Protokoll der Sitzung vom 18.12.2009

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist eine persönliche Erklärung?)

Es sollte also die Regelung gelten wie bisher im alten, im nach Verkündung des neuen Gesetzes nicht mehr gültigen Landesbeamtengesetzes.

(Irene Müller, DIE LINKE: Was ist das für eine persönliche Erklärung?)

Ja, das ist meine persönliche Erklärung.

(Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Ich hatte geglaubt, dass die am 25.11. übermittelte Formulierung mehrheitsfähig sei.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Wo ist die persönliche Erklärung, Herr Dr. Jäger? – Udo Pastörs, NPD: Das werde ich in jeder Sitzung jetzt genauso machen, in jeder. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Es ist also so, dass niemand – und jetzt kommt das, was ich persönlich hier deutlich machen will – zu keinem Zeitpunkt das wollte,

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

was von dieser Stelle hier Herr Kollege Dr. Timm gesagt hat, nämlich, dass jegliche Einzelfallprüfung vom Tisch gewischt und wie ein Fallbeil nur nach Aktenlage entschieden werden sollte. Wer uns kennt, weiß, dass wir das nicht wollten. Und da wir in der Vorweihnachtszeit sind und ich meine, dass es auch richtig war, dass hier mehrfach heute die Wahrhaftigkeit eingefordert wurde, erlaube ich mir zu verweisen bei den zehn Geboten auf das neunte Gebot.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Ich meine, dass Wahrhaftigkeit zumindest für uns Christen eine sehr verbindliche Richtschnur auch in der Politik sein sollte.

(Udo Pastörs, NPD: Die Praxis sieht aber anders aus. – Zuruf von Raimund Frank Borrmann, NPD)

Und deswegen habe ich hier gestanden. – Ich bedanke mich.

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Meine Damen und Herren, ich darf noch einmal auf Paragraf 96 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung verweisen. Da heißt es, ich zitiere: „Jedes Mitglied des Landtages darf erklären, dass und warum es sich der Abstimmung enthalten hat.“ Das hat Herr Dr. Jäger eben gemacht und ich habe von daher diese Rede auch so zuzulassen. Andere Kommentare oder Bewertungen stehen dem Hohen Haus an der Stelle nicht zu.

(Reinhard Dankert, SPD: Korrekt.)

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 24: Beratung des Antrages der Fraktion der NPD – Landestypische Bausubstanz erhalten – Schutz unseres baukulturellen Erbes festigen, Drucksache 5/3029.

Antrag der Fraktion der NPD: Landestypische Bausubstanz erhalten – Schutz unseres baukulturellen Erbes festigen – Drucksache 5/3029 –

Das Wort zur Begründung für die Fraktion der NPD hat der Abgeordnete Müller. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einst unter erheblichem Aufwand errichtet, nunmehr mit Fördergeldern teuer abgerissen. Mit diesem Satz lässt sich die derzeitige Baupolitik im Land kurz und prägnant zusammenfassen.

Die Vergabepraxis von Geldern der öffentlichen Hand für den Bereich des Stadtumbaus erschöpfte sich in den letzten Jahren nicht nur in der Rückbauförderung von Plattenbauvierteln. Während die Beseitigung kommunistischer Schandflecke noch zu begrüßen wäre, so schwerwiegender ist der regelrechte Missbrauch staatlicher Abrissförderung für historische Altstadtquartiere. Denn in einem nicht unerheblichen Maße wurden in den letzten Jahren die ausgereichten Finanzmittel auch zum Schaden heimatlicher Regionalarchitektur verwendet.

Spätestens seit der im Sommer beschlossenen Fortschreibung des Bund-Länder-Programms „Stadtumbau Ost“ bis 2016 sollte der subventionierte Abriss in den Städten unseres Landes einer gründlichen Überprüfung unterzogen werden. Mit Beginn des StadtumbauOst-Programms wurden seit 2002 insgesamt 2,5 Milliarden Fördergelder ausgeschüttet, wovon auch das Land Mecklenburg-Vorpommern bis dato 94 Millionen Euro für den Abriss und teilweisen Rückbau von Wohnungen beisteuerte.

Die zunächst erhofften Positivauswirkungen des Kassenmittelabflusses zum aktiven Stadtumbau verkehrten sich schnell ins Gegenteil. Aus dem Programmteil Rückbau, wie es so schön im etablierten Schönsprech heißt, ist ein regelrechter Raubbau an der architektonischen Identität und an unserem baukulturellen Erbe betrieben worden. Die Modernisierung und Instandsetzung von innerstädtischem Wohnbestand verquickte sich vielerorts mit

dem bezuschussten Rückbau von Altbauten. Private wie kommunale Wohnungseigentümer nutzten hierbei die Fördermittel, zumindest zum partiellen Abriss von historischen Gebäuden. Bei der Förderung des sogenannten Rückbaus des leer stehenden Wohnungsraums sind größtenteils auch Altbauten eingeschlossen, die trotz Denkmalschutzunwürdigkeit im öffentlichen Interesse stehen, aber durch Abriss vollständig aus dem Ortsbild verschwanden.

Viele ganzheitliche historische Stadtensembles litten darunter in einer Weise, die unumkehrbar und irreparabel ist. Eine regelrechte Kannibalisierung der eigenen architektonischen Geschichte ist für jeden sichtbar, der offenen Auges durch die Städte Mecklenburg und Vorpommerns geht. Jeder kann sich bei einem Spaziergang durch historische Altstädte im Land von den Förderergebnissen überzeugen.

