Auf der einen Seite – und das meine ich jetzt nicht abwertend, das sind zwei unterschiedliche Seiten einer Medaille –, auf der einen Seite die Auseinandersetzung mit der Sinnhaftigkeit von Mauterhebungen für Lkws, jetzt mal unabhängig von welchem Gesamtgewicht, auf allen Straßen, ob das, so, wie Frau Kollegin Schwenke das durchdekliniert hat, rechtlich sinnvoll ist, machbar ist, ob es technisch sinnvoll ist, machbar ist.
Und auf der anderen Seite Kollege Jaeger, wo ich ja eher den Eindruck hatte, dass es gar nicht um die Frage geht, ist es jetzt, sagen wir mal, aus verkehrstechnischen Überlegungen alleine sinnvoll, sondern wo letztendlich dann ja auch, glaube ich, eher die grundsätzliche politische Überlegung dahinterstand. Das …
Und das sind natürlich Dinge, wo man dann offensichtlich leicht ein bisschen aneinander vorbeidiskutiert, weil wenn ich eine grundsätzliche politische Einstellung habe, dass ich sage, ich will zum Beispiel Lkw-Verkehre bemauten, weil ich – ich vereinfache das jetzt mal – Individualverkehr vielleicht von der Straße auf die Schiene bringen will, ist das, ohne dass das jetzt unbedingt in allen Fällen meine persönliche Meinung ist, aber dann ist das natürlich eine politische Argumentationsweise, wo ich jetzt mit Kostenfragen alleine nicht dagegen andiskutieren kann. Das ist eine Grundsatzfrage und wenn ich eine grundsätzliche politische Entscheidung getroffen habe, dann bin ich im Zweifel auch bereit, die entsprechenden Kosten daraus zu tragen. Und das ist deswegen auch der Punkt, wo ich glaube, dass man das dann ehrlich diskutieren soll. Dann soll man es auch unter diesem Gesichtspunkt diskutieren.
Dann soll man die Frage in den Raum stellen, das kann man natürlich mit einem Antrag machen: Einführung einer Lkw-Maut – ich verkürze das jetzt mal, so, wie es Herr Minister Schlotmann auch getan hat – auf alle Straßenebenen, auf alle Straßen? Das kann man damit machen, aber dann soll man auch im Endeffekt zugeben, und das ist ja durchaus legitim, dass das ja nur der erste Schritt wäre in einer Folge weiterer Schritte.
Der nächste Schritt, wir reden momentan über Lkws ab 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht, der nächste
Schritt wäre, Frau Kollegin Schwenke hat ja auch schon darauf hingewiesen, die Überlegungen auf europäischer Ebene gehen nicht von 7,5 Tonnen aus, sie gehen von 3,5 Tonnen aus. Das wäre also im Grunde die Konsequenz, dass man auf bundesdeutscher Seite sagen würde, die bisherigen Bedenken, die wir hatten – Sie nicken, Herr Jaeger – müssten dann im Endeffekt aufgegeben werden, wir gehen auf 3,5 Tonnen runter.
Und jetzt gucke ich Sie mal alle an, meine Damen und Herren, der eine oder andere von Ihnen fährt vielleicht einen schweren Pkw, er wird noch keine 3,5 Tonnen wiegen, aber...
(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wer 3,5 Tonnen als Privat-Pkw durch die Gegend fährt, also …)
Ich sage ja nur, der nächste Schritt ist dann, tatsächlich zu sagen, wir bleiben nicht bei 3,5 Tonnen stehen, sondern wir machen – wie gesagt, die politische Überlegung halte ich für völlig legitim –, wir sprechen dann über eine Bemautung sämtlicher Verkehre,
auch vielleicht aus der Überlegung heraus, dass ich sage, ich will also Verkehre von der Straße, in welcher Form auch immer, auf die Schiene bringen.
Und wenn wir darüber sprechen, sind wir natürlich in einem ganz anderen Bereich drin, dann sind wir in der grundsätzlichen Diskussion darüber: Wie will ich denn tatsächlich hier mit Verkehren umgehen?
Jetzt wissen Sie, das hoffe ich jedenfalls, Herr Kollege Jaeger, Sie wissen, dass ich persönlich dem durchaus positiv gegenüberstehe, dass man sagt, mehr Personen vom Individualverkehr auf den Schienenverkehr und auch mehr Güter von dem motorisierten straßengebundenen Verkehr auf die Schiene. Aber was ich anders sehe, ist natürlich die Frage, ob man dieses Mittel „Maut“ dann tatsächlich dazu nutzen sollte und nutzen darf – „darf“ nicht in rechtlichem Sinne, sondern aus politischer Verantwortung gegenüber denjenigen, für die man ja in einem Parlament sitzt – und ob das dann tatsächlich das richtige Mittel ist. Ich will Ihnen auch ganz kurz darlegen, warum ich das so sehe.
Frau Kollegin Schwenke hat ja schon darauf hingewiesen, Herr Minister Schlotmann hat auch darauf hingewiesen: Es gibt jetzt seit 2011 im Endeffekt die Bereitschaft zu sagen, wir geben das Geld, das über die LkwBemautung einfährt, in den Straßenausbau wieder rein. Ich kann mich allerdings auch daran erinnern, an die langen Diskussionen, die es gegeben hat – egal übrigens
mit welchem Bundesverkehrsminister und mit welchem Bundesfinanzminister –, ob das tatsächlich so sinnvoll ist oder ob die Mittel nicht in den allgemeinen Haushalt fließen sollten.
Wir haben auch heute noch keine verbindliche Regelung, dass es so ist, sondern es ist letztendlich jeweils eine Vereinbarung dort innerhalb der Bundesregierung, dass das so gehandhabt wird. Auf der anderen Seite, und auch die Diskussion haben wir hier im Landtag gehabt, haben wir immer wieder erkennen müssen, dass ja gerade die Erhebung der Maut von denjenigen, die weniger Geld ins System geben wollen, immer wieder herangezogen wird und gesagt wird: Ihr bekommt doch schon Geld.
Und wenn man das jetzt mal weiterdenkt, dann würde nämlich genau das, was Sie eigentlich nicht erreichen wollen, dass nämlich dieses System des nicht individuellen Verkehrs gestärkt wird, im Endeffekt dadurch konterkariert, dass man genau denjenigen sagt, die sich heute dafür einsetzen – und da sind wir, glaube ich, ganz nah beieinander –, dass man denen wieder sagt: Ihr kriegt doch ohnehin schon Geld über die Maut.
Und ich gehe noch einen Schritt weiter. Es ist ja nicht nur das Problem des Straßenverkehrs, wir können ja auch mal über das Thema Gemeindesteuerreform diskutieren. Dann gucke ich jetzt mal den Kollegen Müller an,
der kriegt ja schon herunterhängende Ohren, wenn er das nur hört. Die gleichen Herren werden dann sagen: Wir müssen doch nicht mehr über eine Gemeindesteuerreform diskutieren, ihr bekommt doch euer Geld für die Straßeninfrastruktur schon über die Mauterhebung.
Von den Kosten, die da entstehen – Frau Kollegin Schwenke hat darauf hingewiesen –, will ich überhaupt nicht reden. Also das ist aus meiner Sicht alleine schon aus diesen Überlegungen heraus der falsche Ansatz, selbst wenn man das von Ihnen verfolgte Ziel will. Und deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, muss man doch mal darüber nachdenken: Was kann denn eigentlich der richtige Ansatz sein?
Ich will jetzt mal nur zwei Punkte aus dem Katalog aufgreifen, den Sie dort aufgeführt haben. Auf der einen Seite sagen Sie, Autobahnen würden durch eine Bemautung entsprechend ihrer raumordnerischen und netzkonzeptionellen Funktion durch den Lkw-Verkehr stärker genutzt. Und da nehme ich mal ein Beispiel aus diesem Land, da nehme ich das Beispiel der A 20: Wir haben alle zusammen die Presseartikel verfolgen können, wie stark oder wie gering im Endeffekt die A 20 in östlicher Richtung hinter Rostock genutzt wird. Das kriegen Sie nicht durch eine Bemautung geändert. Die werden auch hinterher noch nicht über die A 20 fahren, wenn sie, ich sage mal, von Neubrandenburg Richtung Hamburg wollen. Dann fahren die immer noch über die Bundesstraßen durchs Land. Es ist nämlich keine Frage des entsprechenden Mautausweichverkehrs, so, wie Sie das angesprochen haben, sondern es ist offensichtlich, dass die Planung, die Anfang der 90er-Jahre für diese Autobahn gemacht worden ist, nicht den verkehrspolitischen Bedürfnissen entsprochen hat.
Wir sollten teilweise darüber glücklich sein, dass, wenn wir auf der Autobahn sind, wir da schneller vorankommen. Ob man sie unter dem Gesichtspunkt heute allerdings wieder bauen würde, halte ich für ein großes Fragezeichen.
Wenn wir aber jetzt diese Diskussion führen über Mautausweichverkehre oder Bemautung von Lkw-Ver- kehren auf Autobahnen, dann lösen wir diese Frage, die ich eben angesprochen habe, durch diese Bemautung nicht, sondern, wie gesagt, die Fahrzeuge fahren trotzdem nicht dort lang. Sie werden trotzdem von Ost nach West über die Bundesstraßen in diesem Land fahren, die halt nach den derzeitigen Konstellationen nicht unter die Bemautung fallen, und sie werden, auch wenn sie dafür zahlen müssen, weiterhin dort fahren.
