Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist lange her, ne?)

sodass es letztendlich auch geschulte Kolleginnen und Kollegen gab, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Ich finde es richtig, dass wir das jetzt auch mit der Polizei und Staatsanwaltschaft fest etabliert haben.

Einen dritten Punkt, den ich kurz herausgreifen möchte, ist, dass wir die Aus- und Fortbildungsangebote ausgeweitet haben und hier auch entsprechend gute Qualitätsentwicklungen bei der Fortbildung erreicht haben, denn häusliche Gewalt geht uns alle etwas an. Und häusliche Gewalt – das hat Frau Tegtmeier richtig gesagt – ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Die Bekämpfung häuslicher Gewalt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.)

Wir alle müssen hinschauen. Jeder muss hinschauen und jeder muss sich kümmern, wenn es entsprechende Hinweise gibt.

Sie sehen also, ich möchte Ihnen aufzeigen, wie weit das Spektrum derer reicht, die sich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt engagieren, und das ist auch richtig. Dieses breite Spektrum wiederum bedeutet, dass es immer auch noch mehr zu tun gibt. Da widerspreche ich überhaupt nicht. Das ist ein Thema, bei dem wir nicht genug tun können. Und allen, die sich in ihrer täglichen Arbeit diesen Aufgaben stellen, gilt mein aufrichtiger Dank.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, es muss darum gehen, möglichst viele und sichere Schutzräume zu schaffen. Deshalb gehen wir verstärkt auch auf Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zu. Schließlich ist der Arbeitsplatz ein wichtiges Umfeld. Unter dem Stichwort „Workplace Policy“ geht mein Haus an dieser Stelle mit gutem Beispiel voran,

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD: Da steht ja wohl jeder drauf.)

in dem im Landesamt für Gesundheit und Soziales seit einigen Monaten die Dienstvereinbarung „Nein zu häuslicher Gewalt – Mut zum Gespräch am Arbeitsplatz“ greift. Manchmal reicht es schon, einen Wechsel des Büros oder der Telefonnummer zu ermöglichen, um mehr Sicherheit zu schaffen. Dieses „mehr Sicherheit schaffen“ muss sich an den Bedürfnissen derjenigen orientieren, die von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffen oder von ihr bedroht sind. Diese Betroffenen sind keine homogene Gruppe, sondern es sind ganz verschiedene Menschen mit verschiedenen Problemlagen, die eine unterschiedliche Ansprache und unterschiedliche Hilfeleistungen brauchen.

Die Neuauflage des Landesaktionsplans legt deshalb einen neuen Schwerpunkt auf die Zielgruppe männlicher Betroffener, auf Menschen mit Behinderungen, auf Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten. Ich finde, das ist auch richtig so. Damit wird noch klarer, dass sich diese spezielle Art von Gewalt durch alle Teile unserer Gesellschaft zieht und dass es keine Patentlösung für alle Betroffenen gibt und geben kann. Der vorliegende Landesaktionsplan legt deshalb den Fokus auf die passgenaue Kommunikation mit den einzelnen Zielgruppen und auf eine stärkere Abstimmung und Vernetzung zwischen den

beteiligten Professionen, um bestehende wie geplante Angebote wieder und besser miteinander zu verknüpfen oder, wie im Falle der Flüchtlinge, sie für einen speziellen Personenkreis zu öffnen beziehungsweise auszubauen. Hier sind bereits erste Schritte unternommen worden. Sie kennen das – das ist bereits ausgeführt worden –, in der Außenstelle der Erstaufnahme in Stern Buchholz gibt es ein entsprechendes Programm. Die Bundesfamilienministerin arbeitet im Moment auch an einer Aufforderung zu Schutzkonzepten in den entsprechenden Einrichtungen.

Sie sehen weiter, dieser Landesaktionsplan will mehr Schutz und er will effektiveren Schutz. Dazu gehört, die Angebote und Maßnahmen immer wieder anzupassen an die Menschen, an die er sich richtet. Und Schutz bedeutet nicht ausschließlich Schutz vor Tätern und Taten, sondern im Zweifel auch vor Stigmatisierung. Deshalb sprechen wir in diesem Landesaktionsplan nicht mehr von Opfern, sondern eben von Betroffenen. Schließlich geht es am Ende – und damit komme ich wieder an den Anfang meiner Rede zurück – um die Menschen, denen häusliche und sexuelle Gewalt widerfahren ist, dass wir sie stützen und sie aus dem Passivmodus holen können, um ihnen wieder die Handlungsmacht und die Kontrolle über ihr Leben zu geben.

Insofern danke ich noch mal allen, die an diesem Landesaktionsplan mitgewirkt haben, auch wenn es kritische Stimmen waren. Ich hoffe, dass wir an diesem Themenfeld gemeinsam hier weiterarbeiten können. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Gajek von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist viel gesagt worden, …

(Marc Reinhardt, CDU: Aber noch nicht von Ihnen.)

