Protokoll der Sitzung vom 24.09.2009

Als Erste hat ums Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war doch anders abgesprochen oder wie? – Helmut Holter, DIE LINKE: Jetzt ist es nach 19.00 Uhr. Das hatten wir gestern auch.)

Wir hatten das anders abgesprochen. Ich dachte, zuerst spricht Dr. Nieszery.

Sie können auch gern wieder gehen und ich rufe Herrn Dr. Nieszery auf. Mir ist das egal.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Bevor ich mich mit dem Inhalt des Antrages auseinandersetze, möchte ich kurz darauf hinweisen, dass er eigentlich an die falsche Adresse gerichtet ist. Länder, Städte und Gemeinden erfüllen unter dem Schlagwort „Daseinsvorsorge“ vielfältige Aufgaben für die Bürger. Um sie zu finanzieren, erheben sie Steuern. Die ambulante medizinische Versorgung sicherzustellen, obliegt jedoch eindeutig nicht den Ländern, sondern den jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigungen.

(Michael Roolf, FDP: Also nicht zuständig.)

Das habe ich nicht gesagt. Nicht zuständig kommt in meinem Politikdasein nicht vor, Herr Roolf, das müssten Sie wissen.

Aber ich will noch mal ausdrücklich darauf hinweisen, dass das Gesundheitssystem in Deutschland so aufgebaut ist, dass es die Eigenverantwortung, die Selbstverwaltung der Ärzteschaft gibt. Und gerade Ihre Partei, die immer so sehr auf Eigenverantwortung pocht, Sie könnten mich darin unterstützen, dass ich von der Kassenärztlichen Vereinigung verlange, hier der Verantwortung für eine gute medizinische Versorgung im Land nachzukommen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Zum Nachlesen: Der entsprechende Passus befindet sich im Fünften Buch des Sozialgesetzbuches.

Und was mir an der Stelle wichtig ist, ich sage das eben nicht, um mich der Verantwortung für das Wohl und Weh der Mecklenburger und Vorpommern zu entziehen, sondern um klarzumachen, wie schwierig es für das Land ist, auf einen Bereich einzuwirken, der im engeren Sinne nicht in unsere Zuständigkeit fällt und wofür uns auch finanzielle Ausstattung fehlt, denn alle Versichertenbeiträge aus dem Gesundheitsfonds, zum Beispiel für Ärztehonorare, für die Sicherstellung medizinischer Versorgung, gehen an die Kassenärztliche Vereinigung. Meine Aufgabe ist es – und da setze ich den Kurs des Ministerpräsidenten fort –, hier moderierend und mit Vorschlägen zur Seite zu stehen.

Nähern wir uns dem Thema noch einmal von außen an und reisen dann gedanklich nach Mecklenburg-Vorpommern. Zunächst müssen wir den Bundesgesetzgeber in den Blick nehmen. Die Reform der gesetzlichen Kran

kenversicherung enthält wichtige Neuerungen. Sie soll sicherstellen, dass Kranke auch künftig schnell und kompetent behandelt werden, und ich nenne Ihnen gern einige Beispiele:

Die Zahl der Ärzte, die Praxisinhaber einstellen dürfen, ist nicht mehr begrenzt, die Einrichtung von Zweitpraxen, Teilzulassungen und überörtlichen Versorgungsgemeinschaften wurde erleichtert, auch über die Grenzen Kassenärztlicher Vereinigungen hinweg. Die Ärzte dürfen gleichzeitig in einer ambulanten Einrichtung und in einem Krankenhaus arbeiten und bei Privatpatienten gibt es in den neuen Ländern keine Vergütungsabschläge mehr. Die Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragsärzte wurde aufgehoben.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist das Vertragsänderungsgesetz. Das besteht schon seit zwei Jahren. Das hat Herr Grabow nicht zur Kenntnis genommen.)

Das wird bestimmt der Fraktionsvorsitzende nachher gleich ausführen.

