Protocol of the Session on July 7, 2016

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(Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE: Das kann ja nicht wahr sein. – Peter Ritter, DIE LINKE: Was für ein Bruch!)

Ja, Herr Ringguth, nach diesen salbungsvollen Worten haben Sie vielleicht doch noch mal gleich die Gelegenheit, etwas zu sagen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Jetzt kommt Ihre Abschiedsrede, oder was? – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Manfred Dachner, SPD: Die fieseste Rede, die wir je gehört haben.)

denn Sie sprachen davon, dass es uns nach dem 4. September hier in diesem Land nicht mehr geben wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Tschüss!)

Ich weiß nicht, ob Sie jetzt auch noch irgendwelche anderen Probleme im Alter haben oder woran das liegen mag,

(Susann Wippermann, SPD: Oje!)

aber wenn Sie von den Demokraten nicht vorhaben, irgendwelche Todesschwadronen loszuschicken, dann werden wir am 4. September auf jeden Fall noch in diesem Land sein.

(Zuruf aus dem Plenum: Träum weiter! – Zuruf von Dr. Hikmat Al-Sabty, DIE LINKE)

Ursprünglich wollte ich den Punkt eigentlich noch nutzen, weil es ja um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte geht, und deswegen ist der Punkt passend dafür, eine kleine Entschuldigung loszuwerden. Es gab hier vorgestern wirklich einen sehr unpassenden Zwischenruf aus unserer Fraktion, den wir aufrichtig bedauern. Der war unter der Gürtellinie und es war wirklich nicht unsere Absicht, die Postfrauen in irgendeiner Art und Weise zu beleidigen

(Manfred Dachner, SPD: Natürlich wollten Sie das! Genau das wollten Sie! Da brauchen Sie sich gar nicht herauszureden.)

oder einen ganzen Berufszweig in Verruf zu bringen. Also diesen Vergleich nehmen wir gerne zurück. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Sie sind so albern, Herr Petereit.)

Herr Petereit, ich habe noch mal die Zwischenrufe prüfen lassen und ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für den Zwischenruf, den Sie vorhin während der Debatte gemacht haben.

(Michael Andrejewski, NPD: Weil er die Postfrau beleidigt hat.)

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 90: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mehr Akzeptanz für erneuerbare Energien durch stärkere Beteiligung der Standortgemeinden an der Gewerbesteuer, Drucksache 6/5519.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mehr Akzeptanz für erneuerbare Energien durch stärkere Beteiligung der Standortgemeinden an der Gewerbesteuer – Drucksache 6/5519 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Überschrift „Mehr Akzeptanz für erneuerbare Energien durch stärkere Beteiligung der Standortgemeinden“ – bis dahin ist auf jeden Fall absolut Konsens, denke ich, im Haus unter den demokratischen Fraktionen. Wir wollen – und das sehen wir alle –, dass diejenigen, die ein Stück weit die Belastungen der erneuerbaren Energien zu ertragen haben, auch deutlich entlastet werden in anderer Form.

Wir haben hier als Landtag dazu ein Bürgerbeteiligungsgesetz beschlossen, was auch dieses Ziel verfolgt, ähnlich wie das Thema Gewerbesteuer. Diese beiden Sachen sind deswegen auch miteinander verschränkt und gehören ein Stück weit zusammen, weil sie ein ähnliches Ziel verfolgen.

Wir haben uns zum Bürgerbeteiligungsgesetz damals enthalten, weil wir dieses Ziel klar anerkennen. Und wenn Sie sich vielleicht noch erinnern – das hängt jetzt auch ganz direkt mit der Gewerbesteuer zusammen –, hatte ich gesagt, dass aufgrund des 5-Kilometer-Radius dort bis zu acht Gemeinden zu beteiligen sind und dass das am Ende dazu führen wird, dass auch weniger Gewerbesteuer in der betroffenen Standortgemeinde ankommt.

(Vizepräsidentin Silke Gajek übernimmt den Vorsitz.)

