Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Danke schön, Frau Reese.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Tegtmeier. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Sehr geehrte Frau Lück! Sie haben heute Morgen, als wir über den Antrag „Folgen der Krise für den Arbeitsmarkt wirksam begegnen“ sprachen, unter anderem darüber gesprochen, dass neben anderem auch die soziale Infrastruktur für Sie ganz im Vordergrund steht, und nannten zur Erfüllung eines kleinen Teils Ihres Antrags eine Summe von 12 Millionen Euro, die dafür nötig wäre. Da ging es um die Aufstockung der Beträge für den Kommu

nal-Kombi. Nun hören wir im Zusammenhang mit dem Antrag „Wohnungswirtschaft von den Altschulden entlasten“ vom Minister eine Altschuldenbetragssumme, die allein bei dem Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen noch zu verbuchen ist, von 350 Millionen Euro, also ganz erhebliche Beträge. Ihr Antrag selbst sagt natürlich nicht aus, inwieweit solche Summen getilgt werden müssten, um an den Programmen wirkungsvoll teilnehmen zu können. Das lässt er leider offen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ich spreche aber noch zur Diskussion.)

Also eine Hausnummer hat man in dem Zusammenhang nun leider nicht.

Der Minister, aber auch Herr Liskow haben eben schon die wesentlichen Begründungen, die ich wiederholen könnte, wenn ich denn wollte, die zur Ablehnung Ihres Antrages führen werden, hier benannt. Der Minister selbst sagte ja, dass er seinerzeit auch wohnungspolitischer Sprecher unserer Fraktion war.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aber Punkt 1 hat er zugestimmt.)

Zu einer anderen Auffassung werde ich nicht kommen können.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Das ist aber schade.)

Ich möchte jedoch trotz alledem noch ein bisschen auf den hier schon viel zitierten Antrag eingehen, „Programm ,Stadtumbau Ost‘ – Fortsetzung eines Erfolgsprogramms“, der im Deutschen Bundestag eingebracht worden ist. Dieser Antrag besteht zunächst einmal aus vier großen Blöcken. Einmal ist dort beschrieben, wie erfolgreich dieses Programm gewesen ist, und auch, warum es so erfolgreich gewesen ist, weil dieses Programm ja auch als lernendes Programm in die Welt gesetzt wurde und es angeblich sehr flexibel reagiert haben soll. So jedenfalls steht es in diesem Gesamtantrag. Aber das Wichtigste ist natürlich, was da unter Punkt III steht: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf“. Sie selbst haben davon ja schon einige Punkte zitiert. Der Minister hat das auch getan, vor allen Dingen natürlich, was die Fortsetzung des Programms angeht.

Wie der finanzielle Förderrahmen auszustatten ist, ist hier schon gesagt worden, aber auch etwas zur Härtefallregelung. Jedoch diese Aufforderung an die Bundesregierung erschöpft sich nicht nur darin, sondern geht auch darüber hinaus und gibt Empfehlungen beziehungsweise Prüfaufträge, die über den Rahmen des Programms hinausgehen. Zum Beispiel ist hier angesprochen worden, dass mit den Finanzministerien der Länder steuerliche Probleme behoben werden sollen. Oder aber auch: Es ist zu prüfen, ob und wie der Bund dazu beitragen kann, über neue Finanzierungsinstrumente privates Kapital zu mobilisieren. Auch solche Dinge sind hier drin. Also wenn man sich die ganzen Inhalte genau anschaut, steckt hier unglaublich viel Potenzial drin, und ich gehe davon aus, da der Wille allseits da ist, dieses erfolgreiche Programm fortzuführen, dass man auch zu befriedigenden Lösungen zu diesen Prüfaufträgen kommen wird.

