Protokoll der Sitzung vom 04.03.2009

Das geltende Naturschutzrecht in Mecklenburg-Vorpommern hat keine klaren Prioritäten zugunsten des Naturschutzes festgelegt. Im Gegenteil, jede Naturschädigung kann auf das gegenwärtige Naturschutzrecht gestützt werden. Verheerend ist es, wenn ökonomisches Denken und wirtschaftliches Handeln so verstanden werden kann, dass es die eigentlichen Schutzzwecke des Gesetzes ausschaltet. Die kurzsichtige Stärkung der Wirtschaft wird bei den Grundsätzen von Landesplanung und Raumordnung an die erste Stelle gerückt, während Schutz, Pflege und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen erst an vierter Stelle gefunden werden.

Eine weitere Forderung besteht darin, dass derartige Großprojekte den neuesten und höchsten technischen Standards genügen müssen, die wirtschaftlich noch vertretbar sind. Nur so kann verhindert werden, dass Mecklenburg-Vorpommern ein Tummelplatz für Unternehmer wird, die Produktionsanlagen mit veralteter Technik und fossilen Technologien auch in sensiblen Naturschutzgebieten errichten. Es kann doch nicht sein, dass in unserem Land Projekte verwirklicht werden, die in anderen Staaten nicht zulässig wären oder in anderen Bundesländern keine Genehmigung erhielten. Für die Beseitigung dieser Fehlentwicklung ist der Landtag als gesetzgebendes Organ zuständig. Unser Parlament hat auch dafür zu sorgen, dass die Folgen falscher Gutachten nicht zulasten der Bürger oder des Landes gehen. Hierbei ist zu beachten, dass Genehmigungen quasi mit einer Ewigkeitsgarantie ausgestattet werden. Sind die technischen Anlagen, zum Beispiel die eines Großkraftwerks erst einmal errichtet, sind kaum noch staatliche Mittel für Einschränkungen und Aufhebungen anwendbar oder mit Milliarden Euro Entschädigung verbunden. Zumindest bei Großprojekten muss der Betreiber das volle unternehmerische Risiko tragen, das nicht nur der wirtschaftlichen Profitabilität, sondern auch der Schadenfolgehaftung anheimkommt.

(Vizepräsident Hans Kreher übernimmt den Vorsitz.)

Dies gilt umso mehr, wenn er sein Projekt aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen in einem für den Naturschutz relevanten Areal errichten will. Der Gesetzgeber hat auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips dafür zu sorgen, dass das Risiko von nachteiligen Eingriffen in die Abläufe der Natur allein vom Unternehmer getragen wird, denn er hat aus freien Stücken die Initiative ergriffen und ist nicht zwangsverpflichtet worden.

Dass das Land Mecklenburg-Vorpommern von einer Ansiedlung technisch veralteter Anlagen betroffen werden kann, zeigt der Fall des bei Lubmin beantragten Steinkohlekraftwerks der dänischen Firma Dong Energy. Es soll ohne Kraftwärmekopplung errichtet werden und wird deshalb nur einen Wirkungsgrad von circa 45 Prozent haben. In Dänemark wäre es nicht genehmigungsfähig. Die Gesetzeslage des Landes erlaubt bei Aussicht auf neue Arbeitsplätze eine Rechtfertigung für das Bauen im Naturschutzgebiet. In diesen Gesetzen sind also Trojaner-Regelungen eingestellt, die genau das Schutzgut, um dessen Willen das Gesetz erlassen und angewendet wird, seines Schutzes berauben, wenn sich jemand auf wirtschaftliche Ausnahmeprivilegien beruft. So werden Gesetze mit Scheinschutzzwecken und Scheinregelungsbereichen geschaffen, deren Etikett abfällt, sobald ein außerhalb des Gesetzes stehender Zweck angezeigt wird.

Welche Lösungen schlagen wir vor?

Erstens. Unser Gesetzentwurf verschärft die Zulassungskriterien für Großprojekte und deren Bau. Dadurch werden elementare Ziele der anzuwendenden Regelungen und damit der Zweck der vor allen Dingen den Naturschutz betreffenden Gesetze nicht mehr in das Gegenteil verkehrt.