Die Aussage hier im Hohen Haus war, acht Gemeinden, Herr Jaeger, das ist Panikmache, da greifen Sie jetzt mal hier irgend so ein Beispiel raus, das ist Quatsch. Wir hatten gefragt: Wie viele sind es denn? Darauf gab es keine Antwort. Inzwischen gibt es, das halte ich übrigens auch für sehr gut, eine Arbeitsgruppe im Energieministerium, die sich mit den Auswirkungen und den konkreten Ausgestaltungen des Bürgerbeteiligungsgesetzes beschäftigt.

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Dort hat es jetzt endlich die einfache Rechnung gege- ben – wir haben das vorher auch nicht geleistet, mal ein GIS-Programm zu nehmen, zu gucken, wie sind die Umfänge um die Eignungsräume – und wir kommen zum Ergebnis, in 75 Prozent der Eignungsräume, wenn da gebaut würde, wären 8 Gemeinden oder mehr zu beteiligen, im härtesten Fall 15.

(Rudolf Borchert, SPD: Und was hat das mit der Gewerbesteuer zu tun?)

Was hat das mit der Gewerbesteuer zu tun? Was hat das mit der Gewerbesteuer zu tun? Das ist schwach, dass ihr das fragt. Weil das natürlich den Projektgewinn erheblich mindern wird. Der Projektgewinn ist aber verantwortlich für die Frage, wie viel Gewerbesteuer – wo wir uns ja einig sind – wird an der Standortgemeinde gezahlt. Wenn es hart auf hart kommt bei Extrembeispielen, wird am Ende die Standortgemeinde sogar weniger Geld als jetzt bekommen, weil von der Gewerbesteuer was abgezogen werden muss, weil die Gewinne nicht mehr so entstehen, auf der anderen Seite aber die Gelder, die da verteilt werden – was wir für richtig halten, an die Gemeinden Geld zu verteilen –, zu breit verteilt werden.

Wir haben uns intensiv mit dem Thema Gewerbesteuer auseinandergesetzt und sind da auf grundsätzliche Fragen gestoßen, die auch andere Bereiche in diesem Land

natürlich interessieren müssen. Die Gewerbesteuer soll ein Ausgleich sein für Belastungen vor Ort, die durch Gewerbebetriebe entstehen. Das hat nichts mit Regenerativen zu tun, das gilt für alle. Im Moment ist es aber so, dass natürlich der Sitz des Unternehmens oft nicht am Standort des Unternehmens – das ist vor allem bei regenerativen Energien der Fall – ist, und deswegen muss die Gewerbesteuer geteilt werden: Hälfte am Betriebssitz, Hälfte am Verwaltungssitz der Gesellschaft.

Der Gesetzgeber hat darauf reagiert – wie ich finde, in der richtigen Richtung – und hat gesagt, das machen wir nicht mehr fifty-fifty, das machen wir nach dem Verhältnis 70 : 30. Das aber ist eine Bestimmung, die man durchaus noch erweitern kann. Auch andere Zerlegungsschlüssel sind möglich und darauf wollen wir die Gemeinden mit diesem Antrag ausdrücklich aufmerksam machen. Es gibt gute Beispiele. Das läuft zum Beispiel zwischen Rostock und Standortgemeinden, wo sich die beiden Kommunen zusammengesetzt und gesagt haben, wir erkennen die Belastung vor Ort an und wir machen einen Zerlegungsschlüssel 90 : 10. Und das ist genau ein Zerlegungsschlüssel, wo wir sagen, das ist auf jeden Fall fair für beide Seiten. Das sollte grundsätzlich angestrebt werden und das nützt gerade den ländlichen Räumen.

Wir kommen aber dabei auf einen nächsten Punkt. Wir sind als Wirtschafts- und Energieausschuss in einer Gemeinde gewesen, in Groß Schwiesow – die haben eine ganze Menge Windkraftanlagen –, und haben gefragt: Was habt ihr denn konkret von den Anlagen? Und die Aussage war interessant: 90.000 Euro Gewerbesteuerzahlung an die Gemeinde, praktische Auswirkung für den Haushalt nur 9.000, der Rest fließt in alle möglichen Umlagen. Da hat natürlich die Gemeinde am Ende auch was davon, aber das sehen die in den Gemeinden oft nicht, weil sie sagen, wir jedenfalls können darüber nicht mehr verfügen.

Das ist ein grundsätzliches Problem, auf das wir aufmerksam machen und wo wir glauben – wir wollen das Solidarprinzip zwischen den Gemeinden, das ist wichtig und existenziell und es kann nicht sein, dass die Gewerbesteuer einfach komplett in einer Gemeinde verbleibt und sie sagt, davon geben wir nichts ab –, es muss das Solidarprinzip herrschen. Wenn das Solidarprinzip aber so groß ist, dass die Gemeinden vor Ort sagen, eine Erhöhung der Gewerbesteuer kommt für uns gar nicht in Betracht, denn wir haben ja gar nichts davon, wir quälen nur die Gewerbetreibenden bei uns vor Ort, aber was wir da an Mehreinnahmen haben, schieben wir, wie gesagt, zu fast 90 Prozent an die anderen Gemeinden weiter, ist es da nicht sinnvoll, im neuen FAG – und es soll ja bis 2018 überarbeitet werden in der nächsten Legislaturperiode – eine Regelung einzuführen?

Wir machen einen Vorschlag – der ist auch nur als Prüfauftrag da drin, weil selbstverständlich sind verschiedene andere Meinungen möglich –, der da sagt, bis 500.000 Eu- ro Gewerbesteuereinnahme verbleibt die Hälfte etwa anrechnungsfrei in der Gemeinde. Das motiviert aus meiner Sicht die Gemeinden, gerade die kleineren Gemein- den, sich um das Thema Gewerbesteuer anders zu kümmern, weil sie wirklich direkt was davon haben. Und die Hoffnung ist dahinter, dass wir am Ende sogar mehr Gewerbesteuer insgesamt einnehmen, weil die Gemein- den dann anders hinterher sind und sich um Lösungen bemühen vor Ort, die dieses Finanzierungsinstrument der Kommunen stärken.

Die Großen – wie zum Beispiel Rostock, 30 Millionen Gewerbesteuereinnahmen – würde dieser kleine Vorteil nicht groß voranbringen. Das sind Minisummen, die sie dann noch obendrauf bekommen. Es käme vor allen Dingen in den kleinen Gemeinden an. Das ist das Ziel, was wir haben.

Uns ist aufgefallen – wir haben uns beschäftigt mit Brandenburg, die haben nämlich genauere Untersuchungen gemacht zum Thema Windkraftgewerbesteuereinnahmen –, die haben errechnet, dass sie einen Umsatz haben durch das EEG von etwa einer halben Milliarde Euro im Land Brandenburg pro Jahr, und nach ihrer Rechnung, die natürlich nur überschlägig ist, hätte das für die Kommunen im Land Brandenburg etwa 30 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen pro Jahr bedeuten müssen. Real bei der Umfrage kamen knapp 4 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen heraus, also deutlich weniger als die angenommene Gewerbesteuerzahlung. Die Frage ist: Warum ist das so?

Ein ganz entscheidender Punkt, haben wir festgestellt bei der Bearbeitung, ist, dass die Projekte entwickelt werden von irgendwelchen Firmen, dann allerdings meistbietend auf den Markt geworfen werden. Das ist diesen Firmen nicht unbedingt vorzuwerfen, sondern das ist das Prinzip, was wir haben von Marktwirtschaft, führt aber dazu, dass die Veräußerungsgewinne am Standort der Unternehmen versteuert werden, die diese Projekte geplant haben, und die betroffene Gemeinde von diesem Veräußerungsgewinn überhaupt nichts hat.

Das wäre zu prüfen im Rahmen der Überarbeitung auch des FAG, ob man nicht Initiativen entwickelt auf Bundesebene, die da lauten, solche Veräußerungsgewinne müssen quasi dann vorab in die Gewerbesteuer einbezogen werden, damit hier die Standortgemeinden wieder das bekommen, was ihnen zusteht, und nicht nur die eine Gemeinde, die zufällig den Sitz des Projektentwicklers hat. Die kriegen nämlich dann richtig Kohle, die kriegen da richtig was obendrauf gepackt. Das wird übrigens auch vergessen bei den Erhebungsfragen, wie viel nimmt denn der Steuerzahler an Gewerbesteuer ein, weil die Sachen einfach rausgebucht werden, die allerdings konzentriert in bestimmten Ortschaften tatsächlich zum Tragen kommen. Hier müssen wir ansetzen, damit wir erreichen, dass die Gewerbesteuer ein sinnvolles Instrument für die betroffenen Gemeinden ist.

Wir haben außerdem mitbekommen, wie Gemeinden unter Umständen sich dort Zugriffsrechte sichern können. Da sind wir uns ja einig, dass die direkte Beteiligung von Gemeinden, die auch im Bürgerbeteiligungsgesetz vorgesehen ist, durchaus ein guter Weg wäre, damit die Gemeinde einen Fuß in der Tür hat und nicht einfach von außen über den Löffel balbiert werden kann.

Der Vorschlag, den wir in einem Seminar gehört haben – den möchte ich auch gerne weitergeben –, ist, dass die Gemeinde mit einem minimalen Anteil in die Gesellschaft hineingeht. Wie man das schafft, dafür gibt es auch Ideen. Das müssen wir jetzt hier nicht breit erläutern, aber es gibt da gute Ideen, wie das Gemeinden erreichen können. Und wenn sie den Fuß in der Tür haben, bilden sie einen Beirat. In diesem Beirat ist der Bürgermeister der Gemeinde geborenes Mitglied, der sitzt immer drin. Und dann werden im Beirat bestimmte Entscheidungen festgelegt, die man nur einstimmig – dann ist nämlich völlig egal, wie viele andere Leute noch in dem Beirat

sitzen – fällt, inklusive dass man diese Regelung natürlich auch nur einstimmig ändern darf.

Da steht zum Beispiel drin, der Beirat muss zustimmen, wenn der Sitz des Unternehmens verlegt wird oder der Verkauf der Gesellschaft ansteht. Dann bedeutet das, wenn der Bürgermeister in dem Beirat sitzt, dass das an der Gemeinde vor Ort vorbei nicht mehr möglich ist. Das ist aus meiner Sicht – und das wird praktiziert in Schleswig-Holstein –, das ist aus meiner Sicht ein geniales Mittel, um zu verhindern, dass diese Projekte von einer Hand in die andere gehen und am Ende, weil der Gewinn immer weiter nach unten geht, in der Standortgemeinde nichts bleibt.

Warum gehen die Gewinne nach unten? Das hängt schlicht damit zusammen, dass wir die absolute Niedrigzinspolitik haben und gerade Pensionsfonds, Versicherungen händeringend nach Minimalrenditen unterwegs sind. Eine Rendite von 2 oder 3 Prozent ist aus deren Sicht eine fantastische Rendite und das führt dazu, dass sozusagen alles, was obendrauf ist, abgeschöpft wird und dann das Ganze für eine 2-bis-3-Prozent-Rendite verkauft wird. Das kommt dann eben den Gemeinden nicht mehr zugute.

Das, denke ich, wollen wir alle gemeinsam nicht und deswegen machen wir mit unserem Antrag zum Thema Gewerbesteuer, wie kann man sie weiterentwickeln, einen Aufschlag und hoffen, dass in der nächsten Legislaturperiode andere diesen Ball dann wirklich aufgreifen und die Gewerbesteuer sinnvoll zum Wohle der Gemeinden, auch im Bereich der regenerativen Energien, weiterentwickeln. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Jaeger.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung Herr Pegel. Bitte.

Vielen Dank, sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihr Antrag, da sind wir uns, glaube ich, an vielen Stellen der Diskussion immer einig gewesen, gibt zweifelsfrei viele sinnvolle Hinweise, vieles, was ich und vermutlich auch die anderen demokratischen Fraktionen uneingeschränkt teilen würden. Aber er ist im zentralen Punkt durch das bisherige Aktivwerden der Landesregierung, insbesondere der Finanzministerkollegin Frau Polzin, schon mehr als übererfüllt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Ihrem ersten Punkt fordern Sie, die Landesregierung möge die Gemeinden dabei unterstützen, die Chancen der Energiewende zu nutzen, und schlagen dafür vor, die Landesregierung möge den Gemeinden konkrete Hilfestellung an die Hand geben.