Protokoll der Sitzung vom 22.10.2008

Sozusagen wissen wir, dass in dieser Frage gearbeitet wird, und sind der Auffassung, dass es dahin gehört, wo es ist, nämlich im Bundesjustizministerium, und es wird bearbeitet. – Vielen Dank.

(Beifall Abgeordneten der Fraktion der FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und dann kommt es in den Bundesrat.)

Danke schön, Herr Leonhard.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lochner-Borst von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag greift die Fraktion DIE LINKE ein Thema auf, das wie hier von meinen Vorrednern bereits erwähnt wurde, in der Zuständigkeit der Bundesjustizministerin liegt. Und wie Sie, Frau Kollegin Borchardt, selbst da richtigerweise festgestellt haben, läuft dazu momentan eine Länderumfrage ab und die macht bereits sehr deutlich, dass die Justizminister der Länder einer Erhöhung der Haftentschädigung offen gegenüberstehen. An dieser Stelle ist aber zunächst die Bundesjustizministerin gefragt. In dem Moment, wo Frau Zypries ihre Vorstellungen dargelegt hat, können sich die Justizminister der Länder in die Diskussion einschalten.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Die können schon vorher was sagen.)

Die Koalitionsfraktionen sind –

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Manche sagen sogar was.)

und das möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen – natürlich auch offen für eine angemessene Haftentschädigung von Justizopfern. Ihren Antrag werden wir jedoch ablehnen, weil er viel zu offen und unbestimmt gestaltet ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und überhaupt überflüssig.)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Frau Lochner-Borst.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den von vielen hier so verehrten USA gibt es einen Verein ehemaliger Insassen der Todeszelle, die wegen erwiesener Unschuld entlassen werden mussten. Das hundertste Mitglied konnte bereits begrüßt werden. Mindestens genauso hoch dürfte die Anzahl der unschuldig Hingerichteten sein, auch wenn die US-Justiz einen solchen Fall noch nie zugegeben hat.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

So schauerlich diese Zustände auch sind, in einem Punkt sind Justizopfer, sofern sie überleben,

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Dr. Armin Jäger, CDU)

in den USA bessergestellt als hier.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Was für Untaten?

Sie erhalten wenigstens in den USA eine einigermaßen...

Ich habe einmal CDU gewählt, das war meine einzige Untat, muss ich ehrlich sagen.

Sie erhalten wenigstens eine einigermaßen anständige Haftentschädigung in den USA. Hier dagegen – Fehlurteile gibt es nachgewiesenermaßen auch in Deutschland, von einer Dunkelziffer ist auch auszugehen – erfüllt es wohl den Tatbestand der Majestätsbeleidigung an der Justiz, wenn man es wagt, auf seiner Unschuld zu bestehen und diese dann auch noch beweisen zu können. Die Strafe: eine unfassbar schäbige Haftentschädigung, von der tatsächlich noch die Verpflegung abgezogen wird. Ein Wunder, dass nicht auch noch Miete verlangt wird oder vielleicht auch noch die GEZ-Gebühren für den Fernsehraum im Gefängnis.

Was soll ein Strafverteidiger, der ja die Interessen seines Mandanten zu vertreten hat, diesem eigentlich raten, wenn ihm das Gericht zu verstehen gibt, bei einem Geständnis wird die Strafe zur Belohnung zur Bewährung ausgesetzt, während bei Verstocktheit und Uneinsichtigkeit eben zwei Jahre abzusitzen sind. Kommt vor, Geständnisse werden belohnt. Haft ist ja schon schlimm genug, die Trennung von der Familie, der Verlust des Arbeitsplatzes, die öffentliche Missachtung. Wenn der Angeklagte dann aber zusätzlich noch nicht einmal eine Chance sieht, sich nach Offenbarwerden seiner Unschuld eine Existenz neu aufbauen zu können, weil er nach zwei Jahren Haft gleich mit 3.000 Euro nach Hause geht, mit ganzen 3.000 Euro, was soll er dann machen? Zumal diese Haftentschädigungen, das kommt noch hinzu, keineswegs zügig ausgezahlt werden. Das kann sich ewig hinziehen, da wird ganz schön getrödelt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Woher Sie das wissen!)