Besonders wichtig ist mir dies: Die Reform der Honorare, die stattgefunden hat durch den Gesundheitsfonds, das wertet Mecklenburg-Vorpommerns Ärzte gegenüber ihren Kollegen in anderen Ländern auf. Die Ärzte dürfen sich über Honorare in einer Höhe von 100 Millionen Euro freuen und diese Honorarreform hat dazu geführt, dass die Arzthonorare Ost/West sich angeglichen haben zugunsten der Ärzte in unserem Land, und das war dringend erforderlich.

An der Stelle möchte ich ganz klar sagen, Forderungen von Politikern, insbesondere der CSU aus Bayern, diese Reform zurückzudrehen und regionale Honorare zu machen, würden bedeuten, dass unsere Ärzte wieder weniger bekommen, und wer diese Reform aus dem Gesundheitsfonds angreift, der muss damit rechnen, dass Ärzte hier wieder weniger Geld bekommen. Das – und da kämpfe ich für die Ärzte in unserem Land – sehe ich als Gesundheitsministerin nicht ein, denn wer einen Patienten in Mecklenburg-Vorpommern behandelt, der muss das gleiche Geld kriegen, als wenn er einen Patienten in Stuttgart behandelt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Oder in München.)

Wenden wir uns nun dem Land zu. Trotz der grundsätzlichen Zuständigkeit der Kassenärztlichen Vereinigung, die ich eingangs skizziert habe, leistet die Landesregierung natürlich ihren Beitrag, die ambulante Versorgung zu erhalten. Auch hier möchte ich Ihnen Beispiele anführen.

Und, Herr Grabow, ich finde, der Ministerpräsident hat recht, wenn er darauf hinweist, dass es eine gute medizinische Versorgung im Land gibt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die beste in Europa.)

Ich finde, bei allen Debatten um das Gesundheitssystem in Deutschland muss man zur Kenntnis nehmen, dass wir in Deutschland wirklich eine gute medizinische Versorgung haben, auch gerade hier in Mecklenburg-Vorpommern. Und fragen Sie jeden, der im Urlaub ist und dort krank wird, der erste Wunsch ist, wieder zurück nach Deutschland zu kommen, weil es hier eine gute medizinische Versorgung gibt.

Was mir Sorge macht, ist, wie können wir dauerhaft medizinische Versorgung aufrechterhalten, vor allem

für alle Menschen. Und vielleicht unterscheiden wir uns da ein bisschen politisch. Unser Anliegen ist eben, allen Menschen im Land, in Deutschland unabhängig vom Geldbeutel gute medizinische Versorgung sicherzustellen, und deswegen lehnen wir Bestrebungen ab, die dazu führen, dass Menschen immer mehr ihre eigene medizinische Versorgung selbst versichern sollen. Wir stehen hier klar für das solidarische Gesundheitssystem.

(Michael Roolf, FDP: Das sprechen Sie anderen ab, ja?)

Und ich finde, gerade in Zeiten der Krise …

(Michael Roolf, FDP: Das sprechen Sie als Ministerin anderen ab, ja? Das ist ja interessant. – Zuruf von Gino Leonhard, FDP)

Also erstens, liebe Herren von der FDP,

(Michael Roolf, FDP: Ganz entspannt, ganz entspannt.)

Herr Grabow hat es ja gesagt, er hofft, dass er nicht über die Wahlprogramme diskutiert, sondern über Ideen. Ich finde, über Wahlprogramme zu diskutieren, heißt doch, über Ideen zu diskutieren, es sei denn, in Ihrem Wahlprogramm stehen keine Ideen drin. Das müssen Sie selbst bewerten.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das kann auch sein. – Zuruf von Gino Leonhard, FDP)

Ja, gucken Sie in Ihr Wahlprogramm! Sie wollen zu Risiken der Gesundheitsvorsorge privat versichern. Und ich sage Ihnen, das führt dazu, dass sich viele Menschen dann in diesem Land nicht mehr die medizinische Versorgung leisten können,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: So ist es. So ist es.)

die es heute gibt.

