Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Müller von der Fraktion DIE LINKE.

Werte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Leider zu dieser späten Abendstunde und dadurch dem Gesetz der wenigen Aufmerksamkeit unterworfen dieser Antrag von uns.

(Vincent Kokert, CDU: Wir sind ganz bei Ihnen.)

Dieser Antrag …

Geschlossen da zu sein, bedeutet aber nicht geschlossen aufmerksam.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Doch, doch.)

Dieser Antrag von uns zur Reform der Mutterschutzrichtlinie wurde im Endeffekt auch deshalb gestellt, weil wir wissen, dass unsere Landesregierung immer ihre Europa fähigkeit unter Beweis gestellt hat beziehungsweise nachdrücklich unterstützt und dargestellt hat – also Europafähigkeit.

Am 03.10. des Jahres 2008 hat die EU einen Vorschlag unterbreitet zur Reform der Mutterschutzrichtlinie. Dieses Papier beinhaltet Maßnahmen, die zur Verbesserung der Gesundheit, der Fürsorge von schwange

ren Frauen, von stillenden Müttern und Wöchnerinnen genutzt werden sollen.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben Ziele in diesem Papier vereinigt, wo wir denken, auch da kann Deutschland noch etliches für Mütter, für werdende Mütter im Bund tun. Deshalb will ich die Ziele jetzt hier mal darstellen.

Das eine und Wichtige ist, dass die Mutterschutzzeiten erhöht werden sollen. Der gesetzliche Schutz soll also verbessert werden und viel mehr zur Geltung kommen. Das ist auch ein Teil des Paktes zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Demzufolge liegt er auch dieser Landesregierung hier am Herzen, denn Familienpolitik soll ja an vorderster Stelle stehen.

Diese vorrangige Initiative zur Verbesserung der Gleichstellung der Frauen und Männer ist für uns beachtenswert. Sie gehört auch zu einem EU-Erlass, der in den Jahren 2006 bis 2010 in die Praxis umgesetzt werden soll.

Wir als Fraktion DIE LINKE unterstützen diese Maßnahmen der EU und sind dafür, dass unsere Landesregierung alles unterstützt, um die Maßnahmen schnell nationale Politik werden zu lassen, damit wir hier in unseren Ansprüchen an Familienpolitik, an Frauenpolitik, an Gleichstellungspolitik, letztendlich auch an Politik für Männer schnell vorankommen. Wir begrüßen also diese Initiative und stellen uns dabei auch vor, dass zum Beispiel durch die Art und Weise, wie in den Richtlinien dargestellt ist, wie Mutterschutzzeiten verlängert werden sollen und genommen werden dürfen, also die Inanspruchnahme, jungen Frauen, werdenden Müttern eine Flexibilität gewährleistet ist, die wir so bisher nicht haben.

Das Recht auf Mutterschutzurlaub soll laut dieser Richtlinie unabhängig sein von dem beruflichen Status von Frauen. Also mit anderen Worten: Dieser Mutterschutzurlaub soll für Frauen gelten, für alle Frauen gelten, die ein Baby bekommen, egal, ob sie sich in abhängiger Erwerbstätigkeit befinden, freiberuflich tätig sind, ob sie selbstständig beruflich tätig sind, Teil eines Familienunternehmens sind, als mitarbeitende Ehefrau arbeiten und, und, und – eine Weiterführung dessen, was wir jetzt haben. Genauso wichtig halten wir in dieser Richtlinie die Einführung der Väterkomponente. Dazu komme ich später noch mal.

Der Deutsche Bundesrat hat sich schon einmal mit diesem Thema beschäftigt. Er hat leider alles abgewiegelt mit den Bemerkungen: Das haben wir hier alles schon, das machen wir alles schon, da brauchen wir überhaupt keine Richtlinie aus Europa, auch nicht für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das, denken wir, ist nicht so. Wir beantragen, dass alles zu unterstützen ist, um schnellstmöglich diese neue Richtlinie bei uns einzuführen.

Diese Richtlinie will, ich hatte es vorher schon mal ausgeführt, die Anhebung der jetzt 14-wöchigen Schutzzeit der Mutter auf mindestens 18 Wochen. Der Frauenausschuss in der EU will auf mindestens 20 Wochen gehen. Es gibt auch andere, die auf 28 Wochen gehen wollen, wie zum Beispiel DIE LINKE in der EU.

Wir haben diese Ausweitung als positiven Ansatz gesehen, machen aber gleich darauf aufmerksam, dass in dieser Richtlinie auch die Partnerinnen von gleich

geschlechtlichen Lebensweisen miteinbezogen sind. Der Beratende Ausschuss für Chancengleichheit von Frauen und Männern hat sich mit diesem Thema auch beschäftigt. Er ist dafür, dass das EU-Parlament sich dafür ausspricht, dass eine Anhebung der Schutzzeit auf 24 Wochen durchgesetzt wird.

