Protokoll der Sitzung vom 23.09.2009

Wissen Sie, das klingt mir so ein bisschen, ich höre das auch manchmal, Handwerker sagen mir das,

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Jeder nach seinen Bedürfnissen.)

sie sagen mir so ungefähr: Also, Herr Seidel, nun gucken Sie mal, ich habe hier so einen tollen Betrieb, ich habe das doch wirklich gut hingekriegt, eigentlich müsste ich doch jetzt auch mal Fördermittel kriegen, oder? Und dann sage ich immer, wissen Sie was, genau jetzt haben Sie mir eigentlich bewiesen, dass sie keine Fördermittel brauchen,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Genau das meinen wir nicht.)

weil es eben nicht eine Frage der Gerechtigkeit ist, wenn man Fördermittel vergibt, sondern mit Fördermitteln will ich etwas fördern, was vielleicht ohne Fördermittel nicht zustande kommt.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Zum Beispiel in Heiligendamm das große Hotel.)

Insofern sage ich nur, diesen Punkt können Sie dem Landesrechnungshof vorlegen, der wird Ihnen dann eine Lehrstunde geben in konzentrierter und auch auf die Ziele des Landes orientierter Förderung. Nur das kann es nämlich sein. Sie haben, das gebe ich zu, in einem anderen Satz das dann wieder korrigiert, indem Sie gesagt haben, man muss sich Zukunftsbranchen aussuchen und man muss schauen, wo sind die Prioritäten dieses Landes. Aber genau das tun wir doch. Sagen wir mal so, wir tun es gemeinsam über den Haushalt am Ende des Tages.

(Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Wir sind dabei, genau das verarbeitende Gewerbe zu unterstützen, wir sind dabei. Wir haben deutlich umgebaut in Richtung Forschung und Entwicklung.

Also ich würde Sie herzlich bitten, wenn Sie dieses wichtige Thema hier wirklich aufgreifen wollen, dass Sie das in einer etwas anderen, konkreteren Art und Weise machen, dann kann man sich damit auch befassen.

Jetzt will ich noch ein letztes Wort sagen zu dem berühmten öffentlichen Beschäftigungssektor. Den lassen Sie ja nicht sein, der kommt gebetsmühlenartig immer wieder.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Helmut Holter, DIE LINKE: Ja, der wird Sie auch ständig begleiten. – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Wenn man über das Thema spricht, dann sollte man auch gleich in die Praxis schauen. Dann kann man vielleicht mal nach Berlin schauen. Die Berliner Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales,

(Udo Pastörs, NPD: Ja, nach Mecklenburg.)

Frau Dr. Heidi Knake-Werner, stellt zum Beispiel auf der Startseite zum ÖBS fest,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dass sie derzeit 7.000 Beschäftigte im ÖPNV,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der CDU)

im ÖPNV sage ich schon, im ÖBS – ja, mit den Begriffen ist das nicht so einfach – hat, Stand 11.09. dieses Jahres. Die Grundlage für den ÖBS in Berlin sind der Beschäftigungszuschuss nach Paragraf 16 SGB II und das Programm Kommunal-Kombi. Allerdings muss man feststellen, dass diese Landesförderung – die Programme sind durch Landesmittel kofinanziert – bisher keine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hatten, denn Frau Heidi Knake-Werner muss dann konstatieren, dass Berlin im August 2009 9.628 Arbeitslose gegenüber dem Vorjahresmonat mehr hat. Ich erinnere Sie daran: Mecklenburg-Vorpommern hat im August 4.878 Arbeitslose weniger als zum Vorjahr und ohne ÖBS.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Wenn es den nicht geben würde, wären es 15.000 oder 16.000 mehr. Das ist der Unterschied. – Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Berlin hat im Übrigen den letzten Platz in der Arbeitslosenstatistik. Wir sind froh darüber, dass wir die rote Laterne losgeworden sind.

Ich will Sie auch daran erinnern, dass es in Ihrer Zeit, August 2005, 167.000 Arbeitslose gab, und jetzt haben wir die bekannten 111.600. Das ist alles viel zu viel, keine Frage. Ich will damit nur sagen, es macht keinen Sinn nach dem Motto: „Wir tun überall mal was Schönes und es freuen sich alle möglichst schönen Beschäftigungsträger und sonst wie.“

(Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Das Motto war nicht unser Motto bei diesem wichtigen Thema.)