Zweitens. Wir nutzen die Gesetzgebungshoheit der Länder für den Naturschutz, um die Risiken, die Prognosen und die Gutachten in sich bergen, den Betreibern von Groß- und Energieanlagen aufzuerlegen. Er trägt damit nicht nur das betriebswirtschaftliche Risiko, sondern auch die volkswirtschaftliche Verantwortung für die freie Entfaltung seiner unternehmerischen Subjektivität. Dabei betonen wir, dass es sich nicht um eine zivilrechtliche Haftung, sondern um eine Risikoverlagerung im Bereich der verwaltungsrechtlichen Seite von Genehmigungen handelt.

Drittens. Das Gesetz kann auch als Lösungsgrundlage für die widerstreitenden Landes- und Unternehmerinteressen beim derzeitigen Genehmigungsverfahren Steinkohlekraftwerk Lubmin Anwendung finden, ohne es rückwirkend in Kraft zu setzen. Wir halten die Überweisung der Gesetzentwürfe in die entsprechenden Ausschüsse für geboten und beantragen hiermit die Überweisung der Entwürfe in den Umwelt- und Agrarausschuss, den Wirtschaftsausschuss und den Rechtsausschuss. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke, Herr Borrmann.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

(Stefan Köster, NPD: Widerspruch, 60 Minuten! – Raimund Frank Borrmann, NPD: Das ist zwar Theorie, aber trotzdem. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Von 60 Minuten vereinbart. Dann nehme ich das jetzt erst einmal so hin. Ist das von Ihnen jetzt so beantragt worden? Dann nehme ich das so hin. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das eben anders gedacht. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Heinz Müller von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist Teil des Rechtsstaates der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Rechtsstaat und in diesem Bundesland gibt es ein umfassendes Rechtssystem, ein Rechtssystem, das auch die Gebiete der Landesplanung und des Natur- und Umweltschutzes regelt. Einen rechtsfreien Raum, der Behörden hier Willkür ermöglicht, so, wie es in der Begründung des Antrags der NPD zu lesen ist, gibt es nicht.

Selbstverständlich, meine Damen und Herren, ist es legitim, das bestehende rechtliche System und die bestehenden rechtlichen Regelungen in der einen oder anderen Richtung für ergänzungs-, überarbeitungs- und insgesamt veränderungswürdig zu halten. Dies ist ständig Teil dessen, was Parlamente und was der Deutsche Bundestag tun, was auch dieser Landtag tut, und zwar sich über solche Fragen zu unterhalten. Ich glaube aber nicht, dass das, was die NPD uns hier vorlegt, geeignet ist, uns in solchen Diskussionen auch nur einen Nanometer vorwärtszubringen.

Und, meine Herren von der NPD, wenn man in seiner Fraktion einen Rechtsgelehrten hat, der doch über eine ausgesprochen langfristige juristische Ausbildung verfügt, dann frage ich mich, ob man wirklich glaubt, Recht zu setzen, was ja halbwegs präzise sein muss, mit Sätzen wie, ich darf zitieren aus Ihrem Paragraf 2a des Landesplanungsgesetzes Absatz 1 Satz 1: „Die wirtschaftlichen Belange dürfen vor allem bei Großprojekten nicht so betont werden, dass wichtige Belange des Naturschutzes vernachlässigt werden.“

(Jörg Heydorn, SPD: Lyrik! Lyrik!)

Meine Damen und Herren, wenn wir in diesem Stil versuchen, Recht zu setzen und Recht zu definieren, dann werden wir allerdings Interpretationswillkür erst hervorrufen, die wir im Moment nicht haben. Ich glaube aber auch nicht, dass es der NPD tatsächlich ernsthaft darum geht, hier ein Gesetz am Ende im Gesetz- und Verordnungsblatt Mecklenburg-Vorpommern veröffentlicht zu haben. Ich glaube, die Intention ist durchsichtig und sie ist eine ganz andere.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Wir alle – wir, die demokratischen Fraktionen – haben alle schon einmal in unterschiedlicher Weise die Erfahrung gemacht, dass die NPD versucht, ein Thema, das von den Demokraten dieses Hauses politisch besetzt wird, wo wir versuchen, initiativ zu werden, wo wir versuchen, Veränderungen herbeizuführen, von der NPD besetzt wird, die dann sozusagen versucht, uns auf unserem eigenen inhaltlichen Feld zu überholen. Das mag ja noch legitim sein. Hier allerdings versuchen Sie sozusagen die Grünen, die zwar hier in diesem Hause nicht vertreten sind, aber sehr wohl im Deutschen Bundestag vertreten sind,

(Udo Pastörs, NPD: Gott sei Dank nicht! – Stefan Köster, NPD: Wir sind die Heimatpartei. – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

zu überholen und ein grünes Thema zu besetzen. Sie machen sich stark für Umweltschutz und Sie machen sich stark für den Naturschutz. Allerdings, was Sie darunter verstehen, das haben wir hier mehrfach gehört, das ist, glaube ich, ein Begriff von Naturschutz und von Umweltschutz, der eher deutschtümelnd ist, als dass er ins 21. Jahrhundert passt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Deswegen sprechen Sie von Heimatschutz.)

Aber, meine Damen und Herren, was mindestens genauso interessant ist – und da empfehle ich Ihnen, nicht nur Herrn Borrmann zuzuhören, sondern auch den Gesetzentwurf der NPD zu lesen –, ist eine gewisse Tonart, von Großprojekten zu sprechen, von wirtschaftlichen Interessen zu sprechen, die plötzlich die Lebensinteressen des deutschen Volkes, oder wie auch immer Sie so was formulieren würden, hier zu überlagern drohen.

Meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Text nehmen, dann finden Sie in diesem Text sehr deutlich Anknüpfungen an die verbale Kapitalismuskritik, wie wir sie bei Rechtsextremisten auch in der Vergangenheit hatten.

(Udo Pastörs, NPD: Gehen Sie doch mal ein auf den Entwurf, Herr Müller!)

Sie können das gerne bei der NSDAP oder SA nachlesen,

(Udo Pastörs, NPD: Sie laufen wieder weg.)

die immer versucht haben,

(Udo Pastörs, NPD: Sie laufen wieder weg, Herr Müller.)

mit verbaler Kapitalismuskritik Dummenfängerei zu betreiben und Leute hinter sich zu scharen,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

ohne eine solche Kritik jemals ernst zu meinen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Udo Pastörs, NPD: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

Meine Herren von der NPD …

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Also, Herr Pastörs, dass ich mit Ihnen ein Bier trinke, ich glaube, so alt werden weder Sie noch ich. So alt wird kein Affenbaum und der wird 5.000 Jahre alt.

(Stefan Köster, NPD: Sie sind immer wieder trickreich.)

Nein, meine Damen und Herren, was hier passiert, ist,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

dass die NPD sich zur Abwechslung mal ein grünes und ein antikapitalistisches Gewand anzieht, um auf Dummenfang zu gehen.

(Udo Pastörs, NPD: Ach, das haben wir laufend.)

Ich glaube, nein, ich bin sicher, niemand in diesem Hause wird auf diesen Bauernfängertrick hereinfallen und Ihnen auf diesem Pfade folgen.

(Udo Pastörs, NPD: Warum gehen Sie denn nicht konkret auf die Vorschläge ein, die da gemacht worden sind?)

Wir sind sehr wohl der Auffassung, meine Damen und Herren, dass man sich den Argumentationen, die mit einer ökologischen Grundüberzeugung vorgetragen werden, sehr wohl stellen muss. Ich glaube, wir tun das, weil man solche Argumente sehr ernst nehmen muss. Aber dabei geht es auch um eine ernstzunehmende Diskussion mit den politischen Grünen, aber es geht nicht darum, der NPD auf den Leim zu gehen. Braun bleibt braun! Und damit wissen wir, dass es Ihnen nicht um eine

ernsthafte Auseinandersetzung geht, sondern darum, hier etwas vorzutäuschen, was gar nicht da ist.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Deswegen, meine Damen und Herren, lehnen wir Ihren Antrag und auch die Überweisung in die Ausschüsse ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)