Gucken wir also jetzt, wie es aussieht in Europa:

Deutschland hat im Moment 14 Wochen. Mit diesen 14 Wochen wird gerade mal der Mindestanforderung des Europäischen Parlamentes Rechnung getragen. Wir, Deutschland, zählen zum Schlusslicht. 14 Wochen haben nur noch Schweden und Malta. Andere Länder gehen mit ihren jungen Müttern anders um, sie bekommen mehr Schutz.

(Regine Lück, DIE LINKE: So ist es.)

So haben Irland und Island zum Beispiel 26 Wochen für ihre jungen Mütter veranschlagt. Tschechien zum Beispiel hat 28 Wochen,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Keine Erziehungszeiten dazu.)

Bulgarien hat für das erste Kind 30 Wochen, für das zweite Kind 37,5 Wochen und für das dritte Kind sogar 40 Wochen.

Ich habe sehr wohl diesen Einwurf von Frau Peters gehört, keine Erziehungszeit dazu. Da sind wir genau bei dem Punkt, den wir auch bei der Rentendiskussion haben. Wenn wir Schutzzeiten für unsere jungen Mütter haben wollen, bedeutet das nicht, dass wir an den Erziehungsurlaub rangehen. Das ist politisch gewollt oder nicht gewollt. Das ist Entscheidung der Fraktionen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das können Sie doch nicht außer Acht lassen, Frau Müller.)

Entschuldigung, Frau Seemann, nicht Frau Peters.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das können Sie doch nicht außer Acht lassen, Frau Müller.)

Ich lasse es nicht außer Acht, ich sage, dass man das nicht zusammenzumischen braucht, wenn man das nicht möchte, wenn man es untersetzen kann.

Wir haben also auch die Väterkomponente, mit einigen Wunden. Diese Väterkomponente besagt, dass Väter zwei Wochen dieser Zeit obligatorisch als Väter Urlaub nehmen sollen.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Müssen, zum Mutterschutz. Der Mutterschutz dient der Gesundheit der Frau und nicht der Erziehung der Kinder.)

Nicht können, nicht dürfen, nicht wollen, nicht sollen, sondern müssen.

(Jörg Vierkant, CDU: Das sind doch zwei verschiedene Paar Schuhe.)

Für diese Zeit wird auf jeden Fall gewährleistet, dass der Vater mehr in die Familie eingebunden wird,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

mehr in die neue Orientierung, mehr in die neue Art und Weise, wie Familienarbeit organisiert werden muss, mehr dazu tun kann, dass die Erholung der Mutter gewährleistet ist, und letztendlich – das höre ich auch immer wieder als Argumentation –, dass die berufliche Orientierung der Mutter in Ruhe vonstattengehen kann.

Der Europäische Kommissar Vladimír Špidla hat von Anfang an gesagt, dass diese ganzen Maßnahmen vonstattengehen müssen, natürlich mit einem vollständigen Lohnausgleich. Da gibt es etliche Länder, die das schon machen, auch Deutschland macht das. Das Argument, was mir oftmals entgegenkommt, dass dadurch die Frauen schlechtergestellt sind, weil Frauen nicht eingestellt werden, weil für sie ja dieser Pauschalbeitrag gezahlt werden muss vom Arbeitgeber …

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist zutreffend, Frau Müller.)

Frau Abgeordnete Müller …

Nein, ist nicht zutreffend, der Arbeitgeber zahlt für alle Arbeitnehmer, also Mann und Frau. Demzufolge trifft das nicht zu.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Doch. Dann würde die Frau als Gefahr für den Arbeitsmarkt gesehen.)

Ich bitte Sie, dann noch mal genau zuzuhören, was Frau Borchardt zu diesem Thema zu sagen hat. Wir bitten Sie, die Maßnahmen zur schnellen Umsetzung dieser Richtlinie zu unterstützen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Müller.

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Zuerst hat um das Wort gebeten die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Mutterschutzrichtlinie kommt schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen zugute.

Die Richtlinie definiert Standards. Diese Standards sollen die Gesundheit der Frauen schützen und ihre Situation sichern. Jede Frau, die schon mal ein Kind bekommen hat, weiß sehr genau, wie wichtig Schutz und Sicherheit in dieser Lebenslage sind, und sicherlich weiß es auch jeder fürsorgende Vater, dass das wichtig für die werdende Mutter ist. Die Richtlinie regelt den Mutterschaftsurlaub und untersagt jegliche Diskriminierung von Müttern.

Vor etwas mehr als einem Jahr hat die EU-Kommission angeregt, die Mutterschutzrichtlinie zu reformieren. Im Kern geht es dabei um drei Punkte: