Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

(Raimund Borrmann, NPD: Es gibt genug Kohle.)

Und wenn etwa das Saarland seine Skepsis mit dem Verweis auf den Anstieg der entschädigungspflichtigen Hafttage begründet, kann das nicht nur in den Ohren der Justizopfer wie blanker Hohn klingen. Was ist das für eine Logik, weil immer mehr unschuldig hinter Gitter landen, kann der Staat nicht mehr zahlen?

Meine Damen und Herren, aber selbst wenn wir die Bedenken der Landesfinanzministerinnen und -minister besonders ernst nehmen, kann zumindest MecklenburgVorpommern nicht die Bedenken teilen.

Frau Ministerin Polzin, ich möchte mich daher auch direkt an Sie wenden. Der Haushaltstitel für Entschädigungen für unschuldig erlittene Strafe und Untersuchungshaft betrug 2006 1,1 Millionen Euro. In 2008 und 2009 sind 1,2 Millionen Euro angesetzt. Sie werden mir recht geben, dass man diese Entwicklung als nahezu konstant ansehen kann. Kein Grund zur Beunruhigung, oder?

Berücksichtigen muss man aber auch, dass in diesem Titel noch eine Reihe von anderen Entschädigungsmaßnahmen wie etwa außergerichtliche Kosten enthalten sind, sodass am Ende der Anteil von Entschädigungszahlungen nach dem Haftentschädigungsgesetz kaum ins Gewicht fällt.

(Marc Reinhardt, CDU: Das hätten Sie mal für SED-Opfer einsetzen sollen!)

Und wenn man sich dann noch die Entwicklung der entschädigungspflichtigen Hafttage zwischen 2003 und 2007 anschaut, stellt man fest, dass diese sogar leicht rückläufig sind. Alles in allem besteht mithin gar kein Grund, finanzpolitische Bedenken gegen eine Anhebung auf etwa 100 Euro anzumelden. Im Gegenteil, eine derartige Anhebung ist finanziell verkraftbar und ordnungs politisch geboten.

Meine Damen und Herren, die Neufestsetzung des Tagessatzes obliegt dem Bund. An der Erforderlichkeit einer Anhebung dürfte kein Zweifel bestehen. Allerdings sollte deutlich mehr herauskommen als lediglich ein Inflationsausgleich. Setzen Sie sich, Frau Ministerin Kuder und Frau Ministerin Polzin, für eine angemessene Haftentschädigungszahlung ein, die den Vorstellungen Berlins zumindest nahe kommt! Setzen Sie sich für eine deutliche Anhebung der Haftentschädigungszahlungen gegenüber der Bundesregierung als auch im Bundesrat ein, sodass man am Ende sagen kann, Justitia ist blind, und wenn doch einmal ein Fehler passiert und jemand unschuldig inhaftiert ist, dann wird das zumindest angemessen entschädigt. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Borchardt.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Justizministerin Frau Kuder.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Sehr geehrte Frau Borchardt, ich finde, Sie haben die Antwort auf Ihren Antrag eigentlich schon gegeben,

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Gino Leonhard, FDP: Ja.)

denn wir sind ja in der Diskussion.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Ihres Antrags bedürfte es überhaupt nicht, denn wir sind in der Diskussion, Bund und Länder, um hier zu entscheiden, was ist mit der Haftentschädigung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, natürlich!)

Und die Frage, die dabei von Bedeutung ist, haben Sie leider Gottes auch nicht beantwortet, nämlich nicht die Frage, ob es eine Erhöhung geben wird, sondern, welche Erhöhung es geben soll. Und was ist angemessen bei Ihnen? Sie sagen, Sie wollen eine angemessene Erhöhung haben. Was ist denn der Wert der Freiheit?

(Gino Leonhard, FDP: Ja.)

Sind es die 11 Euro? Sind es 100 Prozent mehr, das wären 22 Euro? Oder sind es vielleicht 100 Euro? Wie soll der Wert der Freiheit denn nun festgelegt werden?