Ich teile aber auch nicht die Befürchtung, sondern die Einschätzung unseres Ministers und meiner Vorredner, dass die vorgeschlagenen kurzfristigen Maßnahmen auf Landesebene für uns als Land zurzeit einfach nicht leist

bar sind, wenn man im Hinterkopf allein diese „Fehlbeträge“ – ich nenne das mal in Anführungszeichen – von 350 Millionen Euro hat. Deswegen, liebe Frau Lück, werden auch wir Ihren Antrag leider ablehnen,

(Regine Lück, DIE LINKE: Schade, schade! – Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wieso „leider“? Das war doch aus Überzeugung.)

obwohl Sie natürlich hier geschickterweise die Formulierung aus unserer Koalitionsvereinbarung eins zu eins mit reingenommen haben. Das ist nicht schlecht. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Frau Abgeordnete.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Andrejewski. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für eine Oppositionspartei ist es schon bemerkenswert, in welcher Weise die LINKE sich die schönfärbende Tarnsprache der Landesregierung zu eigen macht. Dem Antrag müsste man eigentlich eine Fassung beilegen, die in die normale Bürgersprache übersetzt ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Machen Sie mal!)

Zu übersetzen wäre – ich folge Ihrem Befehl – „Rückbau“. Das heißt in der normalen Bürgersprache: abreißen, plattmachen, zerstören, beseitigen. Der Begriff „Rückbau“ erweckt den Eindruck, es handele sich um eine Unterart von Bau, wie Neubau, Trockenbau, Hochbau, Tiefbau oder gar Aufbau. Baut auf! Baut auf!

(Reinhard Dankert, SPD: Sie können auch fast schon wieder abbauen.)

Das ist aber nicht der Fall. Abriss ist das exakte Gegenteil von Bau in jeder Form und sollte daher auch nicht so bezeichnet werden. Man nennt den Tod ja auch nicht Rückleben und eine Niederlage nicht Rücksieg und eine Pleite nicht Rückprofit, obwohl man sich vielleicht damit trösten kann. Man fragt sich immer, wie so etwas wie die jetzige Finanzkrise eigentlich überhaupt passieren konnte, wo doch überall in den Schlüsselpositionen hoch gelehrte Herrschaften sitzen, Professoren, Doktoren, unter anderem deswegen, weil sich diese Herrschaften in einer realitätsfernen beschwichtigenden Kunstsprache eingesponnen haben, die vielleicht auf ihre Modelle passten, ihre Studierzimmer, aber nicht auf die reale Welt. Kein einziges dieser hochklugen Institute hat die Rezession vorhergesehen.

Zu übersetzen in die normale Bürgersprache wäre auch der Begriff „demografischer Wandel“. Das heißt: Bevölkerungsrückgang, Überalterung, Verödung. Und „Stadtumbau Ost“ ist der verharmloste Begriff für bestenfalls Stadtschrumpfung Ost, schlimmstenfalls Städtesterben, Ende der Besiedlung mancher Regionen.

(Zuruf von Regine Lück, DIE LINKE)

Im 12. Jahrhundert begann die sogenannte deutsche Ostsiedlung. Das Gegenteil nennt sich heute „Stadtumbau Ost“ und das nennen Sie auch noch eine Erfolgsgeschichte. Da möchte ich mal Dinge sehen, die Sie als Misserfolge bezeichnen. Da würde man wahrscheinlich

das große Gruseln kriegen. Immerhin – einen Schimmer von Wirklichkeitsnähe gibt es in dem Antrag: Altschulden heißen tatsächlich Altschulden und nicht etwa Rückguthaben oder alternative Finanzsituation.

Soll man den Wohnungsbaugesellschaften nun tatsächlich die Altschulden pauschal erlassen? Das sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Der Antrag vermittelt den Eindruck, als ob alle Wohnungsgesellschaften die reinsten Unschuldslämmer wären, die zu ihren jetzigen Problemen nichts beigetragen hätten. Aber einige haben schon angesichts stattfindender und absehbar sich verstärkender Abwanderungen viele Millionen in die Sanierung von Plattenbauten gesteckt, die sie dann wieder abgerissen haben beziehungsweise noch abreißen wollen. Und das war nicht nur die Schuld übergeordneter Instanzen, eine wahnsinnige Geldverbrennung. Manche führen sogar, wie in Greifswald, im Augenblick Abrissaktionen durch, obwohl es jede Menge Wohnungssuchender gibt. Viele Studenten müssen sich außerhalb der Stadt etwas suchen, weil sie in Greifswald selbst keine bezahlbaren Wohnungen finden. Wohnungsgesellschaften wie so etwas noch zu belohnen, ist abwegig.

Außerdem sollte man sich auch hüten, jetzt in einen Abrissrausch zu geraten, den Sie „Stadtumbau Ost“ nennen. Etwas zu erhalten, ist billiger, als es wieder neu zu bauen, wenn es denn einmal wieder benötigt würde, es sei denn, man hätte jede Hoffnung aufgegeben, dass sich an der rezessiofalen Bevölkerungssituation jemals wieder etwas zum Besseren ändern könnte. Dann soll man das aber auch im Wahlkampf zugeben, dass man die Hoffnung aufgegeben hat. Dann sollte man das Ganze „Kapitulation Ost“ nennen.

Wir enthalten uns der Stimme, weil man nicht pauschal in allen Fällen sagen kann, dass die Altschulden erlassen werden sollten. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Es hat jetzt noch einmal das Wort für die Fraktion DIE LINKE die Abgeordnete Frau Lück. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jede und jeder von uns geht ja unterschiedlich mit Geld um, aber auch mit Schulden.

(Egbert Liskow, CDU: Das stimmt. Das stimmt.)

Manche wollen aufgenommene Kredite schnell wieder tilgen oder nehmen erst gar keine auf, andere leben mit Krediten über Jahrzehnte. Und genau diese Wege gehen auch Unternehmen. Manch ein Unternehmen will Kreditbelastungen schnell wieder abbauen und setzt daher freie Kredite bevorzugt für die Tilgung ein, andere Unternehmen setzen dagegen freie Mittel bevorzugt für Investitionen ein und leben dafür mit hoher Kreditbelastung.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die NPD zum Beispiel.)

Das geschäftliche Gebaren ist einzig und allein Sache der Unternehmen selbst. Allerdings machen dieser unterschiedliche Umgang mit Verbindlichkeiten und auch die Vermischung der Altverbindlichkeiten mit anderen Krediten für Modernisierung und Erneuerung des Bestandes eine Aussage über die tatsächliche Höhe der Altschulden schwierig. Aber klar ist: Jeder Euro Kreditbelastung aus Altschulden bindet finanzielle Mittel der Wohnungsunternehmen. Diese Mittel müssen erst einmal durch Mieteinnahmen erwirtschaftet werden und

diese Mittel stehen nicht für die Bestandspflege oder Investitionen zur Verfügung. Das alles funktioniert nur so lange, bis die Mietausfälle durch Leerstand nicht überhand nehmen.

Kolleginnen und Kollegen, Experten und Politiker/-innen sind sich einig, dass das Programm „Stadtumbau Ost“ nach 2009 weitergeführt werden muss. Der demografische Wandel zwingt dazu, neben der Aufwertung der Wohnquartiere und der Anpassung der Infrastruktur auch weiterhin Wohnraum in Größenordnungen vom Markt nehmen zu müssen. Sie alle wissen, dass einige Regionen viel stärker vom Einwohnerschwund und den sich daraus ergebenden Folgen betroffen sind als andere. Und es gibt sowohl Regionen mit Entwicklungspotenzialen als auch Regionen, die erhebliche Probleme haben.

Nach der aktuellen Statistik sank die Einwohnerzahl im vergangenen Jahr um 11.200 Menschen. Der Verband der Norddeutschen Wohnungsunternehmen geht davon aus, dass in den kommenden zehn Jahren jährlich 5.000 Wohnungen vom Markt genommen werden müssen, das heißt insgesamt 50.000 Wohnungen. Wie sollen das die Wohnungsunternehmen ohne Altschuldenentlastung schultern? Das frage ich Sie.

Für mich und meine Fraktion steht außer Frage: Mit der Entscheidung zur Fortsetzung des Programms „Stadtumbau Ost“ ab 2010 ist gleichzeitig auch die Altschuldenproblematik zu klären. Noch besser wäre natürlich eine generelle Entschuldung von Altlasten. Dann könnten endlich allein städtebauliche Gründe die Stadtentwicklung und auch die Stadterneuerung bestimmen. Denn machen wir uns nichts vor, derzeit ist die wirtschaftliche Stabilisierung der Wohnungsunternehmen oftmals wichtiger als städtebauliche Erwägungen. Und genau das ist der Punkt.

