Protokoll der Sitzung vom 23.10.2008

3. Mobilitätsverbesserung

4. Gesundheitsvorsorge und -sicherung

5. Armutsbekämpfung

6. Bekämpfung der Diskriminierung

Umgesetzt werden soll diese ehrgeizige Agenda mit einer Mischung unterschiedlicher politischer Instrumente. Diese sind unter anderem Rechtsvorschriften der EU, zum Beispiel Vorschläge über die Bekämpfung von Diskriminierung außerhalb von Arbeit, Beruf, über Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsvorsorge und zur Verbesserung der Funktionsweise Europäischer Betriebsräte, sozialer Dialog. Diese Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern werden aufgerufen, die Möglichkeiten des sozialen Dialogs auf europäischer Ebene voll zu nutzen, Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten, insbesondere verstärkte Zusammenarbeit im Bereich des Sozialschutzes und der sozialen Eingliederung, Vergabe von EU-Finanzmitteln, Mobilisierung der EU-Strukturfonds, die europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung und das Programm „Beschäftigung und Sozialität“.

Im Grundsatz ist die neue Sozialagenda richtig und notwendig, aber sie ist zu umfangreich, als dass sie es zeitnah schafft, die erheblichen Verunsicherungen in weiten Teilen der Bevölkerung aufgrund der aktuellen sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche zu lindern. Die Europäische Union trägt jedoch Mitverantwortung dafür, dass die Menschen sich nicht ausgegrenzt fühlen oder in die Parallelwelten abdriften. Es fängt bereits in der Schule an. Die erschreckend hohe Zahl der Schulabbrecher muss deutlich verringert werden, damit sich die Schere zwischen Qualifizierten und Nichtqualifizierten nicht so weit öffnet. Hier können die EU-Programme zum lebenslangen Lernen zumindest einen erheblichen Mehrwert bringen, der allerdings eng auf die Anforderungen des Berufsfeldes abgestimmt werden sollte. Zudem muss der Schulterschluss mit den kleinen und mittleren Unternehmen gelingen, die das Rückgrat der europäischen Wirtschaft bilden. Diese stellen mit Abstand die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung.

Für nach wie vor problematisch halte ich jedoch die mit der Sozialagenda unmittelbar im Zusammenhang stehenden Antidiskriminierungsrichtlinien. Mit dem neuen Richtlinienvorschlag werden nicht nur neue Regelungsbereiche eingeführt, das Recht wird insgesamt komplizierter, unübersichtlicher und nicht praktikabler. Entgegen der Absicht der Kommission werden damit mehrere Rechtsunsicherheiten und mehr Bürokratie geschaffen. Schon jetzt ist der Text, der Richtlinienvorschlag,

schwammig und unbestimmt. Wann sind Anstrengungen gegen Diskriminierung vertretbar? Wann ist die Grenze zwischen privater und kommerzieller Betätigung überschritten? Bereits das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geht weit über die Regelungsbereiche der EU-Richtlinien hinaus. Der neue Richtlinienentwurf wird erneut zu einer Ausweitung der Antidiskriminierungsregelung im deutschen Recht führen, insbesondere ist wieder ein umfassendes Verbandsklagerecht vorgesehen. Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Probleme ist es wichtig, dass auch wir hier in unserem Land über die sehr umfangreichen Maßnahmen der EU und deren konkrete Auswirkungen informiert sind. Meine Fraktion wird diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke, Herr Grabow.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kuhn von der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die beiden Redebeiträge, einmal vom Antragseinbringer, von Frau Borchardt von der LINKEN, und von der Sozialministerin, noch mal vor sein geistiges Auge führt, kann man feststellen, dass sachlich gesehen viele Themen eine gemeinsame Schnittmenge gehabt haben. Aber wenn Sie die Interpretation und auch die Tendenzen, die hier von Frau Borchardt und Frau Schwesig dargestellt worden sind, miteinander vergleichen, sind die wirklich diametral anders.

Nach Frau Borchardts Interpretation der Sozial agenda könnte man denken, dass es in Europa, was die Arbeits- und Lebensbedingungen betrifft, rapide bergab geht, dass sie da tatsächlich in der Gesundheitsversorgung, in der Bildung riesengroße Lücken haben und die Tendenzen weiter nach unten gehen. Wenn das alles so wäre, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssten wir doch eigentlich verzeichnen, dass wir von den 27 Nationalstaaten, die sich in der Europäischen Union vereinigt haben, Austrittsgesuche reihenweise hätten, weil diese Lebens- und Arbeitsbedingungen und die Wirtschaftsbedingungen in Europa katastrophal wären. Nichts von dem können wir verzeichnen.