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Frau Borchardt hat gesagt, 100 Euro, glaube ich, ne?)

Da hätte ich gern von Ihnen mal eine Antwort zu gehabt, fände ich sehr schön.

Dann möchte ich auch noch die Gelegenheit nutzen, um mit einer falschen Ansicht Ihrerseits aufzuräumen.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das kann nicht hoch genug bewertet werden.)

Es ist tatsächlich ja gerade nicht so, dass auch bei der heutigen Entschädigung von 11 Euro hier noch Verpflegungspauschalen abgezogen werden müssen. Das heißt also, die 11 Euro werden nach dem Paragrafen 7 Absatz 3 Strafverfolgungsentschädigungsgesetz auch gezahlt. Damit läge das Beispiel, was Sie nannten, dann eben nicht bei 1.000 und ich weiß nicht wie viel Euro es sind, sondern bei über 4.000 Euro, wohlgemerkt immer noch wenig, gebe ich absolut zu. Und, was auch von Bedeutung ist, es handelt sich dabei nur um den Ersatz des immateriellen Schadens.

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es.)

Hinzu kommt noch, weil die Haftentschädigung Teil eines komplexen Entschädigungssystemes ist, auch der Ersatz des materiellen Schadens,

(Dr. Armin Jäger, CDU: So ist es. Richtig. – Raimund Borrmann, NPD: Ja, den muss man aber nachweisen.)

der durch die Inhaftierung entstanden ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wofür zum Beispiel?)

Und der kann durchaus zwischen 10.000 oder auch 50.000 und mehr Euro sein.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Also letztlich heißt das, wir müssen das Gesamtsystem der Entschädigungsleistungen betrachten. Und letztlich, ich glaube, von einem Tagessatzsystem selbst kommen wir nicht weg, und ich glaube, das ist auch ein sehr praktikables System. Wir müssen uns wie gesagt nur entscheiden, welche Höhe soll es denn letztlich sein. Denn eins ist sicher: Egal, was wir machen, am Ende ist das eine immer noch ungerecht, egal wie hoch wir auch immer gehen und wie das Ergebnis letztlich der Diskussion aussieht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das stimmt.)

Und eins ist auch sicher, Freiheit ist unbezahlbar.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das stimmt. – Michael Andrejewski, NPD: Ja, deswegen bezahlt ihr auch nicht.)

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Leonhard von der Fraktion der FDP.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist jetzt mittlerweile an den beiden Tagen das vierte Mal, dass wir uns hier uneingeschränkt der Ministerin anschließen können. Ich will aber...

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja, wir haben eine gute Ministerin. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie sind ja im Wartestand hier. Ja, ja.)

Wir sind im Wartestand? Das stellen Sie fest? Das ist doch sehr schön, denke ich mal.

(Michael Roolf, FDP: Opportunistisch.)

Frau Ministerin hat im Wesentlichen ja auch noch mal etwas zum eigentlichen Inhalt der Haftentschädigung gesagt und ich will nur auch in Richtung der Fraktion DIE LINKE noch mal mitgeben: Inhaltlich sind wir völlig bei Ihnen.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Und ich will das ganz kurz belegen, weil wir jetzt einfach die Auffassung vertreten, es ist da, wo es auch hingehört, und das heißt nämlich, sowohl im Bundesjustizministerium als auch bei der Bundestagsfraktion. Und ich zitiere hier aus der „Berliner Zeitung“ vom 16. August 2008: „Unterstützung kommt von der Opposition“. Und mein Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP in der Bundestagsfraktion van Essen nannte eine Entschädi

gung von 11 Euro nicht angemessen: „Eine Anhebung ist dringend geboten. Die Auswirkung auf die Arbeit und die Existenz ist gravierend. Deswegen sollte der Staat bei einem Irrtum nicht knausern.“

Sozusagen wissen wir, dass in dieser Frage gearbeitet wird, und sind der Auffassung, dass es dahin gehört, wo es ist, nämlich im Bundesjustizministerium, und es wird bearbeitet. – Vielen Dank.