Ich will nicht hoffen, dass Sie, Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, mit einer langfristigen Altschuldenentlastung, wie im Koalitionsvertrag nachzulesen ist, meinen, dass weitere 20 Jahre ins Land gehen können, ehe Handlungsbedarf besteht. Und in diesem Falle hätte dieser Punkt nichts im Koalitionsvertrag für diese Legislatur zu tun und zu suchen. Jetzt müssen wir etwas tun, das sagt ihnen jeder, der etwas von Wohnungswirtschaft versteht. Aber was machen wir, wenn der Bund die neuen Bundesländer weiter im Regen stehen lässt? Entweder wir warten ab und riskieren den Zusammenbruch bewährter Strukturen der Wohnungswirtschaft oder wir bauen vor und handeln. Es bietet sich doch geradezu an, laut über verschiedene Hilfsangebote nachzudenken, wo doch der Entwurf zum Doppelhaushalt 2010/2011 gerade erarbeitet wird.

Warum nicht einen revolvierenden Fonds auflegen? Revolvierend bedeutet, dass der Fonds die Darlehensrückzahlungen zur Ausgabe neuer Darlehen verwendet. Wir haben doch Erfahrungen auf diesem Gebiet bei uns im Land. Und das könnte so aussehen: Das Land stattet diese Fonds einmalig aus und vergibt extrem zinsgünstige Darlehen. Das Land übernimmt damit auslaufende bestehende Kreditverpflichtungen von den Banken. Warum? Die Leitzinsen wurden extrem gesenkt, um die Kredite billiger zu machen und damit die Konjunktur anzukurbeln. Aber wie ist die Realität? Die Banken geben die niedrigen Zinsen nicht an die Kunden weiter, weil sie sich erst einmal selbst sanieren wollen. Außerdem meiden sie jedes Risiko. Wie, so frage ich Sie, soll also ein wirtschaftlich angeschlagenes Wohnungsunternehmen Anschlusskredite für auslaufende Kredite erhalten?

Oder warum nicht eine Pauschale zum Rückbau von Wohnraum als Abgeltung für die Altschulden, ähnlich der Pauschale für die Rückbaukosten? Ich sagte ja schon, dass die Altschulden Bestandteil von normalen Krediten der Wohnungsunternehmen sind. Die tatsächlichen Altschuldenbelastungen festzustellen, ist schwierig und aufwendig. Außerdem würde eine Übernahme der tatsächlichen Kosten die Unternehmen bestrafen, die bereits mit der Tilgung begonnen haben. Mit einer Pauschale von 50 Euro je Quadratmeter abgerissener Wohnfläche könnten die Wohnungsunternehmen ihre darauf noch bestehenden Altverbindlichkeiten ablösen. Verbindlichkeiten, die darüber hinausgehen, so mein Vorschlag, sollten die Unternehmen selbst tragen. Für kommunale Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften mit hohem Leerstand wäre es ein Anreiz, sich von dauerhaft nicht mehr benötigtem Wohnraum zu trennen und sich damit wirtschaftlich zu stabilisieren.

Sie sehen, es gibt durchaus auf Landesebene Möglichkeiten, vorausgesetzt, man will es, und vorausgesetzt, es ist auch politisch gewollt. Nur wirtschaftlich stabile kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen bieten Sicherheit, Wohn- und damit Lebensqualität für ihre Mieter. Sie arbeiten mit sozialem Gewissen. Und Mieter, die sich in ihren vier Wänden und ihrer Umgebung wohlfühlen, ziehen seltener weg, selbst wenn sie dafür weite Wege zur Arbeit in Kauf nehmen müssen. Letztlich kommt es den jeweiligen Kommunen und dem Land zugute. Das Geld ist also gut angelegt. Wohnen ist ein Grundrecht.

Ich bitte Sie nochmals, unserem Antrag zuzustimmen, und schlage getrennte Abstimmung vor. Dabei möchte ich auch gerade auf den Punkt 2 aufmerksam machen, Minister Schlotmann hatte darin so eine Formulierung. Ich möchte es noch mal betonen: Es bezieht sich nicht auf alle Altschulden, sondern wirklich nur auf Altschulden für die abgerissenen Wohnungen. Genau darauf zielt unser Antrag ab. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Lück.