Protokoll der Sitzung vom 13.05.2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 69. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 69. und 70. Sitzung liegt Ihnen vor.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 38 nach Tagesordnungspunkt 26 sowie den Tagesordnungspunkt 27 nach Tagesordnungspunkt 37 aufzurufen. Wird der so geänderten vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 69. und 70. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darüber informieren, dass der Zeitplan der Landtagssitzung ständig unter Berücksichtigung des tatsächlichen zeitlichen Verlaufes der Landtagssitzung und gegebenenfalls beschlossener Veränderungen der Tagesordnung aktualisiert wird. Der aktualisierte Zeitplan wird in gewissen Zeitabständen bereitgestellt und in gedruckter Form an den bekannten Stellen sowie in der Lobby ausgelegt.

Die Fraktion DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 5/2575 zum Thema „Ablehnung der Änderung der Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung“ sowie einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 5/2576 zum Thema „Erleichterte Vergaberegelungen für Aufträge und Leistungen konsequent anwenden“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Tagesordnungspunkt 2 aufrufen, das Wort zur Begründung dieser Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „In der Krise Zukunft gestalten Gute Arbeit – Gerechter Lohn“ beantragt.

Aktuelle Stunde In der Krise Zukunft gestalten Gute Arbeit – Gerechter Lohn

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schulte für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Betrachtet man die bundesweite Entwicklung, dass durchaus auch inzwischen Unternehmensdaten einzelner Unternehmen veröffentlicht werden, die als positive Signale gewertet werden können, so bleibt doch generell festzustellen, dass die globale Finanzkrise, die immer noch nicht abgeschlossen ist, und die damit einhergehende Wachstumsschwäche sich weiterhin noch gegenseitig verstärken.

Und auch wenn die für den April dieses Jahres genannten Zahlen der Arbeitslosen im Vergleich zum Vormonat März noch einmal um 6.600 Arbeitslose gesunken sind und wenn wir in Mecklenburg-Vorpommern mit der Zahl von immerhin 128.200 Arbeitslosen den niedrigsten Wert in einem Monat April seit 1991 hatten, es besteht auch in Mecklenburg-Vorpommern kein Grund zur Euphorie. Unsere Werften sind inzwischen voll von der Krise erfasst. In der Logistikbranche – 2008 noch

eine der Wachstumsbranchen unseres Landes – kriselt es gleichfalls erheblich und nicht nur wegen der zusätzlichen Belastung aus der Maut. Fährlinien in unserem Land melden Umschlagrückgänge von 50 Prozent und mehr. Andere Branchen sind zumindest indirekt von den Auswirkungen betroffen. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Teil der Weltwirtschaft und manch einer muss nun erst schmerzhaft lernen, dass Globalisierung letztendlich auch die Globalisierung von Krisen bedeuten kann.

Und trotzdem, meine Damen und Herren, weder Euphorie noch Schwarzmalerei sind es, was unser Land für seine wirtschaftliche Entwicklung braucht. Was wir brauchen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist vielmehr der Wille, mit geeigneten politischen Maßnahmen die auch in unserem Land jetzt angekommene Krise nicht nur zu überstehen, sondern im Ergebnis gestärkt aus ihr hervorzugehen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Mehr als viele andere Regionen in Deutschland profitieren wir derzeit von den wirtschaftlichen Strukturen unseres Landes. Der nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch pro Kopf der Bevölkerung im Bundesdurchschnitt nur äußerst geringe Anteil unserer Wirtschaft am Export hat dazu beigetragen, dass die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise sich auch auf dem Arbeitsmarkt bisher nur begrenzt zeigten. Ich möchte an dieser Stelle – gestatten Sie mir das – nicht näher darauf eingehen, aber wir wissen alle, dass dort, wo auch unsere Unternehmen sich im weltweiten Markt bewegen, die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise sich auch hier im Land entsprechend manifestieren.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, mir geht es an dieser Stelle jedoch nicht um eine Istbeschreibung der aktuellen Wirtschaftskrise. Worum es meiner Fraktion und mir in der heutigen Debatte geht, ist es, den Blick nach vorn zu richten und die Diskussion darauf zu fokussieren, was nach der Krise kommt. Worum es gehen muss, steht außer Frage. Wir müssen MecklenburgVorpommern jetzt in der Krise zukunftsfest machen.

Meine Damen und Herren, Ziel unserer Politik muss es sein, jetzt die Wachstumskräfte unserer kleinen und mittelständischen Betriebe nachhaltig zu stärken. Und vielleicht nur für den einen oder anderen zur Erinnerung: Über 90 Prozent unserer Betriebe in diesem Land haben 50 oder weniger Beschäftigte. Was wir dabei nicht brauchen, sind weitere Konjunkturpakete oder wirtschaftspolitischer Aktionismus. Vielmehr muss das Augenmerk darauf gerichtet sein, die Liquidität und den Ertrag in den Betrieben zu stärken und gleichzeitig die Konsumfähigkeit und die Konsumbereitschaft der Beschäftigten zu sichern und zu stärken.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zur Stärkung unserer einheimischen Wirtschaft und Sicherung zukunftsfähiger Arbeitsplätze lassen Sie mich an dieser Stelle deutlich sagen: Zukunftsfähig sind nur solche Arbeitsplätze, die den Beschäftigen auch auf Dauer auskömmliche, das heißt zur eigenständigen Sicherung ihres Lebensunterhaltes und ihrer Familien ausreichende Einkommen gewährleisten.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Stärkung unserer einheimischen Wirtschaft und Sicherung und Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze sind aber kein Widerspruch, nein – und ich glaube, die Diskussion ist auch hier im Landtag inzwischen angekommen –, sie bedingen sich sogar gegenseitig.

