Protokoll der Sitzung vom 01.04.2009

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD)

und deswegen sollte, ja, in der Tat, Herr Pastörs, die abgesenkte,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Mehrwertsteuer auch dazu führen, dass wir eine Offensive starten können für mehr Reparaturfreundlichkeit, was nicht nur ökologisch vernünftig ist,

(Udo Pastörs, NPD: Lassen Sie doch die Schuhe in China! Das ist auch ökologisch verwerflich.)

sondern tatsächlich auch das Handwerk in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. Das hat eine nachhaltige Wirkung und Reparaturleistungen können aus ihrem Nischendasein herausgeholt werden.

Wie immer und anlässlich der ITB, der Internationalen Tourismusbörse, wir haben ja auch darüber gesprochen, geht es um das Hotel- und Gaststättengewerbe. Wir werden morgen noch darüber sprechen, dass insbesondere auch für diese Branche eine geringere Mehrwertsteuer zur Anwendung kommt. Es ist ein Dauerbrenner – nicht nur in der politischen Diskussion, sondern auch in der fachlichen Diskussion –, welche Mehrwertsteuer denn für Serviceleistungen nun in Anwendung gebracht werden kann.

Sollte es über diesen Antrag und andere Aktivitäten gelingen, auch in diesem Gewerbe sieben Prozent Mehrwertsteuer zur Anwendung zu bringen, dann würden wir diese Branche stärken und nachhaltig stärken. Das könnte ein guter Beitrag des Landes MecklenburgVorpommern sein, um eine tragende Säule der Wirtschaft hier zu unterstützen. Und wir würden selbstverständlich auch im europäischen Kontext unsere Gaststätten-, unsere Hotelbetreiber in dem Wettbewerb mit den anderen Unternehmen in den europäischen Staaten stärken, denn immerhin sieben Prozent würden sich in die durchschnittlichen Mehrwertsteuersätze einreihen, die in den anderen Ländern in der Gastronomie gelten. Das sind immerhin drei bis zehn Prozent.

Und darüber hinaus, meine Damen und Herren, geht es darum, auch in den Zeiten der Krise, der Rezession Unternehmen zu unterstützen. Wir würden mit der abgesenkten Mehrwertsteuer tatsächlich dazu beitragen, diese Unternehmen zu stabilisieren, sie zu stärken, gerade die kleinen zu stärken. Und nicht zuletzt ist es auch ein Beitrag gegen die Schwarzarbeit in unserem Land.

Wir, meine Damen und Herren, halten es für notwendig, dass die Landesregierung ihren Einfluss auf der Bundesebene dahin gehend geltend macht und darauf drängt, dass von dieser durch die EU-Finanzminister geschaf

fenen Möglichkeit, die Mehrwertsteuer zu reduzieren, tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Es ist ein Gebot der Stunde und ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Als Erste hat ums Wort gebeten die Finanzministerin des Landes Frau Polzin. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Holter, Sie merken, denke ich, sowohl an den Formulierungen im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen wie auch an meinem Stehen hier zu diesem Thema, das für Sie vielleicht ein bisschen überraschend ist, dass wir das ganze Thema Umsatzsteuer ein bisschen übergreifend sehen als ausschließlich unter dem einen Blickwinkel. Das hat unter anderem auch etwas damit zu tun, dass jede Medaille zwei Seiten hat, auf die andere guck ich jetzt gleich noch mal mit Verlaub. Und das hat auch etwas damit zu tun, dass wir zum Thema Umsatzsteuer noch ein anderes Thema im Landtag behandeln werden, nämlich morgen Abend. Insofern scheint es mir dringend geboten, hier mal so ein bisschen den Überblick insgesamt über a) sehr nachvollziehbare Wünsche, aber b) auch den Gesamtkontext zu ziehen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Aber wir folgen doch nur den EU-Finanzministern. Und da gehört doch Herr Steinbrück dazu, ne?)

Sehr wohl, das tun Sie. Sie merken ja auch, dass wir nicht so richtig auf Krawall gebürstet sind, aber nichtsdestotrotz muss dabei auch immer noch der Blick bleiben, der sagt: „Ja, aber.“ Das möchte ich jetzt gerne auch mal tun.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, aber seien Sie doch mal revolutionär! – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Ich beginne mit einem Fakt, den niemand gern hört, der aber nichtsdestotrotz wahr ist. 176 Milliarden Euro wurden im Jahr 2008 an Umsatzsteuer in Deutschland gezahlt. Damit ist diese Steuer noch vor der Lohnsteuer die wichtigste Einnahmequelle für den Staatshaushalt, also sozusagen das Herzstück des deutschen Steuersystems. Jede Änderung an dieser Steuerart kommt dabei einer Operation am offenen Herzen gleich, denn es geht ziemlich schnell um Milliardenbeträge. Bei aller Berechtigung der Ziele, die im Einzelnen für eine Senkung der Umsatzsteuer auf bestimmte Produkte und Dienstleistungen sprechen mögen, muss ich als Finanzministerin dennoch vor isolierten Einzelmaßnahmen warnen. Die Diskussion um den Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes ist dabei so alt wie die Steuerermäßigung selbst.

