erfassen könnte.

(Heinz Müller, SPD: So ist es. – Michael Andrejewski, NPD: Was ist daran politisch?)

Darüber hinaus ist das Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ der größte Arbeitgeber im Landkreis Güstrow,

(Michael Andrejewski, NPD: Vielleicht ziehen Sie mal Industrie an. Das wäre besser.)

nebenbei gesagt ein Arbeitgeber, der sich nicht im Niedriglohnsektor bewegt. Außerdem war der Flugplatz in Laage der erste, der zivil und militärisch genutzt wurde, ein Modell, das Vorbild für viele andere im In- und Ausland wurde. Auch die Soldaten und ihre Familien leben heute weitgehend in der Region und bereichern durch Schaffung von Wohneigentum, Einkommensteuerzahlung, Kaufkraft et cetera zahlreiche Gemeinden und Kleinstädte. Aber auch die zahlreich entstandenen sozialen und gesellschaftlichen Kontakte leisten einen Beitrag zur Gesamtintegration. Das ist ein Teil der sogenannten weichen …

(Michael Andrejewski, NPD: Und deswegen brauchen wir jede Menge Tiefflüge?)

Sie reden in Ihrem Beschluss von Übungsflügen. Sie müssen dann auch gucken, was Sie aufschreiben, Herr Andrejewski.

(Michael Andrejewski, NPD: Sie müssen das schon richtig interpretieren.)

Das ist ein Teil der sogenannten weichen Standortfaktoren, von denen wir hier in Mecklenburg-Vorpommern alle profitieren. Die NPD müsste also ganz klar darstellen, wie sie den Verlust von weit über 1.000 Arbeitsplätzen, den Wegzug von Familien, die Entwurzelung von Kindern aus ihrer vertrauten Umgebung, frei werdende Wohnungen, Verlust von Kaufkraft, die Ausfälle für viele kleine und mittlere Unternehmen in der Region, die für das Geschwader arbeiten, auffangen will.

(Michael Andrejewski, NPD: Was alles so an Tiefflügen hängt. Faszinierend!)

Das werden uns die Tiefflieger von rechts jedoch wieder einmal mehr schuldig bleiben.

Neben den durchaus positiven Effekten bringt es ein solcher Platz aber nun auch einmal mit sich, dass Übungsflüge von und nach Laage geflogen werden,

(Michael Andrejewski, NPD: Lassen Sie das Jagdgeschwader ein bisschen höher fliegen!)

auch von Flugzeugen, die nicht vor Ort stationiert sind. Das macht die Luftwaffe jedoch nicht zu ihrem Vergnügen. Wie die Bundeswehr insgesamt hat auch die Luftwaffe den klaren Auftrag, im Einsatz für den Frieden zu schützen, zu helfen und zu vermitteln.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, weltweit.)

Und dafür kämpft die Bundeswehr auch, auch das ist Teil ihres Auftrages. Dazu müssen die Soldatinnen und Soldaten ausgebildet und jederzeit einsatzbereit sein. Das geht ohne Übungen, ohne tägliches Training nun einmal nicht.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wie oft wurden zum Beispiel Tornados schon bei Hochwasser eingesetzt, um der Bevölkerung im eigenen Land zu helfen

(Michael Andrejewski, NPD: Das ist doch vorgeschoben.)

und THW und Feuerwehren zu unterstützen. Auch solche Einsätze sind ohne Übungen nicht machbar!

(Michael Andrejewski, NPD: Sie wollen das für amerikanische Kriegseinsätze.)

Aber der Auftrag der Luftwaffe ist natürlich wesentlich weiter gefasst. Sie sorgt dafür, dass eine Luftlage geschaffen wird, die unseren Staat, unsere Bevölkerung und alle unsere Einrichtungen sicherstellt.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sie unterstützt die übrigen Teilstreitkräfte bei militärischen Aufgaben aus der Luft, sie nimmt hoheitliche Aufgaben für uns wahr und überwacht den Luftraum über Deutschland – Aufgaben, die die Übungsflüge der Luftwaffe, ob vor Ort stationiert oder nicht, allemal rechtfertigen.

Auch Sie, meine Herren von der NPD, und Ihre Familien werden von der Bundeswehr geschützt, ob es Ihnen passt oder nicht.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wenn Sie also die Übungsflüge abschaffen wollen, dann sagen Sie auch gleich, wer diese Aufgaben künftig übernehmen soll.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Meine Damen und Herren, hätten überzeugte Pazifisten heute einen solchen Antrag gestellt, dann hätten wir Respekt vor deren politischer Grundhaltung.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Vielleicht hätten wir heute sogar eine spannende und bereichernde Grundsatzdebatte über die unterschiedlichen Auffassungen