Aber, meine Damen und Herren, worin bestehen die Perspektiven in Zeiten der Wirtschaftskrise? Die Perspektiven sind, will man sie denn sehen, relativ klar. Die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes liegt in den vorrangig kleinen und mittelständischen Unternehmen dieses Landes. So wichtig jeder Großinvestor ist, der neue zusätzliche Arbeitsplätze in unserem Land schafft, das Rückgrat unseres Landes bilden die vielen kleinen und mittleren Unternehmen und Handwerksbetriebe, die hier vor Ort ansässig sind, deren Inhaber hier leben und deren Entscheidungen, auch was die Entwicklung ihrer Betriebe angeht, von der Tatsache geprägt sind, dass sie und ihre Betriebe in diesem Land verwurzelt sind.

Nun sagt es sich relativ einfach: „In der Krise Zukunft gestalten“. Aber was soll es im konkreten Fall bedeuten? Gestatten Sie mir dazu einige kurze Gedanken und verzeihen Sie mir, dass ich natürlich nicht jeden Punkt streife, der aus Ihrer Sicht, aus meiner Sicht wirklich von Bedeutung sein kann. Dafür reicht die Zeit an dieser Stelle nicht. Das, was ich hier anführe, hat nicht den Anspruch auf eine abschließende Aufzählung, es sollen vielmehr Anstöße sein, Ansätze, um anzureißen, dort, wo Wege sein können, um aus der Krise zu finden und dieses Land nachhaltig zu stärken.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich im Kleinen, auch wenn die Bedeutung solcher Maßnahmen für viele kleinere Unternehmen nicht zu unterschätzen ist, beginnen. Ein erster Schritt in die Zukunftsfähigkeit unserer einheimischen Betriebe ist die Stärkung der Liquidität in den Unternehmen. Gerade um Kleinbetriebe zu entlasten, ist es wichtig, dass die Istversteuerungsgrenze im Rahmen des Umsatzsteuerrechtes nicht zum 31.12.2009 auch in den neuen Bundesländern von 500.000 Euro auf 250.000 Euro abgesenkt wird. Wir haben im Rahmen der Landtagsdebatte dazu noch einen Antrag. Und es ist eine positive Nachricht, dass nunmehr auch auf Bundesebene in dieser Richtung Tätigkeit gezeigt wird. Allerdings muss man dazu sagen, man sollte vielleicht in dem Zusammenhang insgesamt die Frage der Unternehmenssteuerreform noch mal angreifen. Die ist nun mal ausdrücklich mehr auf die größeren, auch in diesem Lande nicht unbedingt zu findenden Unternehmen ausgerichtet.

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass – gerade von dem, was jetzt in der Presse deutlich geworden ist – dieser Antrag dann auch auf Bundesebene Unterstützung finden soll. Wir müssen sehen, ob es tatsächlich darüber hinaus noch eine Ausweitung über den bisherigen Betrag von 500.000 Euro geben wird. Gleichfalls in diese Richtung geht der Vorschlag meiner Fraktion gegenüber unserem Koalitionspartner, im Rahmen eines Landesvergabegesetzes – und ich will dieses Wort hier in diesem Redebeitrag nicht unnötig traktieren – bei öffentlichen Ausschreibungen in der Regel erst ab einer Auftragssumme beziehungsweise Abrechnungssumme von mehr als 250.000 Euro Vertragserfüllungsgewähr beziehungsweise Gewährleistungsbürgschaften zu verlangen.

Erlauben Sie mir an dieser Stelle einen grundsätzlichen Exkurs – ich will mich auch kurzfassen – zur öffentlichen Auftragsvergabe. Die konsequente Durchsetzung der Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz schon bei der Auftragsvergabe ist keine Forderung von Gewerkschaften allein. Vielmehr hat gerade wieder die einheimische Bauwirtschaft auf ihrem Verbandstag in Rostock vor gut zwei Wochen genau diese Forderung zur Vermeidung von Lohndumping und ruinösem Wettbe

werb erhoben. Wir müssen darüber hinaus dafür Sorge tragen, dass bei öffentlichen Aufträgen hier im Land die Lose so ausgestaltet werden, dass auch die kleinen einheimischen Unternehmen nicht nur als Nachauftragnehmer zum Zug kommen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das passiert aber nicht.)

Die Diskussion gerade auf dem von mir genannten Bautag 2009 der Bauwirtschaft unseres Landes hat eines deutlich gemacht: Es nützt nichts, die Mitarbeiter in den Verwaltungen auf Konferenzen und Tagungen daran zu erinnern, dass sie zum Beispiel im Rahmen des Wertgrenzenerlasses rechtlich ungebundener bei der Auftragsvergabe sind, wenn die gleichen Mitarbeiter, wenn sie wieder im Büro sitzen, aus Sorge, etwas vielleicht falsch zu machen und der dann folgenden Kritik der Rechnungsprüfungsämter und des Landesrechnungshofes ausgesetzt zu sein, dann doch zu einem unnötigen, weil komplizierten und zeitaufwendigen Ausschreibungsverfahren greifen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Wer früher bei Beiträgen unter 30.000 Euro auf eine Ausschreibung nicht verzichtete, wird es auch heute nicht tun bei Vergaben bis zu 100.000 Euro. Meine Damen und Herren, das lässt sich nur ändern, wenn wir im Rahmen eines Landesvergabegesetzes auch politisch den Druck von den Schultern der Verwaltungsmitarbeiter nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Wir müssen gerade im Interesse der einheimischen Unternehmen nicht nur Konferenzen abhalten oder in öffentlichen Veranstaltungen ruinösen Preiswettbewerb zulasten der Betriebe und Lohndumping auf den Schultern ihrer Beschäftigten verurteilen, wir müssen auch tatsächlich etwas tun. Und damit, meine Damen und Herren, möchte ich dann das Thema „Vergabegesetz“ abschließen.

(Zuruf von Andreas Bluhm, DIE LINKE)

Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen weiteren Gesichtspunkt.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Ach so!)

Am Montag vor rund zwei Wochen machte der Rektor der Hochschule Wismar, Herr Professor Dr. Norbert Grünwald, – so zumindest aus den Presseberichten zu entnehmen – anlässlich einer Veranstaltung, zu der das Gründerbüro der Hochschule Wismar mit eingeladen hatte, folgende Äußerung: Gerade in Krisenzeiten entstehen oft innovative Unternehmen mit neuen Ideen.

Meine Damen und Herren, Wissen ist unsere wichtigste Ressource. Unternehmen müssen im Wettbewerb um Innovationsfähigkeit daher weiter gestärkt werden. Im Mittelpunkt unserer Anstrengungen müssen marktnahe und marktorientierte Innovationen sein. Stärker noch als bisher müssen wir unseren Fokus auf die Weiterentwicklung von Produkten ausrichten, die in einem zeitlich überschaubaren Rahmen auch tatsächlich Marktreife erlangen können und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen stärken. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns trotz aller gegebenenfalls auftretenden wettbewerbs- oder beihilferechtlichen Fragestellungen noch stärker mit der Frage der produktbezogenen Forschungsförderung auseinandersetzen. Wenn wir

uns einerseits darin einig sein sollten, dass innovative Entwicklungen die Zukunft unserer Unternehmen sichern können und andererseits die mangelnde Finanzausstattung einer Vielzahl kleinerer Unternehmen eines der Haupthindernisse für die Schaffung neuer marktreifer Produkte ist, dann müssen wir sämtliche Möglichkeiten ausloten, um hier Abhilfe zu schaffen. Und dann müssen wir auch Instrumente, die ihren Zweck nicht in dem Maße erfüllen, wie wir das vielleicht erwartet haben, auf den Prüfstand stellen und überarbeiten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich einen letzten Punkt an dieser Stelle erwähnen. Ungeachtet der jetzt aufgetretenen weltweiten Krise – es sind die Märkte im europäischen Binnenmarkt und auf globaler Ebene, die Wachstum und Arbeitsplätze garantieren. Hier müssen wir daran teilnehmen. Dabei müssen wir unsere Unternehmen stärken und dann werden wir unsere Zukunft sichern.

Lassen Sie mich einen Satz zum Ende sagen. Es gibt aus Süddeutschland einen bekannten Spruch, der lautet: Wir können alles außer Hochdeutsch. Das kann man hier im Norden nicht sagen. Wir können auch Hochdeutsch.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schulte.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haben die SPD und ein Heißluftballon etwas gemeinsam?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Mit Blick auf das Thema der Aktuellen Stunde kann die Antwort nur lauten Ja. Beide zeichnet aus, sie steigen schnell auf, ihre Fahrtrichtung wird vom aktuellen Wind bestimmt, ihnen steht eine harte Landung bevor und natürlich viel, viel heiße Luft.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)

Ja, meine Damen und Herren, wir haben Wahlkampf. Und dieser Wahlkampf ist das eigentliche Thema der Aktuellen Stunde. Wahlkampf heißt versprechen, aber nie habe ich nach der Wahl gehört, man habe sich vor der Wahl versprochen.

(Zuruf von Dr. Klaus-Michael Körner, SPD)

Gehörten nicht einst zu Ihren Wahlversprechen keine Mehrwertsteuererhöhung, ein gesetzlicher Mindestlohn, ein Tariftreuegesetz?

(Reinhard Dankert, SPD: Frau Gramkow hat auch immer was versprochen, das konnte nicht gehalten werden. – Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Was wollen Sie uns, Herr Dankert, und im Besonderen den Menschen im Lande sagen? Hört unsere Signale? Lasst uns schreiten Seit an Seit?

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)