Protokoll der Sitzung vom 02.04.2009

Meine Damen und Herren, ich habe mir die Hälfte meines Skripts gespart, denn dieses Thema hat eine lange, lange Historie und Geschichte. Einige Akteure hier kennen sie von Anfang an, ob ich an den Kollegen Holter denke oder andere Fraktionen. Ich kenne sie zumindest seit 1994. Ich war nämlich auch mal wohnungspolitischer Sprecher meiner Fraktion und das war das erste Thema, mit dem ich konfrontiert worden bin. Deswegen spare ich mir die Aufzeigung der Historie, sondern ich will ganz konkret und knapp und kurz zu dem Antrag kommen und zu dem, was aus meiner Sicht an Problemen beziehungsweise an Vorteilen dahintersteckt.

Die Kollegin Lück hat ja angesprochen, dass es neue Lösungsvorschläge gibt, die sich in der Diskussion befinden. Wir haben einen Entschließungsantrag zum Thema „Programm ,Stadtumbau Ost‘ – Fortsetzung eines Erfolgsprogramms“, der durch die Regierungsfraktionen in den Bundestag am 18. März 2009, also vor knapp 14 Tagen, eingebracht worden ist. Dieser befindet sich jetzt in den Ausschüssen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, das Programm bis zum Jahr 2016 fortzuführen. Ich zitiere:

„… den Einsatz ergänzender Programme bzw. Instrumente als flankierende Maßnahmen zum Stadtumbau Ost zu nutzen bzw. zu prüfen:

ob eine neue Antragstellung ähnlich der Härtefallregelung nach § 6a der Altschuldenhilfeverordnung für eine befristete Zeit erforderlich und finanzierbar ist. Die Wohnungsunternehmen werden sich anderenfalls ohne eine flankierende Altschuldenregelung nur noch sehr eingeschränkt an der Marktbereinigung und damit am Stadtumbau beteiligen können“.

So viel zum Wortlaut dieses Antrages, der im Bundestag ist.

Das zeigt auf der einen Seite, ob man es nun politisch sehen will oder nicht, dass sich die Regierungsfraktionen auch auf Bundesebene dieser Problematik verschrieben haben und sich der damit verbundenen Folgen für die Investitionstätigkeit der Wohnungswirtschaft sehr wohl bewusst sind.

Meine Damen und Herren, es ist zu erwarten – das ist zumindest unsere Einschätzung und das zeigen auch die Gespräche, die ich seit dem 18. März wiederholt zu diesem Thema geführt habe –, dass dieser Entschließungsantrag eine Mehrheit im Bundestag finden wird. Ob es dann nach erfolgter Prüfung durch die Bundesregierung eine besondere Altschuldenregelung geben und wie sie aussehen wird, ist derzeit allerdings zumindest nicht eindeutig vorhersehbar, und es bedarf vieler Gespräche und Diskussionen, auch darauf hinzuwirken, dass so etwas passiert.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund ist zum ersten Punkt des Antrages Folgendes zu sagen:

Erstens. Die Landesregierung hat sich stets, und zwar unabhängig von dem jeweiligen Parteibuch der Mitglieder der Regierungsfraktionen beziehungsweise der Regierung, dafür eingesetzt, dass im Interesse des erforderlichen Stadtumbaus die Altschulden für alle rückgebauten Wohnungen erlassen werden. Wie erwähnt hat sich der Bund bisher einer solchen Lösung zumindest generell verschlossen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Bundesregierung nach der zu erwartenden Beschlussfassung im Bundestag zu der Entschließung der Regierungsfraktionen verhalten wird. Und erst danach stellt sich real die Frage, ob es weitergehender Initiativen im Bundesrat bedarf. Ich schließe für meine Person und für meine Funktion in der Regierung dieses nicht aus und werde versuchen, innerhalb der Regierung dafür zu werben.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sehr gut.)

Was den zweiten Teil dieses Antrages angeht, sollten und müssen wir gemeinsam auch die Folgen im Auge behalten. Die Umsetzung der Forderung, kurzfristige Maßnahmen auf Landesebene einzuleiten, um alle kommunalen Wohnungsbaugesellschaften von ihren Altschulden zu befreien, würde bedeuten, dass das Land die Wohnungswirtschaft mit Haushaltsmitteln ganz oder teilweise von den auf den Gebäudebeständen lastenden Altschulden befreit. Diese Erkenntnis ist mindestens 15 Jahre alt. Derartige Maßnahmen – meine Damen und Herren, ich denke, das muss jeder erkennen, der damit nüchtern umgeht – sind nicht finanzierbar. Zurzeit lasten noch mehr als 350 Millionen Euro Altschulden auf den Wohnungsbeständen, zum Beispiel des VNW. Diese kann das Land nicht allein schultern. Das geht überhaupt nicht.