Seit dem 01.01.1968 enthält das Umsatzsteuergesetz der Bundesrepublik einen ermäßigten Steuersatz. Der Gesetzgeber hatte damals die verschiedensten Zielrich

tungen im Blick, die von der Berücksichtigung sozialer Belange über die Förderung von Kultur und Bildung bis hin zur Stärkung der Land- und Forstwirtschaft reichten. Der Anwendungsbereich der Steuerermäßigung wurde nach Gattungsbegriffen abgegrenzt und an die Vorschriften des Zolltarifrechts gebunden, um Abgrenzungsschwierigkeiten zu lösen. Dies führte zu einer Liste von teils seltsam anmutenden Anwendungsbereichen. Mägen von Hausrindern finden sich neben Zichorienpflanzen, Pfropfreisern, Heilwasser oder Sammlungsstücken von münzkundlichem Wert.

Diese Systematik macht das Gewähren und Versagen des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nicht immer leicht nachvollziehbar. Die Anwendungsbereiche gehen wie schon gesagt im Wesentlichen auf das Jahr 1968 zurück. Nur wenige Ermäßigungstatbestände dienen dabei der steuerlichen Schonung des Existenzminimums. Eine Vielzahl der Regelungen hat dagegen ausgesprochenen Subventionscharakter. Veränderte Bedürfnisse der Bevölkerung sowie gewandelte wirtschaftliche Gegebenheiten lassen viele Vergünstigungen als überkommen erscheinen. Andere Bereiche wiederum kommen als potenzielle Kandidaten für einen ermäßigten Steuersatz hinzu.

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass auch ich es für notwendig erachte, die Anwendungsbereiche der ermäßigten Umsatzsteuer zu reformieren. In diesem Zusammenhang darf ich daran erinnern, dass sich die Landesregierung sowohl unter Ministerpräsident Ringstorff als auch unter Ministerpräsident Sellering für die Absenkung der Mehrwertsteuer im Beherbergungsgewerbe und in der Gastronomie starkgemacht hat. Auch eine Absenkung bei Arzneimitteln, wie es in einem weiteren Antrag gefordert wird, muss sicherlich ernsthaft geprüft werden.

Ich warne aber ausdrücklich davor, im Vorwege einer notwendigen Grundsatzlösung einzelne Regelungen zu treffen, die möglicherweise eine spätere Gesamtlösung sogar behindern könnten. Und ich halte es für dringend geboten, eine solche Gesamtreform kostenneutral durchzuführen. So würde beispielsweise eine isolierte Reduzierung der Umsatzsteuer für das Beherbergungsgewerbe und die Gastronomie Steuermindereinnahmen von rund 3,8 Milliarden Euro bedeuten. Für unser Land sind das immerhin noch 34 Millionen, Geld, das wir irgendwo einsparen müssten, was wiederum anderen Bereichen in unserem Land schaden könnte. Und Kostenneutralität bedeutet natürlich auch, dass für bestimmte Produkte die Ermäßigung aufgehoben werden muss.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist aber nur im System der Mehrwertsteuer selbst.)

So ist es fraglich, ob eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Schnittblumen oder Katzenfutter heute noch zeitgemäß ist.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Katzenfutter. – Zuruf von Dr. Marianne Linke, DIE LINKE – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wie Sie sehen, ist eine Reform der Umsatzbesteuerung mit Bedacht und großer Vorsicht vorzunehmen. Die Faustformel „weniger Umsatzsteuer gleich geringere Endverbraucherpreise gleich höhere Nachfrage gleich mehr Beschäftigung“ mag zwar in der Theorie überzeugen, in der Praxis wurden aber durchaus ganz andere Beobachtungen gemacht.

Und ich nenne nur mal ein Beispiel, das wir auch erleben: In unserer Tourismusbranche können wir immer noch davon ausgehen, wir wissen es sehr genau, dass dort keine üppigen Löhne gezahlt werden, im Gegenteil, teilweise noch unterstützende Staatsleistung passiert. Dann müssten im Umkehrschluss die Preise in Mecklenburg-Vorpommern auch wesentlich unter denen anderer Bundesländer liegen.

(Vincent Kokert, CDU: Theoretisch wäre das so.)

Aber das wissen Sie doch wohl genau, dass genau das nicht passiert, dass das keine kausale Kette ist. Und genauso kann man es durchaus infrage stellen, wenn wir das mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz so durchbekommen. Ein Automatismus ist es mit Sicherheit nicht. Da wird es dann auch anderer Hebel bedürfen. Dass das beim Endverbraucher ankommt und beim Arbeitnehmer, das finde ich auch noch ganz interessant in diesem Zusammenhang.

(Vincent Kokert, CDU: Sehr richtig.)