Die Praxis baut für Justizopfer so viel Druck auf, besser ein falsches Geständnis abzulegen, dass man wirklich ein absoluter Gerechtigkeitsfanatiker sein muss, um das alles auf sich zu nehmen. Maßstab, und alleiniger Maßstab für eine Haftentschädigung muss die zerstörte Existenz sein. Die hat der Staat, der sie durch ein Fehlurteil vernichtet, eben wieder aufzubauen und wieder hinzustellen. Das kann schon mal teuer werden bei einer gut laufenden Arztpraxis, aber da sollte man nicht knauserig sein.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist der ideelle Schaden. – Glocke der Vizepräsidentin)

Und selbst bei einem Arbeitslosen ist das Mindeste ein Durchschnittsjahresgehalt netto pro Jahr und außerdem die Berechnung der Rente, großzügig, die Beschaffung einer Wohnung, die Beschaffung einer Arbeitsstelle. Da soll der Staat mal richtig Wiedergutmachung leisten. Es sind ja auch nicht so viele Fälle, dass ihn das ruinieren würde.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sie reden von Wiedergutmachung? Das ist doch wohl ein Witz. Das ist doch ein Witz, oder?!)

Nachdenken sollte man auch über eine Haftung von Richtern, wenn schlampige oder fehlerhafte Arbeit vorliegt. Aufgrund des Richterprivilegs ist bislang auf diesem Gebiet kaum etwas zu machen und die Maßstäbe für Rechtsbeugung sind sehr hoch. Ob solche feudalen Privilegien noch in die Landschaft passen, darf aber mit Recht bezweifelt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke, Herr Andrejewski.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Argumente, die hier gekommen sind, die hatten wir fast erwartet.

Aber, Frau Ministerin Kuder, ich habe an Sie wirklich noch mal eine Frage. Wenn es denn so ist, dass Sie schon auf dem Weg sind, dann frage ich mich, warum Sie mir das auf meine Kleine Anfrage nicht geantwortet haben, denn ich habe gefragt: „Sollte nach Auffassung der Landes regierung der Entschädigungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen angehoben werden und wenn ja, welchen Betrag hält die Landesregierung für angemessen?“ Daraufhin haben Sie geantwortet: „Die hierüber zwischen dem Bundesministerium und den Landesjustizverwaltungen zu führende Diskussion und der damit verbundene Meinungsbildungsprozess innerhalb der Landesregierung sind noch nicht abgeschlossen, sodass die Landesregierung noch keine Aussagen zur angemessenen Höhe der Haftentschädigung treffen kann.“

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die haben wir doch alle gelesen, die Kleine Anfrage, Frau Borchardt. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Sie sagen, es ist alles auf dem Weg,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist doch selbstverständlich, oder?)

also ist die Entscheidung, inwieweit Sie sich dafür aussprechen und in welcher Höhe aussprechen, noch nicht gefallen.

(Raimund Borrmann, NPD: Bewegung ist alles, das Ziel ist nichts. – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Michael Andrejewski, NPD)

Auf dieser Basis, auf der Basis dieser Kleinen Anfrage haben wir auch gesagt, dann möchten wir das hier debattieren und sagen, wir möchten ein klares Bekenntnis für die Erhöhung der Haftentschädigung. Und ich hätte mir auch vorstellen können...

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das hat sie doch eben abgegeben.)

Lassen Sie mich doch ausreden, auch wenn es noch so spät ist.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber sie hat es doch abgegeben. Sie hat es doch eben abgegeben! – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Lassen Sie mich bitte aussprechen!

... ein klares Bekenntnis oder wir hätten innerhalb des Ausschusses auch mal darüber diskutieren können, was wir denn für angemessen halten können, und zwar auch, um Ihnen Rückendeckung zu geben, innerhalb der Landesregierung beziehungsweise auf Bundesebene auch gemeinsam darüber zu diskutieren.

Ich habe von vornherein gesagt, dass wir die Definition, was angemessen ist, nicht abgeben wollen, wir haben aber gesagt, deutlich in Richtung der Berliner Forderung. Ich glaube, das ist auch in meinen Aussagen deutlich geworden.

Ich möchte Ihnen auch noch an einigen Beispielen verdeutlichen, was denn so innerhalb der Bundesrepublik teilweise als angemessene Entscheidung getroffen wird. So hat das Amtsgericht Osnabrück 1988 bei einer ungerechtfertigten Festnahme durch einen Kaufhaus detektiv von etwa einer Stunde dem Opfer einen Schadenersatz von umgerechnet 130 Euro zugesprochen. Das Landgericht Karlsruhe hat auch im Oktober 2001 umgerechnet gut 250 Euro für einen Tankstellenpächter für angemessen erachtet, der ohne ausreichende Ermächtigungsgrundlage durch einen Polizeibeamten auf das Revier verbracht wurde. Wir reden hier von 35 Minuten Freiheitsentzug. Und da sieht man ja schon, welche Diskrepanz eigentlich innerhalb der Bundesrepublik...

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist Vermögensschaden.)

Ist ja richtig, Herr Dr. Jäger.