Und die Kollegin Lück hat es ja auch angesprochen. Ich will das noch mal verstärken mit einer anderen Konsequenz als die Kollegin Lück. Es ist politisch einfach nicht vertretbar, dass wir bei diesem Thema den Bund aus seiner Verantwortung entlassen. Der Bund muss hierfür einstehen. Das geht nicht anders.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig, völlig richtig.)

Meine Damen und Herren, neben der Altschuldenproblematik in diesem Zusammenhang gibt es außerdem weitere Gründe, die auch dazu geführt haben, dass sich das Rückbautempo der Wohnungswirtschaft verlangsamt hat. Ich will hier gar keine Kostenprobleme im Zusammenhang mit Umzügen von Mietern und so weiter aufzählen, aber ich will einen Punkt noch mal ganz kurz ansprechen zum Schluss und dazu lade ich alle demokratischen Fraktionen ernsthaft ein. Ich habe das hier an dieser Stelle schon einmal gesagt.

(Der Abgeordnete Sebastian Ratjen bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Herr Minister, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Ratjen?

Wenn ich fertig bin. Ich habe nur noch einen Satz.

Okay. Ja.

Ich habe das hier schon mal angedeutet oder sogar, glaube ich, deutlich gesagt. Es geht mir um das Problem Abriss. Ich bin zutiefst

der Überzeugung, dass der Totalabriss in diesem Land sozusagen ein Auslaufmodell ist. Das kann man, wenn man übers Land fährt, sehen. Deshalb bin ich dafür, dass wir über das Thema Geschossrückbau und alles, was damit zusammenhängt, ernsthaft diskutieren, wirklich ernsthaft diskutieren, und zwar auch ergebnisoffen. Das heißt also, dass wir hier auch innovative Wege gehen. Geschossrückbau ist teurer als der Totalabriss. Das heißt, man muss auch über die Förderkulisse, die wir an der Stelle zur Verfügung haben, nachdenken. Und ich lade Sie alle ein. Wir werden in Kürze in Eggesin eine große Fachdiskussion zu dem Thema durchführen

(Heinz Müller, SPD: Ein klug gewählter Ort.)

und ich erwarte da Ihre Teilnahme und Ihre Vorschläge, wie man dann mit dem entsprechenden Förderprogramm umgehen kann, um diesem Problem Herr zu werden. Das ist das, was wir auf Landesebene leisten können.

Bitte schön, Herr Ratjen. Der Minister gestattet die Frage.

Danke, Herr Minister.

Ein Teil dieser Altschulden stammt doch aus dem Aufbau Ostberlins zu DDR-Zeiten. Wäre es also nicht einfach eine gerechte Forderung, wenn schon die ostdeutschen Wohnungsgesellschaften diese Schulden auch abtragen müssen, dass ihnen Anteile an Berliner Wohnungsgesellschaften zustehen?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Birgit Schwebs, DIE LINKE: Eine gute Idee. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Also nehmen Sie mir das jetzt mal nicht krumm! Die FDP hier im Lande ist ja nicht die FDP, die man so landläufig kennt,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie nähern sich an.)

aber was Sie da manchmal so an Ideen produzieren, das ist eine Mischung aus staatssozialistischem Liberalismus. Ich komme damit nicht mehr klar.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Raimund Frank Borrmann, NPD: Wie kommen Sie überhaupt klar?)

Ich kann Ihnen diese Frage nicht beantworten. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Liskow. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Schlotmann hat ja schon mal auf wesentliche Fakten hingewiesen. Wir haben am 18.03. einen Gesetzentwurf von CSU, CDU und SPD in den Bundestag eingebracht – nicht wir, sondern die Fraktionen haben ihn eingebracht. Da geht es ganz speziell um die Verlängerung von „Stadtumbau Ost“. Es ist auch eindeutig festgeschrieben worden, dass „Stadtumbau Ost“ eine Erfolgsgeschichte ist

(Zurufe von Toralf Schnur, FDP, und Michael Andrejewski, NPD)

und dass es mindestens bis zum Jahre 2016 fortgeführt werden soll. Es ist so beschlossen. Die Beschlussvorlage ist Ihnen höchstwahrscheinlich auch bekannt mit der Drucksachennummer 16/12284. Wenn Sie die nicht haben, können wir sie Ihnen gern zur Verfügung stellen. Darin wird auch noch mal beschrieben, dass eine Expertenkommission gebildet wird, die aus den wesentlichen Akteuren bestehen soll, die auch noch mal dieses Programm entsprechend unterstützen und sagen soll, wo es die Probleme aus der Vergangenheit heraus gibt, wo man die richtungsweisenden Wege hin richten möchte. Aber es ist nicht bestritten worden, dass dieses Programm wichtig ist und auch weitergeführt werden soll.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist auch gut so.)

Bei den Altschulden gibt es ja die zwei differenzierten Wege, die hier auch schon für die Plattenbauten, die abgerissen werden sollen, aufgeführt worden sind, und dass man dazu eine Entschuldung hinkriegt. Ich denke mal, da sind wir uns hier in Ostdeutschland verhältnismäßig einig. Aber da muss man einfach mal abwarten, was passiert. Und dann geht es ja um die anderen Altschulden, wo wir, wie der Minister schon gesagt hat, einfach wissen müssen, ob sich der Bund daran beteiligt, weil wir es selbst nicht leisten können.

