Protokoll der Sitzung vom 14.05.2009

(allgemeine Unruhe)

Wir verspielen die Zukunft des Landes MecklenburgVorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen DIE LINKE und FDP)

Wir kritisieren, dass im Rahmen der Verbandsanhörung keine konkreten Aussagen zu zukünftigen Aufgabenverlagerungen und finanziellen Rahmenbedingungen vorgelegt werden. Wir haben doch gerade erst wieder vernommen, das Kreisgebietsstrukturreformgesetz ist noch gar nicht verabschiedet. Das FAG kann dieses Gesetz,

welches noch nicht fertig ist, das ist jetzt parlamentarisch gemeint, noch gar nicht berücksichtigen. Na, wie soll denn dieses Paket insgesamt aussehen? Die Fragen müssen doch gestattet sein. Wir haben immer eingefordert, das Gesamtpaket gleichzeitig auf den Tisch zu legen, sodass man auch erkennen kann, dass es miteinander kommunizierende Bestandteile sind.

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Darum geht es doch. Es geht nicht um Henne und Ei, sondern es geht darum, dass alles gleichzeitig auf den Tisch kommt. Und deswegen …

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, Wolf-Dieter Ringguth, CDU, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Am letzten Freitag ging es nicht nur um die 174 Stellen, die ja nun keine umfassende Funktionalreform darstellen. Nein, jetzt versucht die Landesregierung der Enquetekommission des Landtages die Funktionalreform auszureden. Die Funktionalreform sei seit 1990 ein permanenter Prozess und sie sei nur – nun höre man bitte zu – Beiwerk zur Kreisstrukturreform. Beiwerk!

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: So war die Aussage des Staatssekretärs.)

Aufgabenkommunalisierung sei kein Selbstzweck und Forderungen nach einer Funktionalreform II seien unbegründet. Damit liefern Sie die Argumente für zukünftige Verfassungsklagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: So ein Schwachsinn! Wie kommen Sie denn darauf? Begründen Sie das mal bitte!)

Mit diesem Herangehen bricht die Landesregierung an zentralen Stellen das Leitbild für die zukünftige Struktur der kreislichen Ebene.

(Zurufe von Peter Ritter, DIE LINKE, und Toralf Schnur, FDP)

Mit dieser Praxis entzieht die Landesregierung einer Verwaltungsmodernisierung die Grundlage und einer Kreisstrukturreform die Berechtigung, denn die Masse der Aufgaben wird an den Landrat beziehungsweise an die Landrätin als untere staatliche Behörde übertragen. Eine tatsächliche Kommunalisierung findet gar nicht statt. Und das ist eine Frage, die wir diskutieren müssen. Ich meine mehr Kommunalisierung als Übertragung von Aufgaben. Aber die Funktionalreform im Einzelnen zu beurteilen, dazu sind Sie nicht in der Lage. Sie wollen, weil Sie an der Macht kleben, keine Aufgaben abgeben. Und das unterscheidet diese Koalition von der vorhergehenden Koalition.

(Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Toralf Schnur, FDP)

Meine Damen und Herren, kein verantwortungsbewusster Landespolitiker kann die Reformnotwendigkeit ernsthaft in Zweifel ziehen. Ich habe immer gesagt, dass nicht nur die demografischen und finanziellen Zwänge für diese Reform sprechen. Es gibt viele, viele andere Gründe mehr, um das Land zukunftsfähig zu machen. Ich hätte gern aus der Not eine Tugend gemacht und den Reformdruck als Chance begriffen, als Gestaltungschance, um die Verwaltung in unserem Land modern und zukunftsfähig aufzustellen.

(Marc Reinhardt, CDU: Sie sind ja schon mal gescheitert, Herr Holter.)

Wer scheitert, Herr Reinhardt, das sind Sie.

(Vincent Kokert, CDU: Ja?)

Sie scheitern mit Ihrer Reform.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben Sie uns ja schon einmal vorgemacht.)

Gehen Sie mal bitte in sich! Sie machen hier Klamauk, Sie verbreiten, Sie kündigen an und Sie suggerieren der Bevölkerung, dass diese Reform ein Glück für dieses Land ist.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie haben schon mal die Kreise zu Grabe getragen hier vorm Schloss.)

Diese Reform wird das Land nicht voranbringen, das wissen Sie doch auch. Sonst kommen doch die Widersprüche, die Sie hier aufmachen, gar nicht zustande.

(Zurufe von Minister Lorenz Caffier und Peter Ritter, DIE LINKE)

Das Reformklima ist deutlich abgekühlt.

(Vincent Kokert, CDU: Jetzt kommen Sie mal zu den Inhalten, Herr Holter! Dann können Sie noch Vorschläge machen. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Bleiben Sie mal ruhig, Herr Kokert!

Das Reformklima ist abgekühlt. Landesregierung und Koalitionsfraktionen sollten prüfen, ob es nicht richtiger ist, über den eigenen Schatten zu springen, statt über das Reförmchen zu stolpern. Und wenn Sie es nicht tun, werden Sie stolpern. Deswegen kann unser Antrag ein erstes Sprungbrett sein. Nutzen Sie dieses Sprungbrett! Lassen Sie uns gemeinsam von vorne beginnen! Wir sind dazu bereit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: Keine Vorschläge der LINKEN. – Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Herr Kokert, es gibt ein Minderheitenvotum. Es gibt zig Vorschläge, die wir in die Enquetekommission eingebracht haben, die von den kommunalen Spitzenverbänden getragen werden.

