Protokoll der Sitzung vom 17.12.2008

Gründe für oder Einwände gegen das BKA-Gesetz kann man viele haben, denn Vorhersagen sind schwierig, ganz besonders über Bedrohungen durch einen tatsächlichen oder vermeintlichen Terrorismus. Sicherheitsgesetze beruhen auf Gefahrenszenarien, also wesentlich auf Annahmen, und im Grunde könnte man ewig über die Kompetenzerweiterungen des Bundeskriminalamtes diskutieren. Die Frage ist nicht allein fachlich und sachlich entscheidbar, sie kann letztlich nur durch politische Entscheidungen beantwortet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau an dieser Stelle hat die hiesige Große Koalition sowohl der politischen Diskussion in unserem Land als auch dem Ansehen unseres Landes einen Bärendienst erwiesen. Und wenn sich die Vertreter der CDU erst jetzt mit unserem Änderungsantrag beschäftigen, spricht das Bände für die Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit diesem Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Für den Kollegen Glawe, den Träger der Goldenen Kleingartennadel, war eine Dringlichkeit …

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie sind ja nur neidisch.)

Nein, nein. Ich habe schon die Goldene Tomate gekriegt, viel eher, vor Ihnen.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Für den Kollegen Glawe war eine Dringlichkeit des vorliegenden Antrages deshalb nicht gegeben, Herr Dr. Jäger, da im Bundesrat eine Mehrheit, wie er sagte, nicht abzusehen sei und eine Annahme des BKA-Gesetzentwurfes im Bundesrat, wie Herr Glawe sagte, ausgeschlossen scheine.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, wohl wahr. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, verantwortungsvolle Landespolitik sieht für mich anders aus als das hilflose Hoffen auf politische Entscheidungen anderer Bundesländer.

Aber der Kollege Glawe hat in seinem Kurzauftritt die Hosen noch ein Stückchen weiter runtergelassen – das jetzt nur symbolisch, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Dr. Armin Jäger, CDU, und Vincent Kokert, CDU: Ja, ja, ja.)

Der Dringlichkeitsantrag, so Herr Glawe, übe Druck aus auf den Vermittlungsausschuss und das gehöre sich nicht.

(Vincent Kokert, CDU: Genau.)

Ja, das ist ja wohl der Gipfel, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Und schließlich, so der Kollege Glawe, müsse die IMK, also die Innenministerkonferenz, frei sein in ihren Überlegungen. Wozu brauchen wir dann eigentlich noch Landesparlamente, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Mit dieser Position, Herr Glawe und liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, sind wir beim zentralen Knackpunkt des BKA-Gesetzes. Diese CDU-Position ist gerade kein Beitrag zu einer sinnvollen Entflechtung von Bundes- und Länderkompetenzen. Diese Position, die IMK frei schalten und walten lassen zu wollen, leistet dem Föderalismus keinen Vorschub, indem zunehmend von Ministerkonferenzen und Fachbruderschaften, aber nicht mehr von Parlamenten der Föderalismus gestaltet wird, Stichwort Exekutivföderalismus, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Wir sollten den deutschen Bundesstaat also nicht nur in Sonntagsreden hoch loben, sondern selbst bei Kurzinterventionen wie der Begründung eines Dringlichkeitsantrages wirksam werden lassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Antrag und dem Änderungsantrag meiner Fraktion, den Sie nun hoffentlich alle gelesen haben, obwohl er seit heute früh vorliegt, fordern wir die Landesregierung auf, kurz gesagt, dem Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt im Bundesrat nicht zuzustimmen.

Zum einen positioniert sich der Landtag auf der Grundlage des Änderungsantrages dahin gehend, dass selbst konsensuale Abänderungen beziehungsweise Nachbesserungen im Vermittlungsausschuss von heute das Ziel verfehlen,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Was ist mit der Terroristenbekämpfung?)

ein verfassungskonformes Gesetz zu verabschieden.

Ich komme in der Diskussion darauf zurück.

Nach den Maßstäben der Verfassungskonformität sowie der Grundrechtssicherung ist das vorliegende BKAGesetz nicht heilbar.

Zum anderen aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, signalisiert der Landtag bei Zustimmung zu unserem Antrag, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht wieder stillschweigend auf den Sieg der Vernunft in anderen Bundesländern hofft.