Ich bin auch der Meinung – und das wurde hier schon gesagt –, wir müssen jetzt einfach die Entscheidung aus den Ausschüssen im Bundestag abwarten. Und wenn wir diese dann wissen, dann können wir neu debattieren, um genau unsere Zielrichtungen entsprechend auszurichten und die Beschlüsse so zu fassen, dass wir auch in Berlin wahrgenommen werden und ernsthaft wahrgenommen werden. Wir werden auf jeden Fall diesen Antrag, so, wie er heute dasteht, ablehnen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ach, wir können den schreiben, wie wir wollen, Sie lehnen den immer ab.)

Danke, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP die Abgeordnete Frau Reese. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Nach einer Pressemeldung der Arbeitsgemeinschaft mecklenburgischvorpommerscher Wohnungsunternehmen vom Dezember 2008 werden im Jahr 2030 nur noch 1,45 Millionen Menschen in unserem Land leben und somit noch mal 15 Prozent weniger als heute. Die Wohnungswirtschaft unseres Landes wird also vor immer neue Anforderungen gestellt. Rückbau, Umbau und Neubau sind genau gegeneinander abzuwägen. Auch ich werde an dieser Stelle auf die Aufzählung historischer Fakten verzichten. Das ist im Vorfeld ja ausgiebig geschehen.

Sehr geehrte Kollegin Lück, wenn der Punkt 1 Ihres Antrages auch nur eine gute Abschreibübung des in der Begründung zitierten Punktes aus der Koalitionsvereinbarung ist, so stimmen wir dem inhaltlich zu.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das haben wir ganz bewusst gemacht.)

Im Endergebnis wollen wir, dass alle Altschulden für leer stehenden Wohnraum aus der DDR-Zeit im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes erlassen werden. Der demografische Wandel führt auch weiterhin zu dauerhaftem Leerstand auf dem Wohnungsmarkt. Dies stellt ein immer größer werdendes Problem sowohl für die Gesellschaften als auch für die Trägerkommunen dar. Den Wohnungsunternehmen fehlen die Einnahmen, um die Kreditverbindlichkeiten zu begleichen. Nach Auskunft des Verbandes liegt der Altschuldenanteil in den Gesellschaften im Durchschnitt immer noch bei circa 65 Euro pro Quadratmeter. Das Programm „Stadtumbau Ost“ soll dazu dienen, die Attraktivität ostdeutscher Städte und Gemeinden zu erhöhen. Ziel ist es, den entstandenen Angebotsüberhang zu reduzieren und die Aufwertung des Wohnumfeldes zu erreichen, um die Stadtentwicklung auch im vorhandenen Bestand zu gewährleisten.

Im Jahr 2003 konnten die Wohnungsunternehmen mit einem Leerstand von mehr als 15 Prozent einen Antrag auf Übernahme der Altschulden nach dem Altschuldenhilfegesetz bei Rückbaumaßnahmen an die KfW stellen. Lediglich 27 der 150 in Mecklenburg-Vorpommern tätigen Unternehmen erfüllten zu diesem Zeitpunkt die notwendigen Parameter. Dies führte zu einer erheblichen Verbesserung der Situation dieser 27 Unternehmen. Die anderen 123 Unternehmen blieben von der Entwicklung unberührt. Die Schuldenentlastung des Wohnungsunternehmens führt in der Regel zu einer erheblichen Entlastung, auch auf kommunaler Seite. Einige Kommunen konnten Zuschüsse reduzieren und somit zusätzliche finanzielle Mittel anderweitig verwenden. In anderen Kommunen konnten gewährte Bürgschaften zurückgenommen und mitunter auch höhere Gewinneinnahmen aus der Wohnungsverwaltung erzielt werden. Weiterhin macht eine Teilnahme an dem Programm eine spätere Privatisierung einfacher möglich.

Gerade auch vor dem finanziellen Aspekt für die Kommunen sehen wir das Programm „Stadtumbau Ost“ als überaus erfolgreich an. Es gibt im Wohnungsbau noch immer Anpassungsbedarf an die demografische Entwicklung und das wird auch so bleiben. Deshalb sehen wir es als wichtig an, dass das Programm weitergeführt und den Wohnungsunternehmen durch Altschuldenhilfen die Teilnahme an dem Programm weiter ermöglicht wird. Um den baulichen Bedarf und den dafür notwendigen Mitteleinsatz genau zu erörtern und mit realistischen Zahlen in die Haushaltsberatungen zu gehen, können wir Ihrem Antrag aber nicht vorbehaltlos zustimmen, sondern beantragen die Überweisung in den Verkehrs- und in den Finanzausschuss. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Danke schön, Frau Reese.