Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/3384. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke. Die Gegenprobe. – Danke. Enthaltungen? – Danke. Damit ist der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD auf Drucksache 5/3384 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der SPD, der CDU, der FDP und Enthaltung der Fraktion der NPD angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Amtsordnung unverzüglich evaluieren, Drucksache 5/3389. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 5/3428 vor.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Amtsordnung unverzüglich evaluieren – Drucksache 5/3389 –

Änderungsantrag der Fraktion der FDP – Drucksache 5/3428 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag meiner Fraktion zielt darauf ab, einen wichtigen Teil unserer Kommunalverfassung, nämlich die Amtsordnung, unverzüglich zu überprüfen. Dieser Antrag ist nicht parteipolitisch gefärbt und dieser Antrag zielt auch nicht auf die Frage der Zweckmäßigkeit unserer Amtsordnung beziehungsweise Amtsverwaltung – damit sollte sich die Enquetekommission weiter befassen, sehr geehrter Kollege Schnur –, nein, der vorliegende Antrag zielt auf Rechtssicherheit.

Diese notwendige Rechtssicherheit der Amtsordnung in Mecklenburg-Vorpommern ist durch das Urteil des Landes verfassungsgerichtes in Schleswig-Holstein er heblich ins Wanken geraten. Das aber sieht unsere Landesregierung und vielleicht sehen das auch die Koalitionsfraktionen ganz anders. Sowohl in der Antwort auf meine Kleine Anfrage als auch in der Auswertung des Urteils vor unserer Enquetekommission hat das Innenministerium einen unmittelbaren Handlungsbedarf verneint.

Sehr geehrter Herr Innenminister, selten habe ich den Schriftsätzen Ihres Hauses zwischen den Zeilen eine derartige Unsicherheit und ein derartiges Unwohlsein entnehmen müssen. Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Stellungnahmen im Rahmen der Enquetekommission sowohl des Innenministeriums, aber vor allem der beiden streitbeteiligten Rechtsprofessoren Dombert und Ewer zu den Auswirkungen des Urteils in Schleswig-Holstein auf Mecklenburg-Vorpommern wird mein Kollege Methling noch Ausführungen machen. Gestatten Sie mir an dieser Stelle, den vorliegenden Antrag in drei Anmerkungen zu erläutern:

Erstens....

(Marc Reinhardt, CDU: Ich bin gespannt.)

Sehr gut, Herr Kollege Reinhardt.

Erstens. Das Urteil in Schleswig-Holstein ist nicht eins zu eins auf unser Land übertragbar, und das behauptet auch niemand, außer vielleicht der Kollege Reinhardt.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Studiert man aber die Kommentare zu unserer Amtsordnung, die sich fast in jedem zweiten Satz auf die Regelungen in Schleswig-Holstein berufen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten plötzliche Differenzierungsversuche allerdings besonders gründlich hinterfragt werden. Für das Landesverfassungsgericht SchleswigHolstein ist die Amtsordnung insofern mit der dortigen Landesverfassung unvereinbar, als sich Ämter durch zunehmende Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben zu Gemeindeverbänden entwickeln können und bisher keine Vorkehrungen gegen diese Entwicklung oder aber für eine dieser Entwicklung entsprechende unmittel bare Wahl der Amtsausschüsse getroffen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, weder unsere Landesverfassung noch die Kommunalverfassung sehen eine Entwicklung unserer Ämter zu Gemeindeverbänden mit notwendig direkter demokratischer Legitimation

vor, denn sie wurden, ohne jemandem zu nahe zu treten, als sogenannte „Schreibstuben“ der Gemeinden konzipiert. Dies aber, sehr geehrter Herr Innenminister, setzt nach meinem Verständnis einer Übertragung von Selbstverwaltungsaufgaben auf die Ämter deutlich engere Grenzen als in Schleswig-Holstein.

Zweitens. An dieser Stelle möchte ich das Urteil aus Schleswig-Holstein dort heranziehen, wo es unmittelbare Bedeutung für Mecklenburg-Vorpommern hat, Stichwort „offene Aufgabenübertragung“, Stichwort „Prozessbeobachtungspflicht“.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kritisiere an dieser Stelle mit Nachdruck, dass sowohl die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage als auch die Urteilsbewertung aus dem Innenministerium vor der Enquetekommission diese beiden zentralen Argumentations linien des Verfassungsgerichtes mit keiner Silbe erwähnt. Das ist einfach unredlich, will man ordentlich mit dem Parlament umgehen. Das Gericht in Schleswig-Holstein hat seine Prüfung nämlich nicht auf Paragraf 9 der Amtsordnung, also „Zusammensetzung des Amtsausschusses“, begrenzt, sondern ausdrücklich auf Paragraf 5 Absatz 1 Satz 1 erstreckt, das heißt auf die wortgleiche Regelung der Amtsordnung unserer Kommunalverfassung Paragraf 127 Absatz 4. Und im Ergebnis hat das Gericht auch nicht den Wahlmodus der Amtsausschüsse moniert, sondern vielmehr neue Aufgabenübertragungen auf die Ämter mit sofortiger Wirkung untersagt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Falle einer offenen Aufgabenzuweisung, das heißt einer theoretisch unbegrenzten Übertragung gemeindlicher Aufgaben auf Ämter, wie sie in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern geregelt ist, unterstreicht das Gericht die Prozess beobachtungspflicht des Gesetzgebers. In Schleswig-Holstein wurden keinerlei Vorkehrungen geschaffen, um die Entwicklung der Aufgabenübertragung sicher im Auge zu behalten. Und wenn das Gericht feststellt, dass im Land Schleswig-Holstein nicht bekannt war, in welchem Maße den einzelnen Ämtern Selbstverwaltungsaufgaben übertragen wurden, dann, Herr Innenminister, wird damit faktisch auch eine Zustandsbeschreibung für unser Land ge geben. Die von Ihnen gestartete Ämterumfrage verschlimmert die Situation bestenfalls, aber dazu dann in der Diskussion mehr.