(Udo Pastörs, NPD: Wir können ja noch zahlen. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Wir haben immer mehr Gesuche, dass die Europäische Union erweitert werden soll,

(Udo Pastörs, NPD: Ja, weil die was haben wollen. Das ist doch logisch!)

denken Sie an Kroatien, denken Sie an viele europäische Staaten,

(Raimund Borrmann, NPD: Madagaskar haben Sie vergessen, Israel, Syrien.)

die sagen, jawohl, wir möchten gerne nicht nur in dieser Wertegemeinschaft,

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig, Wertegemeinschaft.)

nicht nur in dieser Wirtschaftsgemeinschaft, sondern auch in diesem Sozialraum Europa eine gemeinsame Heimat finden.

(Udo Pastörs, NPD: Geld finden.)

Und wenn es dann wirklich hart auf hart kommt

(Udo Pastörs, NPD: Fördergelder finden.)

und sie in schwierige wirtschaftliche und Finanzsituationen kommen,

(Raimund Borrmann, NPD: Das sind wir doch schon! Da sind wir doch schon!)

dann können sich sogar Inselstaaten, meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Island darauf besinnen, dass es doch vielleicht besser ist, wenn man eine große Gemeinschaft hat,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ja. – Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

die in schwierigen Situationen Hilfe geben kann. Und das ist genau die Diktion, die wir brauchen, um Europa verstehen zu können.

Herr Heydorn hat das tatsächlich ganz realistisch dargestellt und gesagt, das war letztendlich auch eine Situation,

(Zuruf von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE)

dass Sie sagen, oh, die erweiterte Sozialagenda, das ist ein Thema, das müssen wir unbedingt hier noch mal in das Parlament bringen. Wenn wir uns darauf besonnen und gesagt hätten, das ist eigentlich ein Arbeitsthema für unseren Ausschuss – der Kollege Müller würde das gern aufnehmen, zumal er mit Frau Borchardt da,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Na, na! Keine Unterstellungen! – Jörg Vierkant, CDU: Das wollen wir jetzt aber wissen!)

wollen mal sagen, mit der Opposition und im Ausschuss, ganz besondere Dinge pflegt –, wir das auf die Tagesordnung genommen hätten, nur als kleine Randbemerkung, und das sicher auch vernünftig diskutiert hätten. Jetzt mit einer solchen Richtlinie, wie wir sie im Prinzip haben, schon ganz genau unterfüttern zu wollen, was denn eigentlich dort innerhalb der Europäischen Union mit der erweiterten Sozialagenda beabsichtigt wird,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber die Kommission wird sich doch etwas dabei gedacht haben. Sie wollen doch Europapolitiker werden. Das verstehe ich jetzt nicht.)

einfach nur Kaffeesatzleserei zu machen und Tendenzen zu beschreiben, die wirklich nicht realistisch sind, dagegen wollen wir uns verwahren.

Ich will nur einige Zahlen noch mal mit anbringen, wenn es darum geht, den Anteil der Sozialausgaben in den Mitgliedsstaaten am Bruttoinlandsprodukt zu charakterisieren. Das haben Sie diesbezüglich nicht so klar herausgestellt. Die Europäische Union gibt 26 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Sozialausgaben aus, dagegen die Vereinigten Staaten 15 Prozent, Japan 17 Prozent, auch hoch entwickelte Wirtschaftsräume. Ich glaube, mit diesen Zahlen können wir uns sehen lassen, auch vor dem Hintergrund, welche großen Aufgaben wir schultern mussten mit der EU-Osterweiterung und den dortigen Verhältnissen, die wir mit hineingenommen haben.

Und Sie von der LINKEN haben – ich sage – in den 70er- und 80er-Jahren ein Gegenmodell entworfen gegenüber der EWG, das Sie dann mit dem RGW Dinge dargestellt haben.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nun bleiben Sie mal ganz ruhig! – Irene Müller, DIE LINKE: Wie bitte? – Raimund Borrmann, NPD: Das ist schon 1917 entworfen worden.)

Ihnen sind die Leute von der Fahne gegangen. Und die sind jetzt in der Heimat Europa,

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

in unserer Europäischen Union.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE Sie sind wohl gerade rübergeschwommen in diese Republik? – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Ihre Vorstellungen diesbezüglich sind zusammengebrochen. Brüssel bleibt unsere Hauptstadt und Moskau wird es niemals werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

Meine Damen und Herren, wir setzen …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Diese Rede halten Sie mal im EU-Parlament!)

Ich bitte um Ruhe. Wir sind bei der Sitzung.

Es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Köster von der NPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion für die weltweite Menschenbeglückung wünscht nun also, dass die Landesregierung den Landtag über die wesentlichen Inhalte der von den EUKommissaren vorgelegten erneuerten Sozialagenda unterrichtet. Den weiteren Text des Antrages sowie die Begründung kennen Sie hier im Hause ja alle. Doch – und diese Frage muss einfach einmal gestellt werden – warum nimmt sich die Fraktion der LINKEN hier im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern nicht einfach die Unterrichtung durch die Bundesregierung zur Hand und prüft diese auch, inwieweit Mecklenburg-Vorpommern betroffen ist?

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Weil wir ein föderalistischer Staat sind. Haben Sie das denn immer noch nicht begriffen?)