Das bringt es nicht, das hat die Entwicklung gezeigt, sondern wir müssen hier anders vorgehen. Und insofern tut es mir wirklich leid. Das Thema ist wichtig, das will ich gerne sagen, und ich bin auch gern bereit, mit Ihnen darüber zu diskutieren,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das habe ich jetzt aber nicht gemerkt, Herr Seidel. Das habe ich jetzt aber wirklich nicht gemerkt.)

aber dann müssen Sie substanzielle Vorschläge machen und nicht solche Parolen, wie Sie hier gebracht haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Helmut Holter, DIE LINKE: Vergiss es! – Gabriele Měšťan, DIE LINKE: Ja, mehr kann man auch dazu nicht sagen.)

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Schulte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Holter, vielleicht vorab ein Wort, weil Sie das angesprochen haben, dass Ihr Antrag

wohl auch, so habe ich das jedenfalls verstanden, ein Angebot zur Diskussion sein soll, zur Diskussion, das hoffe ich jedenfalls, die jetzt nicht rein formalisiert heute hier im Plenum oder in irgendwelchen Ausschüssen stattfindet. Da kann sie sicherlich auch geführt werden. Aber ich denke, es würde den Fraktionen, den Parteien in diesem Land, allein wenn es um die Frage geht, wie begreife, wie definiere ich welche Begriffe, die hier auch verwendet worden sind, dass die tatsächlich mal geführt werden sollte.

Vielleicht vorab zwei Sätze zu Ihrem Antrag zum Punkt I Ziffer 1 und 2. Was soll man dazu sagen? Das Einzige, was man dazu sagen kann, ist, wenn die Leute, die in diesem Land leben, das bisher noch nicht gesagt bekommen haben, dass sie letztendlich diejenigen sind, die den wirtschaftlichen Aufschwung hier zur Schwebe gebracht haben, und das egal, ob man das hier im Plenum sagt oder an welcher Stelle auch immer, dass das natürlich den Respekt und die Hochachtung aller gebietet, dann wäre das überflüssig. Ich denke, wir brauchen uns über solche Allgemeinheiten, und ich glaube, das ist nur der Einstieg zu Ihrem Antrag gewesen, tatsächlich hier nicht auszutauschen, weil eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht zustande gekommen ist. Wir wissen es alle, es ist der Grund, weswegen wir uns darüber unterhalten und teilweise auch darüber streiten, wie wir denn tatsächlich mit den Transfermitteln, die uns in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen, so umgehen, dass möglichst die besten Ergebnisse für unser Land herauskommen.

Aber ich möchte, bevor ich auf den wichtigen Teil Ihres Antrages oder zumindest aus Ihrer Sicht wohl entscheidenden Teil Ihres Antrages eingehe, einen Satz zur Ziffer 3 sagen. Ich glaube, wir müssen hier in Mecklenburg-Vorpommern von einem Punkt wegkommen. Das ist etwas, was ich früher auch schon in meiner eigenen Fraktion gesagt habe, und das kann ich hier auch gerne noch mal wiederholen: Wir müssen davon wegkommen, dass wir Mecklenburg-Vorpommern einfach nur mit anderen Bundesländern vergleichen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Meine These! Sagen Sie das Frau Polzin!)

Wir müssen dahin kommen, ich will das jetzt mal auf die wirtschaftliche Entwicklung oder den wirtschaftlichen Zustand in diesem Land spezifizieren, dass wir tatsächlich Regionen in diesem Land mit Regionen in anderen Ländern vergleichen. Es gibt in Niedersachsen, in Bayern, in Hessen, in Nordrhein-Westfalen Regionen, die sind wirtschaftlich stark,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

es gibt in diesen Bundesländern Regionen, die sind wirtschaftlich schwach. Alles zusammen macht dann die Stärke und die Schwäche eines Bundeslandes aus. Und egal, wie sich das Land in den nächsten Jahren hier entwickeln wird, es wird nie so sein, dass alle Teile dieses Bundeslandes die gleiche wirtschaftliche Entwicklung haben.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Auch richtig.)

Dafür haben andere Teile dann vielleicht wieder eine stärkere kulturelle oder soziale Entwicklung durchgemacht. Das ist unterschiedlich.

Aber was mir wichtig ist, ist: Ich möchte an sich gerne auf den Teil II Ihres Antrages eingehen beziehungsweise auf das, was Sie dazu gesagt haben. Ich will den letz

ten Anstrich aufgreifen, weil das wohl die Zusammenfassung all dessen ist, was Sie zuvor aufgeführt haben: „Mecklenburg-Vorpommern mit alternativen Konzepten in allen Politik- und Handlungsfeldern zur Modellregion für ganz Deutschland zu entwickeln“. Darüber kann man natürlich diskutieren. Ich glaube, es wäre schlimm, wenn man nicht bereit wäre, darüber zu diskutieren. Aber die erste Frage, die sich dann natürlich stellt, ist die Frage: Wie sehen überhaupt die Alternativen in den anderen Bundesländern aus, wozu wir ein alternatives Konzept entwickeln wollen?

Wenn ich jetzt diese Stichpunkte aufgreife, die Sie angesprochen haben, wo sich das Land stärker engagieren soll, wo es sich stärker entwickeln soll, da ist von Ihnen der Bereich der Umwelttechnik/Biotechnologie genannt worden, Kreativwirtschaft. Ich glaube, es waren noch einige andere Felder, aber ich kann sie jetzt nicht alle aufzählen. Dann will ich nur mal das Feld der Kreativwirtschaft nehmen, weil ich glaube, es ist gerade die Tage gewesen, dass der Berliner Regierende Bürgermeister gesagt hat, Kreativwirtschaft, das ist der Bereich, in dem Berlin sich in den nächsten Jahren entwickeln wird. Auch da muss man vorsichtig sein, wie man Begrifflichkeiten allein verwendet, wie Alternativkonzepte sich tatsächlich darstellen und wo Modellregionen sind.

Ich glaube, was wichtig ist und was ich gerne mit Ihnen, auch mit anderen aus diesem Landtag, auch mit anderen in diesem Land diskutieren würde, ist die Frage: Wie sieht denn eine industrielle Entwicklung in diesem Land aus? Ist industrielle Entwicklung das, was die Zukunft dieses Landes prägen wird? Ich kann mich daran erinnern, vor zehn Jahren ist in Deutschland über eine postindustrielle Gesellschaft diskutiert worden. Inzwischen sind wir wohl wieder so weit, dass man sagen muss, Industrie ist auch ein Teil der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes. Die Frage ist: Welche Industrien sind es?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Ja.)

Wenn ich die Diskussion aus meiner eigenen Partei, aus meiner eigenen Fraktion in dem Zusammenhang aufnehmen möchte – nehmen Sie das Thema Energieland, Energieland 2020, Umwelttechnologie, Klimatechnologie, alles, was damit zusammenhängt –, ist das natürlich eine Frage, die man vor diesem Hintergrund dann auch diskutieren muss, nicht welche Risiken ergeben sich aus der Klimatechnologie oder aus der Umwelttechnik, sondern welche Chancen hat das für die Wirtschaft unseres Landes.

Ich will da nur ein Beispiel nennen aus Nordrhein-Westfalen. Da war ich noch wesentlich jünger, ich glaube, ich war noch nicht mal 18. Da ging es in dieser Zeit darum, dass in Nordrhein-Westfalen Rauchgasentschwefelungsanlagen bei großen Industriekomplexen diskutiert wurden. Es gab eine lange Diskussion darüber, ob das die Industrie schädigen würde oder nicht. Dann kam es nachher dazu, dass das gesetzlich vorgegeben wurde mit dem Ergebnis, dass wenige Jahre darauf in diesem Technologiebereich die Industrie dort in NordrheinWestfalen führend war. Ich glaube, das sind Überlegungen, die wir in die Diskussion einbringen müssen und wo wir es weiterentwickeln sollten.

Wir sollten vielleicht auch mal die Frage hier in diesem Land diskutieren, Begrifflichkeit Existenzgründer. Ist jeder, der ein Unternehmen gründet, auch jemand, der hinterher in der Lage ist, sein Unternehmen zu führen? Oder muss man nicht vielleicht auch die Frage aufwer

fen, dass jemand, der in der Lage ist, ein Unternehmen zu leiten, gar nicht derjenige ist, der eine Geschäftsidee entwickelt, und umgekehrt, wie man in der wirtschaftlichen Entwicklung damit weiter umgeht?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Sie sprechen mir aus dem Herzen, Herr Schulte.)

Ja, wir müssen uns auch nicht gegenseitig bekehren, man kann durchaus auch die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund stellen.

Wie gesagt, ich würde Sie bitten, ich würde Ihre Fraktion, Ihre Partei bitten, und ich glaube, den Diskussionen werden sich auch andere Parteien in diesem Land nicht entziehen wollen, dann erst mal das, worüber wir diskutieren wollen, zu definieren, damit wir nicht aneinander vorbeireden.