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Abgebügelt haben Sie diese Vorschläge, weil Sie einen Durchmarsch praktizieren zum Schaden des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Marc Reinhardt, CDU: Dann kennen Sie sich ja damit aus.)

Danke schön, Herr Holter.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Andrejewski von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein wenig Fundamentalkritik: Die Kreisgebietsreform hat den Charakter eines Befreiungsschlages und erinnert ein bisschen an Maos großen Sprung nach vorn. Mit einer einzigen Maßnahme will

man alle Probleme auf einmal lösen und das Paradies auf Erden ist da. Die alten Landkreise werden weggewischt, neue Riesengebilde entstehen, dadurch werden angeblich gigantische Summen eingespart und das Land ist sofort fit für die Zukunft wie durch Zauberhand – Abrakadabra.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Abrakadabra! Quatschen Sie hier nicht rum! – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Die Entwicklungen, denen mit der sogenannten Kreisgebietsreform begegnet werden soll, sind aber langfristig und vollziehen sich eher schleichend als explosiv. Man hat es ja nicht mit einer plötzlich auftretenden Katastrophe zu tun wie der von Banken, Spekulanten und etablierten Politikern verursachten Finanzkrise. Deshalb wäre es doch naheliegender, wenn man sich dem schon anpassen wollte, dies Schritt für Schritt zu tun. Und dazu braucht man keine sofort aus dem Hut gezauberten Superlandkreise. Das könnten die bisherigen Landkreise auch selber leisten, allein oder gegebenenfalls zusammenarbeitend, wie etwa Greifswald und Ostvorpommern schon jetzt, oder man könnte, wie wir das vorschlagen, Schritt für Schritt Kompetenzen von den Landkreisen auf die Städte übertragen. Aber für diese Hektik besteht überhaupt kein Grund. Dann könnte man auf Massenentlassungen von Mitarbeitern verzichten und auch auf die überfallartige Einführung neuer Strukturen, wodurch sicherlich mehr Verwirrung und Durcheinander gestiftet würde als irgendein messbarer Nutzen. Wie das mit Maos großem Sprung endete, wissen Sie ja, und genauso wird es bei Ihnen auch kommen.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Genau so.)

Man kann sich aber auch ganz anders entscheiden und lieber die wirklichen Missstände bekämpfen, aus denen sich dieser sogenannte Reformbedarf speist, als sich ihnen anzupassen, indem man an Kreisstrukturen herumbastelt. Was würde die Landesregierung machen, wenn morgen der Schwarze Tod ausbräche wie im Mittelalter? Wahrscheinlich die Gesundheitsämter umstrukturieren und irgendwelche neuen Verwaltungsrichtlinien erlassen und Organigramme zeichnen und das Ganze Reform nennen, während sich an solchen Opfern der demografische Wandel vollzieht, den wir als Chance begreifen müssen. Aber das wahre Übel würde man nicht anpacken, genauso wenig wie heute.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Die massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen nach der Wende war das ursprüngliche Übel, verursacht von den gleichen Heuschrecken, denen wir jetzt die Finanzkrise zu verdanken haben. Damals haben sie auf die Eroberung von Märkten spekuliert und auf die Ausschaltung der DDR-Industrie als lästige Konkurrenz. Die Folgen tragen Arbeitslose und Steuerzahler immer noch. Und daraus kommt der Reformbedarf. Die Schuldigen haben sich saniert. Aus diesem Grundübel resultierten alle anderen Katastrophen: die Abwanderung der Jugend, der Rückgang der Geburtenzahlen, die Entvölkerung weiter Teile des Landes. Und Hartz IV beschleunigt das ganze Desaster noch. Dagegen hat die Landesregierung kein Konzept. Genauso wenig wie ihre Schwesterkonstruktion im Bund. Alles, was Ihnen hier einfällt, ist ein Umbau der Verwaltung, damit sie zu den neuen Zuständen passt. Dann sollten Sie die aber auch Friedhofsverwaltung nennen,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Tja!)

denn darauf läuft es hinaus. Das ist eine Friedhofsverwaltungsreform oder auch eine Endverwertungsverwaltungsreform. Mecklenburg-Vorpommern läuft leer und man lässt es geschehen, weil man in der Wirtschaft in gewissen Wirtschaftskreisen Verwendung für ein dünn besiedeltes Gebiet mit verödeten Gebieten hat,

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

als Genklo, wie es der Minister Backhaus ausnahmsweise mal richtig formuliert hat, aber auch vor allem als Standort von Schmutzindustrie, wie man sie in HamburgBlankenese und anderen reichen Siedlungen nicht haben will, vom Megasteinkohlekraftwerk bis zur maßlos aufgeblasenen Riesenschweinefarm.

Die Kreisgebietsreform ist die Begleitmusik zu diesem Konzept. Die NPD hat sich nicht damit abgefunden, dass es in Mecklenburg und Pommern

(Dr. Margret Seemann, SPD: Vorpommern! – Ute Schildt, SPD: Sie sind ja nicht lernfähig.)