Protokoll der Sitzung vom 17.12.2008

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Ich habe bewusst jetzt nicht aufgezählt, wen ich alles einlade, denn dann hätte ich wieder sagen müssen, die demokratischen Fraktionen sind natürlich gerne willkommen zu solchen Gesprächen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Deswegen.)

Aber da liegt es an mir, wen ich einlade. Das wollte ich jetzt aber nicht unbedingt so thematisieren.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Meine Damen und Herren, viele ältere Menschen sind auf den ÖPNV angewiesen und wir tragen diesen veränderten Anforderungen Rechnung. Bei Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr sind stets Neufahrzeuge gefordert, die über Niederflurbereiche verfügen. Die bestellten Angebote – im Regelfall im Einstundentakt, nur in sehr dünn besiedelten ländlichen Bereichen auch im Zweistundentakt – gewährleisten letztendlich die Mobilität älterer Mitbürger auch dann, wenn sie nicht mehr über einen eigenen Pkw verfügen beziehungsweise diesen nicht mehr fahren können.

Im Öffentlichen Personennahverkehr, für den die Landkreise und die kreisfreien Städte zuständig sind, werden Infrastrukturmaßnahmen und Infrastrukturinvestitionen nur noch dann vom Land gefördert, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit genügen.

(Ute Schildt, SPD: Das ist richtig.)

Auch bei Fahrzeugneubeschaffungen gilt dieser Grundsatz. Busbeschaffungen zum Beispiel in den Stadt

verkehren werden von uns nur dann gefördert, wenn Niederflurbereiche vorhanden sind. Und vom Land geförderte Linienbusse im ländlichen Raum sind barriere frei zugänglich. Und damit komme ich weg von den gemachten Schularbeiten in den Bereichen Raumordnung, barriere freies Wohnen und ÖPNV hin zu den freiwilligen Aufgaben, die aus meiner Sicht aber nicht minder wichtig sind.

Das Bundesverkehrsministerium fördert Modellvorhaben im Bereich demografischer Wandel, und dabei war beziehungsweise ist Mecklenburg-Vorpommern mit mehreren Vorhaben vertreten. Zwei davon will ich kurz benennen.

Beim Modellvorhaben „Regionalplanerische Handlungsansätze zur Gewährleistung der öffentlichen Daseinsvorsorge“ in der Region Mecklenburgische Seenplatte ging es unter anderem darum, eine ÖPNV-Konzeption zu entwickeln. Die besondere Problemlage dort lässt sich mit den Schlagwörtern extrem dünne Besiedlung mit nur wenigen starken Zentren, starker Einbruch der Schülerzahlen und starke Zunahme des Anteils älterer, gegebenenfalls immobiler Menschen im ländlichen Raum beschreiben. Ergebnis war ein Gutachten, das von den Kreistagen aller Landkreise der Region und von der Stadtverordnetenversammlung Neubrandenburg als Basis für einen gemeinsamen regionalen Nahverkehrsplan beschlossen wurde. Dieser Plan wird derzeit erarbeitet und ich verspreche mir durch die gemeinsame Vorgehensweise der vier Gebietskörperschaften neben Qualitätsverbesserungen für die Bürger auch Einsparungen bei der öffentlichen Hand.

Ein zweites Beispiel: Beim Modellvorhaben „Demografischer Wandel – Region schafft Zukunft“ in der Region Stettiner Haff geht es um die Perspektiven durch eine Mobilisierung der Menschen vor Ort. Die Landkreise Ostvorpommern und Uecker-Randow haben gemeinsam mit zahlreichen Gemeinden, Institutionen, Verbänden, Vereinen, Unternehmen und Bürgern Projekte entwickelt, mit denen auf den demografischen Wandel reagiert werden soll. Unter anderem wird zurzeit in Eggesin ein Gemeinschaftszentrum als generationenübergreifende Begegnungsstätte gebaut. Eggesin will sich sozusagen als Stadt für die dritte Generation profilieren und wird in diesem Gebäude eine Zeitbank, vor allem auch für die älteren Mitbürger, etablieren. Dieses Zeitbankkonzept sieht zum Beispiel vor, dass die Bürger Leistungen für andere erbringen, die aber eben nicht in Euro, sondern durch Zeitguthaben vergütet werden. So kann zum Beispiel der gehbehinderte ältere Bürger Kinderbetreuungsaufgaben wahrnehmen, die er vergütet bekommt, indem ihm beschwerliche Einkäufe abgenommen werden. Die Förderung von solchen Modellvorhaben im Bereich demografischer Wandel ist – und darauf könnten wir, wenn wir denn wollen, wirklich stolz sein – so erfolgreich, dass das Bundesministerium sie ab nächstem Jahr modellhaft auf Westdeutschland ausweiten will. Also von dem Guten, was wir hier gemacht haben, soll der Westen lernen. Ich denke, darauf kann man ruhig ein bisschen stolz sein.

Meine Damen und Herren, die Bevölkerungsentwicklung können wir nicht von heute auf morgen ändern. Das ist uns, denke ich, allen klar. Aber wir können uns an diese Situation anpassen und sehr selbstbewusst und offensiv damit umgehen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Lück. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erstaunlich, dass immer wieder Anträge dieser Güte den Landtag erreichen.

(Jörg Heydorn, SPD: Was soll das heißen? – Peter Ritter, DIE LINKE: Das sieht Herr Heydorn aber nicht so.)

In meiner Fraktion wäre ein so destruktiver Antrag bereits am Votum des Arbeitskreises gescheitert.

(Vincent Kokert, CDU: Oha!)

Ja, ja.