Es genügt, einige Schritte weg vom Schloss zum Marienplatz zu unternehmen, um sich die Auswirkungen Ihrer Politik, meine Damen und Herren hier im Hohen Haus, vor Augen zu führen. Das vom Fraktionsvorsitzenden der Neo-SED einst geführte Bauministerium bewilligte bereits 2001 den Abriss eines Fachwerkspeichers aus der Gründerzeit, um einem monströsen Einkaufszentrum Platz zu machen.

(Regine Lück, DIE LINKE: Sie wissen doch gar nicht, was Sie da reden. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Hierbei fügt sich weder der bereits begonnene Bau in die Gesamtästhetik der Schweriner Altstadt ein, noch trug der Genosse Holter dem Umstand Rechnung,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dass mit Gewissheit nach Fertigstellung des Einkaufzentrums ein ruinöser Wettbewerb für die umliegenden kleinen Altstadtgeschäfte bevorsteht. Auch hier spiegelt sich der ewige Hass der LINKEN auf alles Traditionelle, auf alles Heimatliche und Verwurzelte wider.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das haben doch die Regionen immer selbst entschieden auf Beantragung, das müssten Sie doch wissen. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Es verwundert daher auch nur wenige, dass die Stadtratsfraktion der Linkspartei von Anfang an das Großprojekt befürwortete, zumal die Konzentration des Einzelhandels schon einst im doch erfolglosen, aber propagierten real existierenden Sozialismus forciert worden ist. Das Bestehende zerstören, um durch die Errichtung eines neuen Einkaufszentrums dem Götzenkonsum zu huldigen,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

dies ist heute wie damals das Credo jener sogenannten Volksvertreter, die ihr Handwerk noch zu Zeiten Erich Honeckers erlernt haben. Ich muss, so glaube ich, nicht auf den Einsatz von Architekten und Denkmalschützern zu DDR-Zeiten eingehen, ohne deren Widerstand Schwerin überhaupt keine Altstadt besitzen würde. Dieser zäh erkämpfte Erfolg scheint in dem heutigen Staatssystem nicht lange Bestand zu haben. So konstatierte eine Professorin,

(Zurufe von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE, Irene Müller, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)

die Mitglied in der Bürgerinitiative „Marienplatz“ war, dass der Zuspruch im Volk zum Erhalt dieses baukulturellen Erbes gewaltig gewesen sei. Genutzt hat es nichts. Der Fachwerkspeicher fiel unter den Augen der Landespolitik dem baulichen Gigantismus zum Opfer.

All zu deutlich offenbart aber das Fallbeispiel am Marienplatz die heutige baupolitische Devise in MecklenburgVorpommern. Was angloamerikanische Bombenpiloten im Zweiten Weltkrieg noch übrig ließen und 40 Jahre DDR nicht flächenhaft abrissen, wird heutzutage durch eine bauliche Zäsur vollendet. Es scheint den derzeitigen Machthabern schlichtweg egal zu sein, dass klaffende Lücken in Altstadtquartieren endgültig und baukulturelle Aushängeschilder für nachkommende Generationen verloren sind. Tatsache bleibt, dass in einem nicht mehr hinnehmbaren Maße die staatlich subventionierte Rückbauförderung bauliche Architekturleistungen unwiederbringlich zerstören.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Aber von einem notwendigen Paradigmenwechsel fehlt im Stadtumbau-Ost-Programm und in dem begleitenden Städtebauförderungsprogramm des Landes jede Spur. Stattdessen wurde die förderfähige Zerstörung historischer Altstadtensembles noch als Erfolgsmodell gefeiert. Die planmäßige Zerrüttung architektonischer Stadtstrukturen infolge des Abrisses einzelner Altstadtbauten rechtfertigen in keiner Weise die offiziellen, für die Wohnqualität relevanten Aufwertungsmaßnahmen. Hierbei steht natürlich auch vielen Wohnungsgenossenschaften und privaten Wohnungsverbänden der kapitalistische Zweck Pate, der die Mittel zu heiligen scheint.

(Zuruf von Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Die Lobby der Wohnungswirtschaft macht mittlerweile ein profitables Geschäft mit dem Abriss von historischen Bauwerken. Im Einklang mit der von der etablierten BRD-Politik verursachten demografischen Überalterung unseres Volkes soll hierbei offiziell der Leerstand von Wohnungen in den Kommunen begegnet werden. Mit staatlicher Förderung wird versucht, die Städte gesundzuschrumpfen, die zudem an steter Abwanderung der Einwohner leiden.

(Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Faktisch werden Förderleistungen aus Städteumbau Ost und dem Landesprogramm zur Städtebauförderung von einigen Städten im Land zur gut bezahlten Vernichtung von historischer Baukultur verwendet. Viele Kommunen, die Anfang der 90er die Plattenbauten aufwendig saniert hatten, haben einfach kein Interesse daran, diese kurz darauf mit Fördergeldern abreißen zu lassen, insofern diese auch für marode Altstadtquartiere abgeschöpft werden können.

Vom nationalen Standpunkt stellen sich des Weiteren die Fragen: Warum will man auf landespolitischer Ebene das architektonisch kulturelle Erbe in vielen Städten Mecklenburg und Vorpommerns zunichte machen?

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Geschieht dies aus rein technokratisch zweckgebundenen Überlegungen und zum alleinigen Zweck der Wohnungswirtschaft?

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Oder besitzt der Abriss einst prachtvoller deutscher Altstädte auch eine ideologische Komponente?

(Zurufe von Irene Müller, DIE LINKE, und Birgit Schwebs, DIE LINKE)

Es würde hier den Rahmen sprengen, um weiter auf Einzelfallbeispiele von Bausinn und einfallsloser Architektur von der Stange einzugehen.