Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

Ohne dass ich Ihnen jetzt jeden einzelnen der mühsamen Schritte in den vergangenen 16 Monaten seit dem Verfassungsgerichtsurteil aufzeigen will, will ich doch auf Folgendes hinweisen: Allein in zwei Sondersitzungen der Arbeits- und Sozialminister im vergangenen Jahr, auch der regulären Fachministerkonferenz – aber ich selbst habe auch noch mal andere Möglichkeiten, andere Treffen genutzt, um da zu intervenieren –, ist am Ende keine Kompromisslösung herausgekommen. Man muss noch dazusagen, mit dem am 13. Februar dieses Jahres von den Ministerpräsidenten Rüttgers und Beck gemeinsam mit dem Bundesminister vorgelegten Entwurf einer Neuordnung lag ein solcher Kompromiss vor. Es ist schon wichtig, das noch mal festzustellen. Wir haben

diesem Kompromiss – wie die anderen Länder auch – zugestimmt. Es war also 16:0. Und trotzdem muss ich heute konstatieren, dass mich die Ablehnung dann durch die CDU/CSU-Fraktion des Bundestages sehr überrascht hat. Aber Sie werden es mir nicht übel nehmen, wenn ich da sage, in einer Ehe ist es halt so, dass immer beide ein bisschen Schuld haben, wenn eine Regelung am Ende nicht zustande kommt.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist ja wie in Mecklenburg-Vorpommern.)

Ich habe die Landesgruppe Mecklenburg-Vorpommern im Bundestag vor der entscheidenden Sitzung noch mal in einem Schreiben auf die Bedeutung einer zeitnahen Lösung hingewiesen, aber langer Rede kurzer Sinn: Es hat am Ende alles nichts genützt. Wir müssen zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen – und ich glaube, es wäre unrealistisch, Frau Lück, wenn man es jetzt anders darstellen würde –, dass allein schon aus Zeitgründen keine Chance mehr besteht, dass die derzeitige Bundesregierung noch eine gesetzliche Neuregelung für die Umsetzung des SGB II bis zu den Wahlen auf den Weg bringen wird. Das heißt – und das muss man aber auch noch mal klar sagen –, dass die Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, dieses weiterhin zunächst mal wie gewohnt bekommen. Das ist wichtig, finde ich, das festzustellen. Für sie stehen auch weiterhin die gleichen Fallmanager, die Bearbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung, also für Panik besteht kein Grund.

Die Argen und die Optionskommune Ostvorpommern bei uns im Lande haben durch das Konjunkturpaket II auch zusätzliche Mittel für Eingliederungsmaßnahmen und für das Verwaltungsbudget bekommen. Dadurch können sie ihre Hilfen für die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben intensiv fortsetzen. Insgesamt – ich will mal ruhig die Zahlen nennen – stehen seit April den Verantwortlichen 272 Millionen Euro für Eingliederungsleistungen und 152 Millionen Euro für das sogenannte Verwaltungsbudget zur Verfügung. Wenn man es jetzt mal technisch sieht, dann ist es so, dass auch für die Beschäftigten in den Argen eigentlich kein Grund zur Sorge besteht. Ich sage das bewusst unterstrichen: eigentlich, weil ich natürlich weiß, dass es Sorgen gibt bei den Menschen. Ich kenne das ja auch.

Alle Verträge zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen sind bis Ende 2010 vom BMAS garantiert. Was die Verlängerung der Optionskommunen betrifft, so hat der Minister Scholz bereits vor einem Jahr den Optionskommunen die Verlängerung bis 2013 zugesagt. Der Koalitionsvertrag im Bund sieht auch vor, dass die Optionsmöglichkeit um drei Jahre verlängert wird, wenn es bei der Evaluation der sogenannten Experimentierklausel zu keiner gemeinsamen Bewertung und diesbezüglichen Schlussfolgerung kommt. Wenn man so will, ist das jetzt leider Gottes der Fall. Und deswegen würde ich auch sehr dafür plädieren, dass es darum geht, was das betrifft zumindest, noch in dieser Legislaturperiode Verlässlichkeit für die Kommunen zu schaffen.

Sicherlich, ich will das noch einmal unterstreichen, wäre es wirklich wünschenswert gewesen – und wir aus Mecklenburg-Vorpommern haben uns dafür wirklich intensiv eingesetzt, wir haben alle Besprechungen genutzt, wir haben alle Möglichkeiten genutzt, ich habe selbst auch im Hinblick auf die Fraktionen im Bundestag versucht, allen Einfluss, der mir möglich war, dort zu nutzen –, aber am Ende muss man klar sagen, die Regelung ist nicht zustande gekommen.