(Heinz Müller, SPD: Das liegt am Arbeitskreis. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Nach zwei Jahren gemeinsamer Regierung sind SPD- und CDU-Fraktion schon bei Begrüßungsanträgen gelandet und so etwas kam bisher doch immer nur zum Ende der Legislatur vor.

(Ute Schildt, SPD: Das stimmt auch nicht. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Deshalb kann ich nur mein Erstaunen zum Ausdruck bringen. Heißt das, Sie sind mit Ihrer gemeinsamen Kunst schon am Ende? Entsprechende Drohungen konnten wir ja auch unlängst in der Presse verfolgen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Also, Kolleginnen und Kollegen, der demografische Wandel ist in der Tat ein wichtiges Thema.

(Jörg Heydorn, SPD: Aha!)

Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen. Ich denke, da sind wir uns auch einig.

Ihr Antrag tut so, Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, als wenn bei uns im Land schon alles Notwendige angeschoben wäre.

(Vincent Kokert, CDU: Sie beneiden uns nur um das Thema, Frau Schildt!)

Das ist mitnichten so, sage ich. Wir stehen allenfalls an der Startlinie. Wir wissen nicht einmal genau, wie weit das Ziel entfernt ist.

(Michael Andrejewski, NPD: Tja.)

Winston Churchill hat einmal gesagt, ich zitiere: „Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.“ Wie wahr.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Allerdings, soweit die Prognosen die Alterung der Menschen hierzulande betreffen, sind sie einigermaßen verlässlich, denn die alten Menschen von morgen sind ja heute schon geboren. Aktuelles Datenmaterial, wie die „4. Landesprognose zur Bevölkerungsentwicklung“ in unserem Land bis 2030 sowie die Bevölkerungsprognose für unser Land auf Kreisebene bis zum Jahr 2030 vom Rostocker Zentrum zur Erforschung des Demografischen Wandels und Weiteres liegt uns ja allen vor. Auch das Statistische Bundesamt berechnete, dass sich im Jahre 2050 die Zahl der 75-Jährigen verdoppelt haben wird.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Hört, hört!)

Allein die Wortwahl in Ihrem Antrag zeigt mir, dass die Problematik einer alternden Gesellschaft noch nicht in Ihren Köpfen angekommen ist. Ich kenne kein Gesetz, in dem das Wort „behindertengerecht“ vorkommt, wie Sie in der Begründung behaupten. Ich kenne nur Gesetze und Normen, die Barrierefreiheit definieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Auch der Begriff „altenfreundlich“ lässt viel Raum für unterschiedliche Auslegungen. Was genau verstehen Sie darunter? Ich würde mir wünschen, dass sich endlich auch bei Ihnen der Begriff „barrierefrei“ durchsetzt. Ich verweise auf die einschlägigen Normen, die vom Deutschen Institut für Normung veröffentlicht werden. Diese DIN-Normen geben Empfehlungen für die Planung barriere freier Verkehrs- und Grünflächen, öffentlich zugänglicher Gebäude und Arbeitsstätten, Wohnungen und Wohnungen für Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen. Erst mit Einführung dieser technischen Regeln durch die oberste Baubehörde des Landes, also dem Ministerium für Verkehr, Bau und Landesentwicklung, werden diese Empfehlungen für alle am Bau Beteiligten zur verbindlichen Baubestimmung.

(Egbert Liskow, CDU: Und was machen wir mit dem Denkmalschutz? – Irene Müller, DIE LINKE: Der hat Vorrang, das hat er schon immer gehabt.)

Auch unser Land hat Teile der Normen als technische Baubestimmungen im Zusammenhang mit der Landesbauordnung ja eingeführt. Wenn wir also über zukunftsfähige Wohn-, Lebens- und Arbeitswelten reden, kommen wir an diesen Normen zur Barrierefreiheit nicht vorbei. Ich meine, dass sich unsere Landesregierung im Interesse aller Menschen, der alten und der jungen, an diese Empfehlungen halten muss. So tut die Landesregierung dann auch gut daran zu überprüfen, ob die Förderrichtlinien des Landes für den Städtebau und die Wohnraumförderung die Forderung zur Beachtung der Normen beinhaltet. Ich meine, jede Wohnung, die mit Fördermitteln neu gebaut werden soll, muss eine barrierefreie Wohnung sein.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Beispielsweise eignet sich die DIN 18025 Teil 2 als Planungsgrundlage grundsätzlich für alle Wohnungen

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Genau.)

und damit natürlich auch für jedermann. Im Unterschied zu einer Wohnung für Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen enthält sie weniger Anforderungen, beispielsweise in Bezug auf Bewegungsflächen.

Städtebauliche Maßnahmen wie die Neugestaltung von Verkehrsflächen, Plätzen oder Grünflächen müssen Barrierefreiheit sicherstellen. Menschen mit Behinderung, alte Menschen oder Personen mit Kleinkindern müssen diese Anlagen ohne fremde Hilfe und ohne Einschränkungen nutzen können. Deshalb muss die Einhaltung der DIN 18024 Teil 1 Förderbedingung sein. Jeder Euro öffentlicher Förderung im Bereich Verkehr und Bau darf nur mit der Bedingung „Barrierefreiheit“ bewilligt werden. Und die Einhaltung dieser Bedingung muss nachgewiesen werden. Ich hoffe, Sie haben meinen Appell verstanden.

(Beifall bei Abgeordneten der Faktion DIE LINKE)

Ich möchte die SPD daran erinnern, dass Ihr damaliger Wirtschaftsminister und – Kollege Heydorn, Sie werden mir sicherlich recht geben – auch Sie zu denen gehörten, die damals, als wir darüber diskutiert haben, den Bezug zur Barrierefreiheit hätten aufnehmen können.