Und drittens schließlich zum aktuellen Handlungs bedarf. Die Landesregierung sieht einen solchen nicht. Für Professor März von der Uni Rostock stellt dieses Thema laut „Schweriner Volkszeitung“ vom 15. März „eine rein akademische Frage“ dar, bis jemand in MecklenburgVorpommern Klage erhebt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese akademische Freizügigkeit besitzt unser Landesgesetzgeber aber nicht: „Die Bindung des Gesetzgebers an die verfassungsmäßige Ordnung“, um noch einmal das Landes verfassungsgericht Schleswig-Holstein zu zitieren, „umfasst nämlich auch die Verantwortung dafür, dass die Gesetze in Übereinstimmung mit der Verfassung bleiben.“ Zitatende.

Dieser Verantwortung, sehr geehrter Herr Innenminister, können in Mecklenburg-Vorpommern bezüglich der in der Kommunalverfassung enthaltenen Amtsordnung gegenwärtig weder Landesregierung noch Landtag gerecht werden, da hierfür die Entscheidungsbasis schlicht und einfach fehlt. Vermutungen, Einschätzungen

oder Annahmen sind jedenfalls keine verlässlichen Stützen für Rechtssicherheit, und das will unser vorliegender Antrag ausräumen.

Die FDP-Fraktion hat sich im Vorfeld der heutigen Sitzung auch intensiv mit dieser Problematik auseinandergesetzt und einen Änderungsantrag vorgelegt. Liebe Kollegen der FDP-Fraktion, der Änderungsantrag ist aber offensichtlich etwas mit der heißen Nadel gestrickt:

a) Im Originalantrag heißt es „schnellstmöglich detailliert“, statt wie in Ihrem Änderungsantrag „schnellstmöglich und detailliert“.

b) Im Originalantrag heißt es: „Vorschläge für eine ggf. gebotene Anpassung“ statt „für ein“.

c) Vor allem geht es im Originalantrag um die Anpassung der Rechtslage, statt um die Anpassung der Amtsordnung.

Punkt 1 ist eigentlich unschädlich, denn „detailliert“ im Original umfasst gerade eine Unterscheidung in „quantitativ und qualitativ“. Im Übrigen aber ergibt sich die im Original geforderte detaillierte Erfassung und Analyse direkt aus den Hinweisen der Urteilsbegründung in Schleswig-Holstein.

Punkt 2 fordert einen zusätzlichen Bericht zum Ende des Jahres 2010. Das Original ist mit „schnellstmöglich“ zielführender.

(Zuruf von Toralf Schnur, FDP)

Und Punkt 3 kann keine Zustimmung finden, denn es geht im Originalantrag gerade nicht um berechtigte Fragen der Zweckmäßigkeit der Amtsordnung. Hiermit sollte sich, wie gesagt, die Enquetekommission befassen im Zusammenhang mit den zukunftsfähigen Gemeindestrukturen.

Deshalb ist aus fachlicher, handwerklicher und politischer Sicht Ihr Änderungsantrag leider abzulehnen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem vorgelegten Antrag. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke, Herr Ritter.

Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Caffier. Herr Caffier, …

Sehr geehrter …

… Sie haben das Wort.

Danke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Herr Ritter, es ist schon traurig, dass Sie immer mit Halbwissen und zum Teil mit Unwissen agieren

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sie haben doch gar nicht zugehört, Sie haben doch geschwatzt.)

und damit die Gemeinden verunsichern über Situationen, die derzeit eben nicht bestehen. Und gerade Sie sollten wissen, dass man nicht alles eins zu eins überträgt.

Der Ihnen heute vorliegende Antrag geht in der Tat auf ein Urteil zurück, das das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht getroffen hat, das Teile der dortigen Amtsordnung für mit der schleswig-holsteinischen Landes verfassung unvereinbar erklärt hat. Angesichts der Tatsache, dass wir auch in unserem Bundesland Ämter gebildet haben, kann ich den Antrag der Fraktion DIE LINKE daher durchaus nachvollziehen. Bevor man aber jetzt doch vorschnell die Amtsordnung Mecklenburg-Vorpommerns ändern möchte oder Ämter ganz und gar abschaffen will,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Davon steht kein Wort im Antrag!)

lohnt sich,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

lohnt sich, lohnt sich …

Ich kann Ihre Aufregung überhaupt nicht verstehen. Gehen Sie doch an die frische Luft und kommen Sie wieder rein, dann ist es vielleicht besser.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)