(Michael Roolf, FDP: Das ist so ein Schwachsinn!)

Und dagegen bin ich als Sozial- und Gesundheitsministerin.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Michael Roolf, FDP: So ein Schwachsinn! – Zuruf von Gino Leonhard, FDP – Michael Roolf, FDP: Das ist unterste Schublade, unterste Schublade!)

Frau Ministerin, einen kleinen Moment.

Herr Roolf, also das Wort „Schwachsinn“ in so einem Zusammenhang ist unparlamentarisch, das ich hiermit zurückweise.

(Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Michael Roolf, FDP)

So, jetzt wende ich mich noch mal Ihrem Antrag zu.

(Ralf Grabow, FDP: Müssen Sie nicht.)

Schauen wir in unser Land. Der Ministerpräsident hat zu Recht gesagt, dass wir eine gute medizinische Versorgung haben. Aber er hat als damaliger Sozialminister gesehen, dass, wenn man über 10, 20 Jahre übers Land

schaut, es natürlich einen Arztmangel geben wird, nicht nur in unserem Land, sondern deutschlandweit, und hat hier Projekte auf den Weg gebracht, die wir als Landesregierung auch finanzieren aus Steuermitteln, aus Steuermitteln.

Zum Beispiel das Projekt AGnES zählt jetzt zur Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung, unter Frau Dr. Linke auf den Weg gebracht, unter Herrn Sellering in die Regelversorgung gebracht.

Mein Haus will den gemeinsamen Bundesausschuss dazu bewegen, die von ihm gestellte Bedarfsplanung praxisnäher zu gestalten. In dieser Woche wird es zu einem Treffen mit dem zuständigen Unterausschuss kommen, um diesen auf die Probleme von Flächenländern mit stark alternder Bevölkerung und den daraus erwachsenden Herausforderungen für die medizinische Versorgung hinzuweisen.

Das heißt konkret, Herr Grabow, auch die Landesregierung geht hier mit einem Modellprojekt mit Steuergeldern sozusagen rein, um für Mecklenburg-Strelitz modellhaft zu ermitteln, wie da die ärztliche Versorgung in der Zukunft aussehen muss, damit wir den Bewertungsausschuss in Berlin überzeugen können zu sagen, wir brauchen neue Maßstäbe für die Versorgung. Man muss wirklich regional gucken, welche Versorgung wir brauchen. Da sind wir als Landesregierung sozusagen der Kassenärztlichen Versorgung mit einem Modellprojekt voraus und haben uns dafür eingesetzt.

Die Universitäten in Rostock und Greifswald veranstalten auch dieses Jahr wieder Infotage bei Medizinstudenten. Kurz nach meinem Amtsantritt habe ich im letzten Jahr dort mitgemacht und natürlich dieses Jahr dort die Schirmherrschaft übernommen. Kassenärztliche Vereinigung, Krankenkassen, Krankenhausgesellschaft und Sozialgesundheitsministerium werben gemeinsam bei Medizinstudenten und beantworten Fragen, dass sie sich hier mit dem Beruf des Hausarztes niederlassen.

Wir haben außerdem das Heilberufsgesetz erleichtert. Damit wird es auch Dienstleistern und niederlassungswilligen EU-Angehörigen erleichtert, den Zugang zum ärztlichen Beruf zu bekommen. Und wir haben einen Vertrag zwischen der österreichischen Ärztekammer und der Krankenhausgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern und werben in Österreich, wo es viel mehr studierte Ärzte gibt als Arztstellen, dass diese Ärzte auch zu uns ins Bundesland kommen.

Ich habe mich dafür eingesetzt, dass nach Rostock auch die Universität Greifswald einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin erhält. Dieses Vorhaben ist auf gutem Weg, dank auch des Einsatzes der Finanzministerin und des Bildungsministers. Der Lehrstuhl wird dazu beitragen, auch an der Universität Greifswald die Allgemeinmedizin aufzuwerten.