Protokoll der Sitzung vom 12.03.2010

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Aber mit der Verabschiedung …

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Das ist die Erfahrung, Herr Renz, und die Kenntnis dessen, was Ihre Partei vor zwei Jahren so von sich gegeben hat.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Richtig.)

Aber mit der Verabschiedung der Berliner Erklärung durch den Bundesvorstand der CDU am 15.01.2010

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

haben sich inzwischen die in deutschen Parlamenten vertretenen demokratischen Parteien für eine Finanztransaktionssteuer ausgesprochen, außer der FDP. Um bis hierher zu kommen, war es ein langer Weg, und ohne die weltweite Finanzkrise, ohne den größten Konjunktureinbruch in der bundesdeutschen Wirtschaft seit dem Zweiten Weltkrieg gäbe es diese Debatte heute wohl an dieser Stelle nicht.

(Rudolf Borchert, SPD: Wohl wahr.)

Und, meine Damen und Herren, es ist ja auch nicht zu übersehen: Die Gelegenheit zur Einführung dieser Steuer ist so günstig wie selten, denn mehr und mehr wächst in der Öffentlichkeit der Unmut, dass es auch ein Jahr nach dem offensichtlichen Vorhandensein der Krise zu wenig konkrete Beschlüsse und Maßnahmen gibt, um eine Wiederholung des Krisenszenarios von 2008 zu verhindern und die Banken an den Folgekosten zu beteiligen. Während die Bundesregierung im Herbst 2008 schnell und effizient das Bankenrettungspaket schnürte und ganz bewusst darauf verzichtete, Banker, Manager und Finanzspekulanten in die Haftung einzubeziehen oder gar eine adäquate Gegenleistung für die Rettung einzufordern, von öffentlichen Anteilen ganz zu schweigen, findet sich dann auch folgerichtig im schwarz-gelben Koalitionsvertrag kein Wort dazu. Die Mitverursacher der weltweiten Finanzkrise werden verschont, und wenn die Bundeskanzlerin manchmal moralisierend auf die Unersättlichkeit der Finanzmanager hinweist, wird das als wegweisend gefeiert.

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Zum Glück, meine Damen und Herren, gab es aber und gibt es auch Lichtblicke im christdemokratischen Meinungsspektrum, zum Beispiel als Bundespräsident Köhler zur Amtseinführung des schwarz-gelben Kabinetts vorsichtig eine internationale Finanztransaktionssteuer anmahnte oder deutlicher, wenn sich der ehemalige Generalsekretär Heiner Geißler äußert. Und ich zitiere ihn: „Im Grunde genommen müsste man nur noch Skandal, Skandal schreien, dass die Einführung einer solchen Steuer bisher von den Mächtigen, die über die Kapitalinteressen auf dieser Erde verfügen und sich gegen die Politik durchgesetzt haben, verhindert worden ist.“ Zitatende.

(Marc Reinhardt, CDU: Leute, hört die Signale!)

Hört die Signale von Herrn Geißler! Genau.

Aber, meine Damen und Herren, trotzdem müssen wir der Realität ins Auge schauen.

(Torsten Renz, CDU: Richtig.)

Die von den SPD-Ländern auf den Weg gebrachte und von Mecklenburg-Vorpommern unterstützte Bundesratsinitiative, die in meinen Augen also eine ziemlich watteartige Konsistenz hat, wurde von der Bundesregierung umgehend abgelehnt, und das, meine Damen und Herren, obwohl sich auch Deutschland in den vergangenen Jahren maßgeblich daran beteiligt hat, den Finanzsektor zu deregulieren. Ich denke nur an die Zulassung von Hedgefonds, die Privatisierung der Rente oder steuerliche Vergünstigungen für die Verbriefung von Krediten zu Wertpapieren. Dafür hat Rot-Grün den Weg frei gemacht. Später verabschiedete die Große Koalition Steuergeschenke für Private Equity Fonds. Das sind Fonds, die ihr Vermögen in nicht börsennotierten mittelständischen Unternehmen anlegen. Aus diesen Betrieben werden dann überdurchschnittliche Gewinne gepresst, selbstverständlich auf Kosten der Beschäftigten.