Wir sollten nun auch nicht in den Fehler verfallen, das Thema jetzt im Wahlkampf zu hoch zu kochen. Ich meine, dass die Versuchung groß ist, will ich ja gar nicht bestreiten. Aber es geht mir schlichtweg darum, gerade bei den Betroffenen, bei denen, die halt ihr Geld bekommen sollen, die ihre Leistungen bekommen sollen, da, wo die Bemühungen laufen müssen, eine Wiedereingliederung zu erreichen, darf nicht ein Eindruck der Unsicherheit entstehen, zumal das finanziell und auch personell abgesichert ist. Und ich gehe davon aus, dass dann nach der Bundestagswahl sehr schnell eine Korrektur der Entscheidung, wie auch immer, sage ich jetzt mal, erfolgen wird. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das sehe ich auch so.)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Argen haben in den letzten Monaten mit einem vagen Gefühl der Unsicherheit in die Zukunft geschaut. Bundesweit sind es tatsächlich allein 24 Argen von den Mitgliedsstädten des Deutschen Städtetages, deren Verträge Ende 2009 auslaufen. Insgesamt – so der Deutsche Städtetag, auch wenn er das nicht genau abschätzen kann – sollen Gründungsverträge von insgesamt 70 Arbeitsgemeinschaften Ende dieses Jahres auslaufen.

Und jetzt, meine Damen und Herren, kommt der Antrag der Fraktion DIE LINKE, dass die Landesregierung aufgefordert wird, von der Bundesregierung die Schaffung gesetzlicher Grundlagen für die Herstellung verfassungskonformer Strukturen bei der Hartz-IV-Verwaltung noch vor der Bundestagswahl zu verlangen. Und, meine Damen und Herren von der Linkspartei, wenn man Ihren Antrag liest, dann merkt man richtig, dass Sie, als Sie ihn formuliert haben, sich doch vielleicht vorgestellt haben, wenn man uns nur machen ließe, dann wäre die Welt schön und heil, und am besten würden Sie in allen Bundesländern gleichzeitig regieren und in Berlin auch noch.

(Udo Pastörs, NPD: Das geht nur, wenn man Sie machen lässt, Herr Schulte.)

Und natürlich ist es richtig, wenn Sie sagen, dass sowohl die betroffenen Erwerbslosen als auch die Beschäftigten der Argen und die Kommunen Rechtssicherheit brauchen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich dann jetzt mal von dem guten Gefühl lösen will und sich der harten Wirklichkeit stellt, dann wird auch hier deutlich, dass Ihr Antrag zielgerichtet wieder am Problem vorbeifährt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Ach so?)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Lück hat zutreffend …

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Dann bin ich ja gespannt, wie Sie das begründen. – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Dann lassen Sie sich doch mal überraschen, Herr Kollege Methling.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie können uns nicht mehr überraschen.)

Meine Damen und Herren, Frau Kollegin Lück hat zutreffend festgestellt, dass am 20.12.2007 das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass die derzeitigen Regelungen zur Zusammenarbeit von Bundesagentur für Arbeit und Kommunen im SGB II als unzulässige Mischverwaltung gegen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verstoßen und daher längstens bis zum 31.12.2010 gelten können.

Nach monatelangen Verhandlungen, Herr Minister Seidel hat eben schon mal darauf hingewiesen, konnte sich Bundesarbeitsminister Scholz entgegen mancher Erwartungen – auch das ist ja, glaube ich, bei Ihren Worten deutlich geworden – mit den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, Herrn Rüttgers und Herrn Beck, die jeweils für die CDU- beziehungsweise SPD-geführten Länder die Verhandlungen geführt haben, mit der Bundesregierung auf eine konkrete Neuregelung einigen. Einen solchen Kompromiss zu finden, war nötig, Frau Kollegin Lück hat es dargelegt, nachdem die Länder sich schon im letzten Jahr einstimmig für den Erhalt der gemeinsamen Arbeit des Bundes und der Kommunen in der SGB-II-Verwaltung ausgesprochen hatten.

Das Wichtigste an diesem Vorschlag, unabhängig von allen formalen Zuordnungs- und Verantwortungsfragen, war eine klare Aussage für die Betroffenen. Arbeitsuchende behalten auch in Zukunft ihre zentrale Anlaufstelle. Es bleibt bei der Betreuung, der Gewährung der Hilfen und Leistungen aus einer Hand. Die Einigung sah vor, dass die Jobcenter als Zentren für Arbeit und Grundsicherung, kurz ZAG genannt, weitergeführt werden, und zwar als Anstalten des öffentlichen Rechts. Fundament für die Fortführung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung sollte dann eine Grundgesetzänderung sein.

Damit hätte der Rückfall in die Zeiten paralleler Antragstellung, Bearbeitung oder eine Übergangszeit mit unklaren und wechselnden Verantwortlichkeiten vermieden werden können. Davon hätten im Ergebnis nicht nur die arbeitsuchenden Bürgerinnen und Bürger profitiert, das hätte auch Sicherheit und Stabilität für die in den Argen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegeben. Die ZAG hätten weiterhin die Arbeitsvermittlungsexpertise, die unbestritten bei der BA vorhanden ist, und das gleichfalls erforderliche lokale Wissen der Kommunen über den örtlichen Arbeitsmarkt zusammengebracht. Dabei wären die Zuständigkeiten in den ZAG klar geregelt. Jeder Träger hat die Verantwortung für die Leistungen, die er jeweils zu erbringen hat. Die Agenturen für Arbeit blieben verantwortlich für die Regelleistungen der Grundsicherung, für das Sozialgeld und die Leistung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt, die Kommunen tragen die Leistungen für die Unterkunft und Heizung, soziale Hilfen wie Sozial- und Schuldnerberatung sowie einmalige besondere Leistungen, etwa für die Erstausstattung der Wohnung.