Und schließlich lehnt Mecklenburg-Vorpommern bei Zustimmung zu unserem Antrag es auch ab, die Grenzen des Grundrechtsschutzes bewusst zu überschreiten, um anschließend gespannt auf Reaktionen aus Karlsruhe zu warten. Die politische Verantwortung eines Landtages sieht anders aus.

Meine Damen und Herren, die Änderung des BKAGesetzes, welche auf die Föderalismusreform von 2005 zurückgeht, soll dem BKA politische Befugnisse bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus verschaffen. Erstmals in seiner Geschichte, Herr Kokert, erhält das BKA eine Kompetenz zur Gefahrenabwehr.

(Vincent Kokert, CDU: Jawohl.)

Der Behörde würden damit vom Platzverweis bis zur heimlichen Wohnraumüberwachung alle Rechte zugestanden,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wollen Sie erst die Straftaten geschehen lassen? Was soll das?)

die in den Polizeigesetzen der Länder den jeweiligen Landesbehörden zu Gebote stehen, Herr Dr. Jäger.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Udo Pastörs, NPD)

Alles nur halb so schlimm, so jedenfalls der Bundesinnenminister und zahlreiche seiner Landeskollegen.

Andererseits, meine sehr verehrten Damen und Herren, hört und liest man von einem „schwarzen Tag für die Bürgerrechte“, von einem „Panoptikum der Überwachung“, von einem „erneuten Tabubruch“ oder einem „Sammelsurium der Grausamkeiten“.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, das hatten wir schon mal.)

Jedes dieser Zitate, Herr Dr. Jäger,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

lässt sich im Übrigen konkret mit einer der im Bundestag vertretenen Parteien verbinden, mit Ausnahme der CDU.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir sind für den Schutz der Bürger, nicht für die Überwachung der Bürger.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der springende Punkt sind dabei nicht allein die neuen Befugnisse, Stichwort Onlinedurchsuchung und andere Grundrechtseingriffe. Hierauf komme ich auch in der Diskussion zurück. Nein, weil künftig das BKA als geheimdienstliche Behörde bundesweit gegen jedermann agieren kann, erhalten die Kompetenzen der Landespolizeigesetze eine völlig neue Qualität. Das BKA erhält mit dieser Bündelung von zusätzlichen Befugnissen endgültig eine Sonderstellung im Sicherheitsgefüge der Bundrepublik.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das BKA, das bisher als Datensammelstelle fungiert und nur im Auftrag der Bundesanwaltschaft ermitteln darf, wird mit der BKA-Gesetzesnovelle zu einer gigantischen Polizei des Bundes aufgebaut und, wem das besser gefällt, vielleicht zu einer Art deutschem FBI.

(Vincent Kokert, CDU: Da haben Sie sich inhaltlich nicht richtig mit beschäftigt. – Zurufe von Raimund Borrmann, NPD, und Udo Pastörs, NPD)

Dieser Konstruktion aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, so das kaum strittige Ergebnis der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages, wird die vorgesehene parlamentarische Kontrolle nicht im Ansatz gerecht. Die Kritiken bei der Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages – Herr Dr. Jäger, die sollten Sie vielleicht einmal lesen –

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. Im Gegensatz zu Ihnen verstehe ich das sogar.)

zum vorliegenden Gesetzentwurf waren mehr als deutlich.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Innenminister! Es ist schon beunruhigend, mit welcher Leichfüßigkeit die neuen BKA-Zuständigkeiten seitens einiger CDU-Landesinnenminister begrüßt werden. Trotz langwieriger Abstimmungsprozesse in der Innenministerkonferenz bestehen weiterhin unklare Abgrenzungen in

den Zuständigkeiten zwischen BKA und den Länderpolizeien. Angesichts dessen, Herr Innenminister, dass eine Definition für den internationalen Terrorismus im Gesetz fehlt, kann das BKA künftig nach Belieben durchgreifen. Die Polizei ist dann nicht mehr Ländersache, die Polizei wird tendenziell Bundessache.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, hierzu gehört dann abschließend auch, dass der Bundesinnenminister im Rahmen der BKA-Debatte für seinen Gesetzentwurf kein selbstkritisches Wort findet, aber dafür genau in diesem Zusammenhang bereit ist, Artikel 52 Grundgesetz zur Disposition zu stellen. Auch hierzu sollte MecklenburgVorpommern klar und deutlich Nein sagen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)