Niemand wird mittlerweile bestreiten, dass Deregulierung und Liberalisierung politisch vorangetrieben wurden. Und wozu hat dies geführt? – Nicht mehr der Finanzsektor dient den Betrieben und Volkswirtschaften, sondern die Realwirtschaft steht im Bann der Vorgaben der Finanzbranche. Neue Akteure und Produkte ohne irgendeinen volkswirtschaftlichen Nutzen haben die Risiken erhöht und den Druck auf Unternehmen verstärkt. Allianz, Münchener Rück und Deutsche Bank gehören zu den größten Global Playern. Und mit einem weltweiten Marktanteil von mehr als 20 Prozent steht die Deutsche Bank auf Platz eins der Devisenspekulationen.

Unvorstellbar auch, meine Damen und Herren, allein an der EUREG, der Frankfurter Derivatebörse, wird das deutsche Bruttoinlandsprodukt sechzig Mal umgeschlagen. Und damit gehört Deutschland neben Großbritannien schon wieder zu den weltweit führenden Finanzplätzen.

Deshalb, meine Damen und Herren, hat unsere Fraktion im Bundestag am 26. Januar 2010 einen Antrag eingebracht, der die Einführung einer Transaktionssteuer fordert, um die massive Bedrohung der ökonomischen Stabilität und Demokratie durch die rasante Expansion der Finanzmärkte zurückzudrängen und möglicherweise auch umzukehren

(Wolfgang Griese, DIE LINKE: Das wurde natürlich abgelehnt.)

und, meine Damen und Herren, weil wir davon überzeugt sind, dass die Einnahmewirkung einer solchen Finanztransaktionssteuer gerade solche Akteure belastet, die mit kurzfristigen, zumeist spekulativen und höchst gefährlichen Geschäften im globalen Finanzkasino den schnellen Euro verdienen wollen. Und genau diese Akteure haben in den vergangenen Jahren riesige Gewinne im Finanzkapitalismus eingestrichen und mit ihrem Verhalten die globale Finanzkrise ausgelöst. Unser Antrag wurde im Bundestag – und auch das ist ein Lichtblick, finde ich – zumindest in die Ausschüsse überwiesen.

Und ganz nebenbei bemerkt, meine Damen und Herren, seit 2005 hat unsere Bundestagsfraktion fast 20 Anträge eingebracht, die sich mit der Regulierung der Finanzmärkte beschäftigten.

(Udo Pastörs, NPD: Und was hat es gebracht?)

Allesamt wurden abgelehnt. Aber es lässt sich nicht verhehlen, DIE LINKE wirkt, und zwar gemeinsam mit den inzwischen fast 70.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der Onlinepetition zur Einführung einer Transaktionssteuer oder innerhalb der Kampagne „Steuer gegen Armut“, die von 19 Einzelpersonen und mittlerweile 54 Organisationen getragen wird, und zwar nicht nur von den üblichen Verdächtigen wie den LINKEN,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dem DGB oder Oxfam, nein, dazu zählen sich auch das Bischöfliche Hilfswerk MISEREOR, die IPPNW, das Oswald von Nell-Breuning Institut,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

das Netzwerk Steuergerechtigkeit Deutschland, aber auch die Ethik- und die GLS Bank, also ein breites parteienübergreifendes und unabhängiges Netzwerk, das diese Forderungen unterstützt.

Und weil es diese Forderungen gibt, die Zeit der Prüfungen ganz offensichtlich vorbei ist, schlagen wir Ihnen vor, Ihren Antrag zu qualifizieren und zu konkretisieren, denn die nächsten Schritte, meine Damen und Herren, müssten jetzt sein, eine verbindliche Absichtserklärung von Bundesregierung und Bundestag, sich für eine solche Steuer einzusetzen. Frankreich und Belgien haben im Übrigen entsprechende Parlamentsbeschlüsse. Und man muss nicht erst die Zustimmung des Restes der Welt abwarten, um mit der Einführung der Steuer zu beginnen. Es macht nämlich Sinn, diese im Rahmen der EU und der Schweiz einzuführen. Das sollte ein machbares Ziel sein, denn auch Gordon Brown und Nicolas Sarkozy haben ähnliche Forderungen geäußert. Und im Übrigen gibt es in diesen beiden Ländern auch eine Steuer auf Boni, und selbst in China gibt es inzwischen eine Bonisteuer für Bankmanager.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss möchte ich an dieser Stelle einige Worte von Arthur Schopenhauer zitieren.

(Udo Pastörs, NPD: Oh!)

