Entschuldigung, ich habe eben das Signal bekommen, dass Frau Lochner-Borst das Wort hat. Dann haben Sie das Wort, Frau Lochner-Borst.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute Vormittag in der Aktuellen Stunde hat der Herr Kollege Holter über Wahlkampfgetöse geklagt und klare Worte eingefordert. Diese klaren Worte, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, können Sie gerne bekommen. Ihr vorliegender Antrag ist nämlich nichts weiter als der verzweifelte Versuch, sich im Europawahlkampf bemerkbar zu machen.
Dazu müssen Sie sich natürlich der kommunalen Ebene bedienen, denn einen eigenen Kandidaten oder eine eigene Kandidatin, die Ihre Wählerinnen und Wähler in Mecklenburg-Vorpommern künftig in Brüssel vertreten werden, gibt es ja nicht mehr.
Anstatt hier auf so durchsichtige Art und Weise Wahlkampfanträge zu stellen, sollten Sie lieber dabei helfen, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern auch weiterhin von Abgeordneten aus dem eigenen Land in Brüssel vertreten werden.
Im Übrigen gehe ich davon aus, dass sowohl Frau Kuder als auch Herr Müller bei ihrer Arbeit im AdR sehr wohl die kommunalen Interessen mit berücksichtigen, denn – das haben wir jetzt in allen Reden gehört – Frau Kuder war ehemals Beigeordnete beziehungsweise Erste Stellvertreterin des Bürgermeisters der Hansestadt Greifswald und der Herr Kollege Müller ist Fraktionsvorsitzender seiner Fraktion in der Stadtvertretung Ludwigslust.
Die CDU-Fraktion kann mit der derzeitigen Regelung also sehr gut leben. Wir würden es aber eher begrüßen, wenn die kommunalen Spitzenverbände ebenso wie zum Beispiel die Hochschulen oder die Wirtschaftsverbände das Angebot des Informationsbüros mehr nutzen würden, um ihre Interessen in europäischen Entscheidungsprozessen berücksichtigt zu wissen. Das können wir jedoch nicht über Landtagsanträge regeln, das ist eher eine Frage von Information und Kommunikation. Den vorliegenden Wahlkampfantrag der Fraktion DIE LINKE lehnt die CDU ab.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kommunen spielen eine umso geringere Rolle, je größer das Staatsgebilde ist. Man stelle sich einmal einen Entscheidungsträger in Brüssel vor, der vor einer Landkarte der Europäischen Union steht. Der kann Mecklenburg-Vorpommern nicht mal mit bloßem Auge sehen. In diesem Riesenreich ist ein Bundesland nichts, von einzelnen Kommunen ganz zu schweigen. So kleine Strukturen spielen in den Planungen der eurokratischen Großveranstalter überhaupt keine Rolle. Zwar gibt es einen sogenannten Ausschuss der Regionen, aber der dient nur als psychologische Maßnahme, damit die unteren Befehlsempfänger sich ein bisschen wichtig fühlen dürfen.
Alles, was der Demokratie dienen könnte, ist in der EU Schall und Rauch. Das sogenannte Europäische Parlament, das gerade wieder mit großem Tamtam gewählt wird, ist ein klassisches Scheinparlament, genauso machtlos wie die DDR-Volkskammer, …
… aber mit höheren Diäten und besser getarnt. Das Scheindemokratische ist nicht ganz so offensichtlich wie bei der Volkskammer. Davon lernen – von der EU – im Übrigen auch alle Diktatoren. Es gibt kaum noch eine offene Gewaltherrschaft in der Welt. Alle Tyrannen – ob in Myanmar die Generäle oder in postsowjetischen Städten die Oligarchen – halten sich Pseudoparlamente und nennen sich Demokraten. Sie haben auch alle Verfassungen und verfolgen ihre Gegner als Verfassungsfeinde.
Dabei sind die Diktatoren umso professioneller bei ihren Täuschungsmanövern, je näher sie der selbsternann
ten westlichen Wertegemeinschaft stehen, siehe Afghanistan und Irak. Unbestrittener Meister in der Kunst der Demokratiesimulation ist aber die Europäische Union. Da gibt es Labergremien in Massen, es wird diskutiert bis zur Erschöpfung, Konferenzen und Sitzungen jagen einander, aber die Macht, die wirkliche Macht, liegt bei den Bürokraten und den Regierungen, die dahinterstehen. Die behandeln ihr Brüsseler Parlament und dessen nationale Kleinausgaben genauso wie seinerzeit die bayerischen Beamten den König Ludwig II. Solange der sich aus den Regierungsgeschäften heraushielt, bekam er ein paar schöne teure Spielsachen in die Hand gedrückt, aber als er zu lästig wurde und zu teuer, haben sie ihn abserviert. Das kann den LINKEN nicht passieren. Sie fühlen sich ja seit DDR-Zeiten in Scheinparlamenten sehr wohl, da wollen sie auch ins Europäische Parlament. Ihre Begeisterung für die Sowjetunion hat sich auf deren legitime Nachfolgerin, die Europäische Union, dem Geiste nach, dem undemokratischen, übertragen. Und wenn sie dann im Ausschuss der Regionen ein bisschen herumpalavern können, sind sie glücklich.
Im Übrigen muss ich da die LINKE in Schutz nehmen vor dem Vorwurf, das hier sei Wahlkampf. Wahlkampf ist irgendwas Effektives, was den Bürger auch trifft, was er auch wahrnimmt. Der Bürger nimmt nichts wahr, was in diesem Hause hier passiert, was immer Sie hier an Wahlkampf machen wollen. Kleben Sie lieber ein paar Plakate, wir bringen Ihnen das gerne bei. – Vielen Dank.
Wir haben unterschiedliche Interessen, das sage ich Ihnen ganz offen. Wir möchten – und ich denke, da sind die demokratischen Parteien oder Fraktionen hier im Landtag sich einig –,
wir möchten, dass die Bürgerinnen und Bürger von ihrem Wahlrecht zum Europaparlament Gebrauch machen,
Da haben Sie ganz andere Interessen und begreifen nicht, dass es keine Alternative zu dieser Europäischen Union gibt.
Inwieweit und wie die Europäische Union entwickelt werden soll, darüber streiten wir gerne. Aber das, was Sie hier machen wollen, ist nicht in unserem Interesse, und deswegen sage ich Ihnen ganz offen, ob Sie zustimmen oder nicht, ist mir völlig egal.
Die Bürgerinnen und Bürger werden sehr wohl wahrnehmen, ob es denn möglich ist, europapolitische Themen,