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei, es gab somit einen durch den Bundesminister für Arbeit gemeinsam mit den beauftragten Ministerpräsidenten erarbeiteten Vorschlag zur Schaffung verfassungskonformer Strukturen bei der Hartz-IV-Verwaltung, das, was Sie mit Ihrem Antrag ja auch intendieren.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, – das wissen Sie ja auch, Frau Kollegin Lück hat es dargelegt, und deswegen ist Ihr Antrag vielleicht auch nicht ganz redlich –,

(Regine Lück, DIE LINKE: Wenn das nicht redlich ist, dann frage ich mich, was überhaupt redlich ist.)

wenn Sie jetzt mit diesem Antrag den betroffenen Erwerbslosen und den Beschäftigten in den Argen vor der Bundestagswahl eine Option aufzeigen wollen, die tatsächlich nicht existiert, Sie wissen ganz genau, dass der damalige Vorschlag, und Herr Minister Seidel hat das ja noch mal dargelegt, Sie wissen ganz genau, dass der damalige Vorschlag zwar selbst im Präsidium der CDU, wenn ich richtig informiert bin, die Zustimmung gefunden hat, aber eben nicht in der Bundestagsfraktion der CDU. Und Sie wissen auch, dass Sie eine Zweidrittelmehrheit für die erforderliche Grundgesetzänderung brauchen. Und Sie wissen auch, wenn Sie sich mit dem Thema beschäftigt haben – und das unterstelle ich einfach mal bei Ihnen –, Sie wissen auch, dass der CDUGeneralsekretär Pofalla laut FAZ-Net vom 7. April dieses Jahres in diesem Zusammenhang ausdrücklich erklärt hat: „Ich“, das ist jetzt nicht meine Person, sondern Herr Pofalla, „gehe davon aus, dass es in dieser Legislaturperiode zu keiner Neuregelung mehr kommt.“ Und ich gehe nun nicht davon aus, dass Herr Pofalla etwas sagt, was Frau Merkel nicht denkt.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Das wäre das erste Mal gewesen.

(Unruhe und Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, dazu mag man jetzt stehen, wie man will, mit der derzeitigen Bundestagsfraktion – und das steht mir nicht zu, das jetzt hier zu kommentieren,

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wir denken uns unseren Teil.)

denn ich bin Landtagsabgeordneter, ich kenne die Entscheidungsfindungsprozesse da nicht –, mit der derzeitigen CDU-Bundestagsfraktion wird es diesen Kompromiss oder einen ähnlichen Kompromiss vor der Bundestagswahl nicht geben, und das wissen Sie. Und weil Sie es wissen und trotzdem diesen Antrag stellen,

(Regine Lück, DIE LINKE: Ja, wir müssen Druck aufmachen. Und die Landesregierung sollte es auch.)

erwecken Sie bei den Menschen in diesem Land den Eindruck, dass eine Lösung durch diese Landesregierung intendiert werden könnte oder befördert werden könnte, was diese Landesregierung selbst bei allen Anstrengungen nicht erreichen kann.

(Regine Lück, DIE LINKE: Sehr bedauerlich. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Denn ich meine, man kann ja dieser Landesregierung alles zutrauen und vielleicht trauen Sie Herrn Minister Sellering ja wirklich alles zu, das kann ich nicht beurteilen, aber es wird nichts nützen, wenn der Ministerpräsident oder der Wirtschaftsminister oder der CDULandesvorsitzende in diesem Fall auch vielleicht noch entweder ins Bundeskanzleramt gehen wird oder ins Konrad-Adenauer-Haus in Berlin

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Das wird’s sein.)

und da entsprechend diesen Wunsch vortragen wird. Ich finde diesen Wunsch vernünftig, aber ich muss doch keine Anträge einbringen, von denen ich vorher schon weiß, dass sie scheitern werden

(Regine Lück, DIE LINKE: Dann können wir uns ja als Opposition auflösen. Ich verstehe Ihr Ansinnen nicht, Herr Schulte. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

und nicht das Ziel – das ja durchaus richtig sein kann, das ich durchaus mit nachvollziehe – tatsächlich erreichen können. Deswegen, meine Damen und Herren von der Linkspartei, ist dieser Antrag einfach abzulehnen, denn er hätte erst gar nicht gestellt werden dürfen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das waren aber wenige Argumente.)

Danke, Herr Abgeordneter.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Herr Ratjen. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Liebe PDS, eigentlich sollten Sie es besser wissen.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Liebe LINKE!)

Liebe LINKE, wie auch immer. Sie sollten eigentlich wissen, weil Sie ja immer behaupten, Sie seien die Arbeiterpartei schlechthin,

(Regine Lück, DIE LINKE: Das haben Sie von uns noch nicht gehört, das kann nicht sein. Ich weiß nicht, wo Sie das herhaben. – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das behaupten wir nicht.)