Das auch.

… aber das Papier ist dick und ich denke, Herr Kokert, Sie werden das gewissenhaft gelesen haben und sich dann vielleicht mit Zwischenrufen zurückhalten.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Ich möchte auf ein paar Probleme eingehen, weil ich denke, vieles ist gesagt, aber nicht alles passt in den Plan hinein.

(Zurufe von Vincent Kokert, CDU, und Egbert Liskow, CDU)

Als Erstes möchte ich mich anschließen an den Dank der Mitglieder, die hieran gearbeitet haben. Ich glaube, dass es unheimlich schwierig ist, in den unterschiedlichen Ressorts hier etwas auf den Weg zu bringen. Das, was das Papier leider eben vermisst, ist eine Konkretisierung.

(Vincent Kokert, CDU: Das Papier vermisst was?)

Es ist ein Maßnahmenplan und das ist letztendlich die Kritik, die sich durch die Felder zieht. Ich glaube, da ist in einzelnen Bereichen noch einiges zu tun. Da fällt mir spontan das Innenministerium ein,

(Marc Reinhardt, CDU: Was?)

wo ich denke, dass dort noch nachjustiert wird, nichtsdestotrotz denke ich, auch in anderen Bereichen.

Dass der Personenkreis erweitert wurde, ist notwendig gewesen. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, dass es gerade im Bereich der Männer bei dem Thema „häusliche und sexualisierte Gewalt“ unheimlich problematisch ist, eine Beratung anzubieten oder sie vielleicht auch in einem Art Männerhaus unterzubringen, weil dort andere Männer sind. Wenn sie selber von Männern häusliche oder sexualisierte Gewalt erfahren haben, ist das nicht so einfach zu regeln. Das ist eine ganz schwierige Situation. Von daher denke ich, dass diese Problemsensibilisierung, die erst mal drinsteht, Frau Hesse, gut ist und dass man das verfolgen und möglicherweise mit Modellen vorangehen muss.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Die Frage ist, ob man Modelle aus Stadtstaaten wie Berlin auf M-V übertragen kann. Da bin ich ein Stück weit kritisch und weiß eben nicht, wie die Zugänge sein werden oder ob nicht der Aspekt der Anonymität doch so ist, dass Männer wie auch Frauen dann häufig einen fremden Ort nehmen.

(Vincent Kokert, CDU: Wie ist denn Ihre zentrale Botschaft zu dem Thema, Frau Gajek? – Udo Pastörs, NPD: Das dauert noch ein bisschen.)

Das Zweite ist der Bereich der Menschen mit Handicap.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Hier kommt zum Beispiel der Bereich der psychisch Kranken sehr wenig in den Fokus. Ich denke, dass das notwendig ist, weil wir gerade auch aus dem Bereich wissen, dass diese Frauen und Männer doch häufiger sexueller Gewalt ausgesetzt sind, dann aber …

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: In welchem Bereich?)

Wir reden über Gewalt, ja?!

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: In welchem Bereich sind die ausgesetzt?)

Es geht um psychisch kranke Menschen, die beispielsweise zu Hause leben. Das ist auch von der Ministerin genannt worden. Vielleicht haben Sie ja zugehört.

Auch beim Bereich der älteren Menschen ist es, wenn dann noch psychische Erkrankungen im Alter dazukommen – das ist schon seit Jahren bekannt –, eine ganz schwierige Konstellation.

(Heiterkeit bei Udo Pastörs, NPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Es ist vom Landesfrauenrat vorgeschlagen worden, hier ein Modellprojekt in Angriff zu nehmen. Ich glaube, das

findet unsere Unterstützung, weil ich denke, dass das wichtig ist.

Ein dritter Aspekt ist die Barrierefreiheit. Die geht ja häufig in den Bereich einer baulichen Barrierefreiheit.

(Udo Pastörs, NPD: Da kann man besser flüchten vor der Gewalt, ja.)

Ich habe hier bei einigen das Gefühl, es sollte auch eine Barrierefreiheit im Kopf da sein, um einfach mal über den Tellerrand hinwegzugucken.

(Udo Pastörs, NPD: Ha, Tellerrand!)

Aber es ist geplant, ein Frauenhaus aufzubauen und, Frau Ministerin, es ist auch noch mal der Appell, Sie hier investiv zu unterstützen

(Udo Pastörs, NPD: Investiv! Wie viel wollen Sie denn geben? Wie viel wollen Sie denn zahlen?)

und nicht, dass wir noch länger darüber reden, sondern dass es endlich umgesetzt wird.

Die Petition wurde schon von Herrn Ritter genannt und auch ich finde, dass man das ein bisschen stiefmütterlich hier behandelt hat.

(Peter Ritter, DIE LINKE: „Ein bisschen“ ist gut.)