Protokoll der Sitzung vom 19.11.2009

Ich bin deshalb sehr dafür, dass wir die gesellschaftliche Verankerung der Bundeswehr stärken und dass wir ihre Akzeptanz in der Gesellschaft der Bundesrepublik erhalten.

Meine Damen und Herren, der Antrag der LINKEN und auch meine Überlegungen sehen allerdings in der Frage der Abschaffung oder Nichtabschaffung der Wehrpflicht noch ein ganz anderes Problem, weil Wehrpflicht auch in sehr starker Weise mit dem Thema Zivildienst und anderen Ersatzdiensten verknüpft ist.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist richtig.)

Die Frage der Wehrpflicht erweitert sich damit um die Frage des gesellschaftlichen Engagements.

Dieses Engagement und das Interesse an den freiwilligen Diensten hat derzeit Hochkonjunktur. Herr Ritter hat es schon erwähnt: Die Zahl der jungen Leute, die sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr bewerben, ist im Augenblick dreimal so groß wie die zur Verfügung stehenden Stellen. Hier, meine Damen und Herren, besteht eindeutig Handlungsbedarf.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Die Sozialministerin hat uns in einem Gespräch versichert, dass sie mit ihren Länderkollegen klären wird, welche Initiativen des Bundesrats geeignet sind, um hier Abhilfe zu schaffen. Diese Bestrebungen, Kollege Ritter, können Sie und kann Ihre Fraktion ganz sicher unterstützen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Nanu!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, viele junge Leute begreifen ihre Dienstzeit und ihre Aufgabe auch als eine persönliche Bereicherung. Sie engagieren sich in freiwilligen Diensten in hervorragender Weise. Wir haben zum Beispiel in der SPD-Fraktion auch eine junge Frau im Freiwilligen Demokratischen Jahr, die mit ihrer Arbeit unsere Fraktionsarbeit bereichert.

Der Ersatz des Zivildienstes bietet jungen Menschen eine Möglichkeit, ihr Engagement für die Gesellschaft umzusetzen. Eine Abschaffung, und auch das sollten wir bedenken, würde gerade diejenigen profitieren lassen, die sich nicht für das Gemeinwohl einsetzen wollen und die ihren persönlichen Eigennutz über das Gemeinwohl stellen. Dieses zu fördern, meine Damen und Herren, kann nicht unser Ziel sein.

Aber noch einmal zur Frage der Wehrdienstzeit, denn das gehört damit zusammen, und zur Zivildienstzeit. Den Zivildienst auf sechs Monate analog zur Wehrdienstzeit zu verkürzen, halte ich nicht für richtig. Dieses führt zu großen Problemen bei den Trägern, die uns teilweise damit drohen, aus der Trägerschaft für den Zivildienst auszusteigen, weil ihr Aufwand in den Einsatzstellen, insbesondere bei der Ausbildung der Zivildienstleistenden, unverhältnismäßig hoch wird.

Ich bin, meine Damen und Herren, der Meinung, dass wir die Wehrpflicht fortentwickeln müssen. Sie muss in Zukunft in einer Kultur der Freiwilligkeit und des sozialen Engagements eingebunden sein und das bedeutet auch, dass die Freiwilligkeit beim Wehrdienst gestärkt wird.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Also keine Wehrpflicht mehr?)

Dazu ist es aber notwendig, die Attraktivität des Grundwehrdienstes zu steigern und das Ganze in ein Gesamtkonzept von freiwilligen Diensten einzubinden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Also Abschaffung der Wehrpflicht? Freiwillige Wehrpflicht?!)

Nein, Herr Ritter, ich denke, Sie sollten mir zuhören. Ich habe, glaube ich, eine Reihe von Argumenten gebracht, warum ich die Abschaffung der Wehrpflicht nicht für richtig halte.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Im Gegenteil, meine Damen und Herren, für unser sicherheitspolitisches Selbstverständnis, für die Qualität und für das Ansehen der Bundeswehr, für ihre Einbettung in

die Gesellschaft, für das gesellschaftliche Gesamtgefüge und nicht zuletzt für das Wohl der jungen Menschen bei der Bundeswehr und in den zivilen Diensten hat die Wehrdienstpflicht für mich auch in Zukunft eine Legitimation. Deswegen, Herr Ritter, werden wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Danke, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Leonhard von der Fraktion der FDP.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Den Kollegen der Fraktion der LINKEN gilt es zunächst wiederum einmal mehr, Dank auszusprechen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Bitte!)

Dank dafür, dass wir jetzt, aber sicher auch zukünftig sehr viele Themen, die sich im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP auf Bundesebene wiederfinden,

(Vincent Kokert, CDU: Den arbeiten wir jetzt ab.)

diskutieren werden.