So ist zum Beispiel überhaupt nicht abzusichern, dass es keine hohen Mitnahmeeffekte und Gewinnmaximierung geben kann, indem eben eine Reduzierung nicht an die Kunden weitergegeben wird. Die Erfahrungen anderer EU-Mitgliedsstaaten im Bereich der arbeitsintensiven Dienstleistungen belegen diese Befürchtungen ebenfalls. Weiterhin ist zu bedenken, dass eine Ausweitung der Ermäßigungstatbestände zu einer Erhöhung des Verwaltungsaufwandes in Unternehmen und bei Behörden führen kann, insbesondere was Fragen der Abgrenzung zwischen den Warengruppen betrifft.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Reform der Umsatzbesteuerung sollte daher nur umfassend und mit Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen durchgeführt werden. Sichere Steuerausfälle in Milliardenhöhe dürfen nicht ausschließlich durch höchst unsichere Beschäftigungszuwächse unter Inkaufnahme von Mitnahmeeffekten kompensiert werden. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke schön, Frau Ministerin.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Löttge. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es ist ja immer interessant, in Deutschland übers Steuerrecht zu diskutieren, und vielleicht, ehe wir denn zum konkreten Antrag kommen, nur einige ganz wenige allgemeine Bemerkungen.

Ich glaube, es wäre in Deutschland ganz einfach sinnvoll und notwendig, grundsätzlich Steuerrecht zu vereinfachen, transparenter zu machen. Ich denke, dass wir damit auch durchaus günstige Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen könnten, dass wir solide Grundlagen für die Planung in den öffentlichen Haushalten schaffen könnten und, wie gesagt, vieles für unsere Menschen in Deutschland überschaubarer gestalten könnten. Ich würde mir wünschen, dass eine solche komplexe Steuerreform in Deutschland mal irgendwann möglich wird, aber ich glaube, meine Damen und Herren, einfach, gerecht, …

(Michael Roolf, FDP: Einfach, niedrig und gerecht.)

… transparent. Aber, meine Damen und Herren, das ist ein frommer Wunsch, der sich wahrscheinlich so vor der Bundestagswahl nicht mehr erfüllen wird.

Nun aber, meine Damen und Herren, zum konkreten Antrag. Ich denke, der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist vom Grunde her ausdrücklich zu begrüßen. Tatsächlich, lieber Kollege Holter, ist es ja wirklich bei dem Thema so, was lange währt, wird gut. Und wir haben jetzt zu verzeichnen, dass sich die EU-Finanzminister am 10.03.2009 nach langjähriger Diskussion, nach jahrelangem Streit endlich darauf verständigt haben, dass den Mitgliedsstaaten in einigen lokalen Dienstleistungsbranchen eine ermäßigte Mehrwertsteuer erlaubt wird. Mit der jetzt getroffenen Entscheidung wird das zeitlich begrenzte Experiment für arbeitsintensive Dienstleistungen beendet und als dauerhafte Maßnahme für alle Mitgliedsstaaten geöffnet.

Herr Holter hat es schon aufgezählt, welche arbeitsintensiven Dienstleistungen zukünftig diesen ermäßigten Mehrwertsteuersätzen unterliegen sollen. Erfreulich ist, dass neben einer Vielzahl von arbeitsintensiven Dienstleistungen auch das Gaststättengewerbe mit aufgenommen wurde,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

nämlich, meine Damen und Herren, in diesem Bereich waren bisher keine ermäßigten Steuersätze zugelassen.

Wie stellt sich nun konkret die Situation in Deutschland dar? Die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent ist EU-rechtlich bei Beherbergung bisher bereits schon möglich, wurde aber in Deutschland aus fiskalischen Gründen heraus nicht genutzt. Damit unterliegen deutsche Beherbergungsstätten dem vollen Steuersatz von 19 Prozent, während 22 der 27 Mitgliedsstaaten einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Dabei beträgt der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen in den EU-Anrainerstaaten Deutschlands mit Ausnahme von Dänemark zwischen 3 und 10 Prozent, zum Beispiel in Luxemburg 3 Prozent, in Tschechien 9 Prozent, in Frankreich 5,5 Prozent, in den Niederlanden 6 Prozent, in Polen 7 Prozent und in Österreich 10 Prozent.

Bei Restaurantdienstleistungen war es Deutschland bisher EU-rechtlich untersagt, einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, während derzeit in 11 Mitgliedsstaaten Altregelungen galten, der ermäßigte Steuersatz also angewendet wurde. Dazu zählen auch einige EU-Anrainerstaaten Deutschlands – zum Beispiel Luxemburg mit 3 Prozent, Niederlande mit 6 Prozent, Polen mit 7 Prozent und Österreich mit 10 Prozent.

An der versuchsweise und zeitlich bis Ende 2010 befristeten Einführung ermäßigter Mehrwertsteuersätze auf arbeitsintensive Dienstleistungen, insbesondere im Handwerk, hat sich Deutschland nicht beteiligt. Da es sich hierbei um lokale Dienstleistungsbranchen handelt, wurde hier kein Bedarf gesehen. Als Begründung wurde angeführt, dass die Steuerausfälle in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Nutzen ständen.