Dieser stellte einmal fest: „Jede neue Idee durchläuft drei Entwicklungsstufen: In der ersten wird sie belacht, in der zweiten bekämpft und in der dritten ist sie selbstverständlich.“ Mir scheint, wir sollten uns auf den Weg machen von der zweiten auf die dritte Stufe. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam tun und stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Frau Schwebs.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Borchert von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Welt befindet sich noch immer in der größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 80 Jahren. Weltweit mussten die Regierungen gigantische Summen in den internationalen Finanzmarkt pumpen, um ihn vor einem Kollaps zu bewahren, und das oftmals um den Preis einer enormen und nie dagewesenen Staatsverschuldung.

In der heutigen Presse ist nachzulesen, dass die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Deutschland – Bund, Länder und Kommunen – im Jahre 2009 nach den erfolgten Endabrechnungen insgesamt

120 Milliarden beträgt. Sie können davon ausgehen, dass der Betrag in 2010 noch bedeutend höher liegen wird.

Der weltweite Schaden, meine Damen und Herren, der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise entstanden ist, wird vom IWF, vom Internationalen Währungsfonds, im Herbst 2009 auf 3,4 Billionen Dollar beziffert und nach Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation hat die Krise weltweit mehr als 20 Millionen Jobs vernichtet, weitere 5 Millionen sind nach wie vor akut gefährdet. Und noch immer schlummern sogenannte toxische Papiere in Milliardenhöhe in den Depots der Banken. Allein in Deutschland schätzt man den Betrag auf 100 Milliarden Euro.

Keiner, keiner weiß abschließend, wie viel Geld von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern noch benötigt wird, um die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu schultern. Einerseits werden enorme Summen auch in Deutschland für die Rettung maroder Banken und Ver sicherungen bereitgestellt und andererseits ist bei den Geretteten schon wieder von Rekordgewinnen die Rede und jede Einmischung des Staates gilt als unanständig.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das verstehen die Menschen zu Recht natürlich nicht mehr. Der Vertrauensverlust in den Finanzmarkt ist enorm und es wird auch zum Vertrauensverlust in die Politik führen, wenn wir es jetzt nicht schaffen, auch die Verursacher der Krise mit in die Haftung zu nehmen. Es kann also nicht sein, dass die Gewinne weiter privatisiert und ihre oftmals aus waghalsigen Spekulationsgeschäften entstandenen Verluste sozialisiert werden. Wir müssen die Lasten der Krise gerechter verteilen und die Mitverursacher an den Kosten der Krisenbewältigung beteiligen.

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, um dies zu erreichen, werden zurzeit viele mögliche Instrumente und Maßnahmen zur stärkeren Deregulierung der Finanzmärkte diskutiert. Der vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen ist dazu ein Beitrag, ein Beitrag zu dieser notwendigen Debatte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin natürlich auch sehr froh, dass es gelungen ist, mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU diesen Antrag einzubringen. Vor einigen Jahren, Herr Schnur, und ohne die Finanz- und Wirtschaftskrise wäre es wohl nicht möglich gewesen, gemeinsam mit der CDU-Fraktion für eine Finanztransaktionssteuer zu stimmen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Da hätten Sie uns ausgelacht. Sag ich doch.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte jetzt zu den einzelnen Inhalten unseres Antrages sprechen. Wir wollen, dass sich die Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch weiterhin für Steuergerechtigkeit einsetzt. Steuerhinterziehung und Steueroasen müssen konsequent bekämpft werden, denn Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, Steuerhinterziehung ist kriminell und in hohem Maße unsolidarisch. Während Reiche und Superreiche ihr Geld am Finanzamt vorbeilenken, finanzieren die Bezieher normaler Einkommen die öffentlichen Leistungen mit ihren Steuergeldern. Die nationalen Maßnahmen, die durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz in Deutschland bereits möglich sind, müssen konsequent genutzt werden. Es geht um konkretes Handeln und nicht nur um Alibiveranstaltungen.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, international muss Deutschland eine Vorreiterrolle übernehmen, um Steueroasen trockenzulegen.

(Birgit Schwebs, DIE LINKE: Genau so.)

Wenn es notwendig ist, muss man sich auch mal beim ansonsten ja so sympathischen Nachbarn Schweiz unbeliebt machen, um nationale Interessen durchzusetzen beziehungsweise zu schützen.

(Michael Andrejewski, NPD: Nationale Interessen!)