Heinz Galinski, der erste Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, hat eine sehr treffende Definition für Demokratie gefunden. Diese lautet: „Demokratie kann niemandem aufgezwungen werden. Sie ist auch kein Geschenk, das man ein für allemal besitzen kann.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke in tiefer Trauer an die Opfer eines sinnlosen Krieges und einer entmenschlichten Gewaltherrschaft. Wir dürfen es nie mehr zulassen, dass Völker gegeneinander aufgehetzt werden, dass der Wert eines Menschen danach beurteilt wird, welcher Nationalität er angehört, welchen Glauben oder welche Überzeugung er hat,
Lassen Sie uns – bei allen Unterschieden der demokratischen Parteien – stets gemeinsam für diese Ziele kämpfen und stimmen Sie dieser Entschließung zu! – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Als Erster hat das Wort für die Fraktion der CDU der Fraktionsvorsitzende Herr Glawe. Bitte, Herr Abgeordneter.
Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist der richtige Rahmen für ein solches Erinnern? Wie gehen wir in unserem Land nach 70 Jahren Kriegsbeginn mit der Geschichte um? Wie ordnen wir dieses Ergebnis heute geschichtlich ein? Was ziehen wir für Lehren aus der Geschichte? Diese Fragen habe ich mir gestellt, als ich im Fernsehen die Bilder vom Gedenken in unserem Nachbarland Polen gesehen habe und als ich in diesen Tagen die scheußlichen und infamen Wahlplakate der NPD im Landkreis Uecker-Randow und in Ostvorpommern zur Kenntnis nehmen musste.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Stefan Köster, NPD: Soll ich Ihnen ein Taschentuch reichen?)
Wer nach Millionen Toten auf den Schlachtfeldern nach Bomben, Vertreibung und millionenfachem Mord mit volksverhetzenden Plakaten auf Stimmenfang geht, der hat aus der Geschichte nichts, aber auch gar nichts gelernt,
(Stefan Köster, NPD: Mit Ihnen wollen wir wirklich nichts zu tun haben. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
Meine Damen und Herren, die NPD ist auf einem absoluten Irrweg. Ich nenne Ihre Plakate volksverhetzend, meine Damen und Herren.
(Udo Pastörs, NPD: Aha?! – Stefan Köster, NPD: Ach, Sie bestimmen, was volksverhetzend ist? – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)
Sie verbreiten Unwahrheiten und Sie hoffen getreu der Devise Ihres Herrn Pastörs – oder war es doch der Kriegsverbrecher Goebbels –, je größer die Lüge und je unwahrscheinlicher die Lüge, desto eher wird sie geglaubt, meine Damen und Herren.
Ich finde es gut, dass wir im vereinten Europa leben, dass Menschen ihren Wohnsitz frei wählen können. Ich finde es gut, dass junge Polen heute bei uns in Kindergärten und zur Schule gehen können,
dass Familien sich im Landkreis Uecker-Randow ein Haus bauen können und dort leben wollen. Unterstützen wir dieses Zusammenwachsen, meine Damen und Herren!
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Stefan Köster, NPD: Sie finden es auch gut, dass die Deutschen wegziehen müssen.)
Es ist eine unbestrittene Tatsache, dass die Verbrechen der Nationalsozialisten in ihren Ausmaßen und in ihrer Brutalität einzigartig sind.
Der 1. September 1939 war dabei nicht der Anfang, sondern gewissermaßen der Höhepunkt der Umsetzung der auf Krieg und Unterdrückung ausgelegten Ideologie des Nationalsozialismus. Der nationalsozialistische Terror begann am 30. Januar 1933 und er ging am 1. September 1939 in einen Weltbrand über, nämlich in den Zweiten Weltkrieg. Bis zum Ende des Krieges starben 24 Millionen Soldaten und 24 Millionen Zivilisten. Die Nationalsozialisten brachten 6 Millionen Juden um. Über 1,4 Millionen Deutsche starben auf der Flucht. Unzählige Sinti und Roma wurden Opfer. Aufrechte Gegner des nationalsozialistischen Systems und andere Menschen, die nicht ins nationalsozialistische Weltbild passten – ich sage hier nur das Stichwort „Euthanasie“ –, wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Erst mit der Kapitulation am 8. Mai 1945 und der Kapitulation von Japan am 2. September 1945 endete der Zweite Weltkrieg.
Vor diesem Hintergrund ist es mir unverständlich, dass es heute Menschen gibt, die Ursachen und Ergebnisse unter dem Duktus „Nationalsozialistische Ideologien“ schief zurechtrücken oder uminterpretieren. Wir haben heute etliche Beispiele hier von der Fensterfront gehört.
Deshalb haben die Fraktionen von SPD, CDU, FDP und DIE LINKE diesen Entschließungsantrag gemeinsam gestellt. Er ist ein wichtiger Beitrag und ein Signal im Kampf für Demokratie und Toleranz.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis des Zweiten Weltkrieges waren nicht nur die Millionen Toten, waren nicht nur Flucht und Vertreibung von Millionen Menschen aus ihrer Heimat, eine Folge war auch die Teilung Deutschlands und Europas. Auch deshalb war für einen Teil der Menschen der 8. Mai zwar ein Tag der Befreiung, aber er war auch ein Tag, der mit neuen Unfreiheiten begann.
Auch daran soll heute erinnert werden. Erst im Herbst 1989 haben sich die Bürgerinnen und Bürger in einer friedlichen Revolution die Freiheit erkämpft und die kommunistische Diktatur gestürzt. Heute leben wir in einem wiedervereinigten Deutschland, in einem Europa ohne Grenzen.