Sehr geehrter Ritter, auch wenn Sie den Einwand gemacht haben, dass in Mecklenburg-Vorpommern Wehrdienst besteht, der Wehrdienst besteht bundesweit.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist richtig. Das habe ich nicht bezweifelt. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Es ist durchaus eine bundesweite Regelung, deswegen reden wir heute wieder darüber. Unabhängig davon werden wir uns als FDP natürlich mit diesen Anträgen auseinanderzusetzen haben. Da Sie sich mit Vorliebe diese Themen heraussuchen, bei denen es im Koalitionsvertrag zu einem Kompromiss gekommen ist, bietet sich damit auch jeweils die Gelegenheit, die Position der FDP,

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

auch die der FDP-Fraktion, meiner FDP-Fraktion, hier darzustellen.

(Vincent Kokert, CDU: Nein, der LINKEN geht es nur um die Inhalte.)

Insoweit noch einmal einen herzlichen Dank an die Kollegen der Fraktion DIE LINKE.

(Zurufe von Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE: Bitte!)

Meine Damen und Herren, bevor ich näher auf das Thema Wehrpflicht eingehe, gestatten Sie mir noch die Vorbemerkung, dass es natürlich nicht einmal im Ansatz um das Thema existenzielle Berechtigung der Bundeswehr geht. „Die Bundeswehr ist“, und genauso können Sie das auch im Koalitionsvertrag nachlesen, „ein wesentliches Instrument deutscher Friedenspolitik“, meine Damen und Herren.

(Michael Roolf, FDP: Sehr richtig.)

Meine Damen und Herren, der Vollständigkeit halber ist dann auch der folgende Satz aus dem Koalitionsvertrag zu erwähnen: „Wir wollen auch in Zukunft eine leistungsfähige Bundeswehr als unverzichtbares Instrument für den Schutz Deutschlands und seiner Menschen ebenso wie für die internationale Krisenvorsorge und Konfliktbewältigung erhalten.“

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Aha?!)

Ein anderes Thema ist die Frage nach der Zukunft der Wehrpflicht. „Die Wehrpflicht hatte in den letzten Jahrzehnten ihre Berechtigung“ und die Wehrpflicht hatte sich zu Zeiten des sogenannten Kalten Krieges auch bewährt, aber die Rahmenbedingungen haben sich inzwischen verändert, die sicherheitspolitische Lage hat sich ebenso wie das Aufgabenspektrum der Bundeswehr geändert. Deshalb besteht auch Konsens. So ist es im Koalitionsvertrag nachzulesen, dass den „Veränderungen angemessen Rechnung zu tragen (ist)“.

Deshalb soll zunächst quasi in einem ersten Schritt die Wehrdienstzeit bis Anfang 2011 auf sechs Monate verkürzt werden. Man könnte sagen, der Einstieg zum Ausstieg.

Meine Damen und Herren, es ist sicher unstreitig, dass die internationalen Anforderungen an die Bundeswehr in den vergangenen Jahren stetig gewachsen sind und damit sind auch die Anforderungen an die Soldatinnen und Soldaten stetig gewachsen. Dazu bedarf es größtenteils professioneller Kräfte. Wenn von der Bundeswehr verlangt wird, sich verstärkt Auslandseinsätzen zu widmen, und man von 10.000 Mann gerade einmal 250 Mann dafür aufbieten kann, dann muss man sich um die Strukturen kümmern, meine Damen und Herren.

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Es passt dauerhaft nicht zusammen, Jahr für Jahr Zehntausende Wehrpflichtige auszubilden, die dann aber für die benötigten Einsätze gar nicht infrage kommen. Damit wird deutlich, dass die gewachsenen internationalen Anforderungen an die Bundeswehr die traditionelle Wehrpflichtarmee letztlich überfordern.

Natürlich muss auch noch ein anderer Aspekt erwähnt werden, die Wehrgerechtigkeit. Wenn von einem Jahrgang nur etwa 17 Prozent tatsächlich Dienst bei der Bundeswehr und ebenfalls etwa 17 Prozent ihren Zivildienst leisten können, dann stellt sich die Frage nach der Wehr- und Dienstleistungsgerechtigkeit, meine Damen und Herren.

Ungerechter kann ein System kaum sein, wenn nur etwa ein Drittel ihren Pflichtdienst leistet und zwei Drittel nicht herangezogen werden.

(Vincent Kokert, CDU: Ja.)

Meine Damen und Herren, die FDP setzt sich auch weiterhin für die Aussetzung der Wehrpflicht ein. Der Zivildienst wird häufig als Begründung für den Wehrdienst genannt. Gerade das halte ich allerdings für nicht angemessen, denn das Zivildienstgesetz gibt ganz klar vor, dass alle Tätigkeiten von Zivildienstleistenden arbeitsmarktneutral sein müssen. Das scheint mir doch nicht immer der Fall zu sein.

(Vincent Kokert, CDU: Das glaube ich auch. – Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Meine Damen und Herren, die Ziffer 2 des Antrags der Fraktion DIE LINKE hat das Ziel einer Bundesratsinitia

tive. Die darin enthaltene Forderung nach einer Erweiterung, der Stärkung und attraktiveren Ausgestaltung von freiwilligen Diensten ist im Grunde auch von unserer Fraktion zu begrüßen. So kann und so soll beispielsweise das Freiwillige Soziale Jahr die Möglichkeit für eine berufliche Orientierung und das Kennenlernen sozialer Berufsfelder eröffnen.