Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

An der versuchsweise und zeitlich bis Ende 2010 befristeten Einführung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen, insbesondere im Handwerk, hat sich Deutschland nicht beteiligt. Da es sich hierbei um lokale Dienstleistungsbranchen handelt, wurde hier kein Bedarf gesehen. Als Begründung wurde angeführt, dass die Steuerausfälle in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen ständen.

Kommen wir zur besonderen Wettbewerbslage des Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern. Meine Damen und Herren, es ist, denke ich, unstrittig – und wir werden ja auch morgen darüber zu reden haben –, dass der Tourismus für unser Bundesland ein bedeutender Wirtschaftszweig für die wirtschaftliche Entwicklung ist. Das

Beherbergungsgewerbe als Hauptsäule der Tourismuswirtschaft stellt in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Deutschland insgesamt einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar: circa rund 2,8 Millionen Arbeitsplätze. Als Konsumbranche ist das gesamte Tourismusgewerbe in erheblichem Maße von der konjunkturellen Situation abhängig. Das Beherbergungsgewerbe in Deutschland ist dabei stark umsatzsteuerbedingten Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ausgesetzt.

Wie bereits festgestellt wenden bei den umsetzenden Gaststätten 11 und bei den Hotelumsätzen 22 der 27 Mitgliedsstaaten den ermäßigten Steuersatz an, darunter viele deutsche Anrainerstaaten. Im Tourismusgewerbe ist der Umsatzsteuersatz ein Element der Preisgestaltung, sodass die Anwendung des Regelsteuersatzes zu einem im europäischen Vergleich höheren Preisniveau und insoweit zu einem preislichen Wettbewerbsnachteil führt, zumal die Einführung des Euros zu einer höheren Preistransparenz geführt hat.

Eine besondere Situation, meine Damen und Herren, haben wir gerade in der Tourismusdestination östliche Ostseeküste. Durch den Beitritt Polens zur EU hat sich die Wettbewerbssituation für Mecklenburg-Vorpommern vor allem im östlichen Landesteil, Reisegebiet Usedom, verändert. Hier konkurriert Polen mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungs- und Restaurantdienstleistungen von jeweils 7 Prozent mit dem deutschen Steuersatz von jeweils 19 Prozent.

(Egbert Liskow, CDU: Also mit Qualitätsausgleichen.)

Insofern, meine Damen und Herren, spricht tatsächlich vieles für einen ermäßigten Steuersatz, zum Beispiel die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Anrainerstaaten. Und, meine Damen und Herren, der ermäßigte Mehrwertsteuersatz könnte erhebliche Spielräume bei den Preisen schaffen und für mehr Nachfrage, mehr Beschäftigung und mehr Wachstum im Tourismus sorgen, wenn er in vollem Umfange weitergegeben wird.

Nach Aussage des Bundesverbandes des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA könnten 70.000 neue Arbeitsplätze in Hotelerie und Gastronomie entstehen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Dies wird auch unterstützt durch eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung der Universität Mannheim aus dem Jahre 2003.

Fazit also, meine Damen und Herren: Aus Sicht des Landes Mecklenburg-Vorpommern gibt es gute Gründe, den ermäßigten Steuersatz für Beherbergungsgewerbe einzuführen.

(Egbert Liskow, CDU: Da sind wir dafür.)

Mecklenburg-Vorpommern hat sich in den letzten Jahren vor allem durch den Ausbau der touristischen Infrastruktur und die Verbreitung des touristischen Angebotes Wettbewerbschancen erarbeiten können. Der ermäßigte Steuersatz würde die Wettbewerbsposition der Unternehmen weiter verbessern. Eine weitere Frage ist sicherlich der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf Gaststättenleistung oder auch auf arbeitsintensive Dienstleistungen im Handwerksbereich, welcher genauso geprüft werden sollte.

Wir dürfen also, meine Damen und Herren, zusammengefasst feststellen, dass es durchaus die Notwendigkeit gibt, sich in Deutschland dieser Frage der Ermäßigung von Mehrwertsteuersätzen zu stellen, um damit gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, neue Arbeitsplätze zu schaffen

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

und den Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Deutschland insgesamt entsprechende Rahmenbedingungen zu ermöglichen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der CDU und FDP – Michael Roolf, FDP: Das sind liberale Forderungen. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Insofern, meine Damen und Herren, begrüßen wir ausdrücklich die Einigung der EU-Finanzminister, eine Reduzierung der Mehrwertsteuer für bestimmte Dienstleistungen zuzulassen. Einige Mehrwertsteuersätze sollten also aus Sicht unseres Bundeslandes, aber auch aus deutscher Sicht insgesamt geprüft werden. Das muss sicherlich komplex erfolgen, das muss haushaltsneutral erfolgen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Und genau diese Fragen – sowohl das Begrüßen dieser Entscheidung der EU-Finanzminister als auch die komplexe Prüfung des bestehenden Steuerrechts – finden Sie so im Änderungsantrag der Koalitionäre wieder, den wir ergänzend zum Antrag der Fraktion DIE LINKE vorgelegt haben. Wir würden Sie bitten, meine Damen und Herren, unserem Änderungsantrag zuzustimmen. – Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Egbert Liskow, CDU: Das machen wir gerne.)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Reese. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Kollegen von der Fraktion DIE LINKE! Die Forderung nach ermäßigten Steuersätzen im Bereich des Hotel- und Gaststättenwesens ist kein neuer Hut. Auf Bundesebene, also dort, wo über die Höhe der Mehrwertsteuer entschieden wird, hatte insbesondere die FDP auch zusammen mit CDU/CSU bereits mehrere Initiativen diesbezüglich in den Bundestag eingebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Leider scheint die Umsetzung allerdings bis heute unmöglich.

(Michael Roolf, FDP: Wegen der SPD.)

Noch immer blockiert das SPD-geführte Bundesfinanzministerium

(Michael Roolf, FDP: Genau so.)

die Umsetzung dieser Forderung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: Genau so.)

Durch die am 10. März von den EU-Finanzministern erzielte Einigung über die Möglichkeit,

(Egbert Liskow, CDU: Immer die Finanzminister.)

geringere Mehrwertsteuersätze unter anderem für bestimmte arbeitsintensive Dienstleistungen zu definieren, ist wieder etwas Bewegung in die Diskussion gekommen. Meine Fraktion begrüßt diese Einigung ausdrücklich.

Dem ersten Punkt Ihres Antrages, meine Damen und Herren von den LINKEN, werden wir deshalb auch vorbehaltlos zustimmen. Es ist begrüßenswert, dass der Bundesfinanzminister seine jahrelange Blockadehaltung aufgegeben hat und so endlich eine Einigung zwischen den EU-Mitgliedsstaaten möglich gemacht hat.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Trotzdem wird der deutsche Mittelstand, wie so oft in der Vergangenheit, nach den Äußerungen des Bundesfinanzministers wieder einmal leer ausgehen. In unseren Nachbarstaaten können zwar Anbieter arbeitsintensiver Dienstleistungen mit verminderten Steuersätzen kalkulieren, unser Bundesfinanzminister weigert sich jedoch, die gegebenen Möglichkeiten zu nutzen und damit der Wirtschaftskrise entgegenzuwirken.

(Michael Roolf, FDP: Der muss weg. Steinbrück muss weg.)

Die Schlagzeile „Steinbrück spielt nicht mit“ aus der „Frankfurter Rundschau“ vom 11. März gibt die Situation exakt wieder. Unbeeindruckt vom Engagement seiner Amtskollegen beharrt der Bundesfinanzminister auf seiner ideologisch fixierten Haltung. Der bisher zu diesem Thema geführte Koalitionsstreit könnte uns ja eigentlich egal sein, aber letztendlich verschließt dieser Streit der deutschen Wirtschaft und der Binnennachfrage eine bedeutende Chance.

(Michael Roolf, FDP: Richtig.)

Der Bundesfinanzminister stimmt zu, dass in anderen Ländern die Möglichkeiten der Verbesserung der Wettbewerbssituation ausgeschöpft werden können.

(Michael Roolf, FDP: Aber in Deutschland nicht.)

Was die Wettbewerbssituation der eigenen kleinen und mittelständischen Betriebe anbelangt, steht er aber auf der Bremse und hat somit aktiv Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft billigend in Kauf genommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Reinhard Dankert, SPD: Ich glaube, wir haben erst mal andere Probleme zu lösen. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Wir begrüßen ausdrücklich die Ambitionen der Union in dieser Frage. Es darf allerdings nicht weiterhin nur bei ergebnislosen Ankündigungen bleiben. An die Adresse der CDU gewandt: Es müssen auch Taten folgen. Leider, so muss ich an dieser Stelle sagen, hat die CDU scheinbar wieder nicht die Kraft,

(Michael Roolf, FDP: Ja.)

sich gegenüber dem kleineren Koalitionspartner durchzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Doch zurück zum Antrag. Im zweiten Punkt des Antrags fordern die Kollegen von den LINKEN,

(Reinhard Dankert, SPD: Frau Merkel schließt doch selbst die Steuersenkung aus. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

dass sich die Landesregierung auf Bundesebene für die Einführung ermäßigter Mehrwertsteuersätze einsetzen soll.