Sie erreichen das, was Sie formal vorgeben, doch gar nicht! Das Einzige, was Sie erreichen, ist, die Verkehre zusätzlich zu belasten. Und diese zusätzliche Belastung, die wird dann tatsächlich – auch das ist völlig normal – von dem Spediteur versucht werden, wieder an den Kunden abzugeben. Das heißt also, die Menschen in diesem Land werden mehr bezahlen, ohne dass es auf der anderen Seite eine nennenswerte Verbesserung ihrer Situation geben wird, weil der Verkehr wird immer noch genau da lang fahren und die Autobahn, die A 20 wird immer noch nicht benutzt werden in diesem Teilstück.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob dann ehrlicherweise nicht von Ihnen gesagt werden sollte: Wir wollen die Bemautung, weil wir den individuellen Verkehr nicht haben wollen. Die Maut ist im Grunde nur Mittel zum Zweck, wir wollen sie letztendlich – ich überspitze das jetzt etwas –, so hoch machen, dass der Verkehr sich nicht mehr rechnet auf den Straßen und stattdessen Züge und Schienenverkehr genutzt werden.
Und dann komme ich zu dem anderen Punkt, da schließt sich das nämlich. Dann sagen Sie, Sie wollen zusätzliche Anreize schaffen, um Straßentransporte auf die Schiene zu bringen. Auch das halte ich für sinnvoll.
Und wenn man das sieht, zum Beispiel in Ihrer Heimatstadt, in meiner Heimatstadt, in Rostock gibt es ja den KLV-Terminal, er wird ja durchaus angenommen. Aber das Problem bei diesen Verkehren ist doch im Endeffekt, dass es attraktiv genug sein muss für die Spediteure, wenn man jetzt mal längere Strecken fährt – für regionale Verkehre ist das ja ohnehin keine Alternative –, dass es attraktiv sein muss, dieses Angebot, um tatsächlich zu sagen: Ich gehe von der Straße auf die Schiene.
Nun macht ja der Bundesgesetzgeber durchaus Versuche, das attraktiver zu machen. Sie können ja bei kombinierten Ladungsverkehren, das werden Sie auch wissen, anders als beim normalen Straßenverkehr im Vor- und Nachlauf sogar mit 44 Tonnen fahren anstatt nur mit 40 Tonnen. Das ist ja schon ein Angebot, damit die Spediteure mit ihren Lkws auf die Schiene gehen. Aber allei
ne zu sagen, du kannst jetzt zu einem KLV-Terminal fahren, gehst mit deiner Fracht auf die Schiene und irgendwo anders wird dann der Zug wieder enden und du holst es wieder runter, das alleine bringt es nicht. Es muss ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Angebot sein, und da bleibe ich mal bei dem Beispiel Rostock.
Sie selber wissen doch auch, wie schlecht es darum bestellt ist, zum Beispiel um die Bahnanbindung von Rostock – ich sage es jetzt etwas läppisch – in den Rest der Welt, ob es in Richtung Berlin ist oder wo auch immer hin. Und wenn die Ganzzüge – Ganzzüge gibt es, glaube ich, gar nicht mehr ab Rostock, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe, da bin ich mir jetzt aber nicht ganz sicher und will nichts Verkehrtes sagen –, wenn die Züge dann tatsächlich von Rostock aus fahren, dann bleiben sie möglicherweise mit ihrem kombinierten Ladungsverkehr in Seddin bei Berlin stehen. Ich glaube nicht, dass ein Spediteur, der vielleicht just in time seine Lieferung abliefern muss, damit besonders glücklich sein wird, und dann wird er sich sagen, ich zahle trotzdem die Maut.
Bei dem Ansatz Ihrer Begründung, eine qualitative Verbesserung in bestimmten Bereichen zu erreichen, erreichen zu wollen, bin ich völlig bei Ihnen, aber Sie dürfen das aus meiner Sicht nicht mit Ihrem grundsätzlichen politischen Ziel einer Einführung einer Maut verbinden, weil das eine nicht zwingend das Ergebnis von dem anderen ist.
Eben, es ist Ihre politische Entscheidung zu sagen, wir wollen das, aber dann ist es auch mein Recht zu sagen, das eine führt nicht automatisch zu dem Ergebnis des anderen.
Dann seien Sie so ehrlich, und damit will ich zum Ende kommen, seien Sie so ehrlich, so, wie das ja auch von Ihrer Bundestagsfraktion diesen Monat noch, wie ich das in der Kleinen Anfrage an die Bundesregierung gelesen habe, deutlich gemacht wurde: Wann wird die 3,5-Tonnen-Maut eingeführt für Lkws? Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Maut für Pkws einzuführen? Dann sagt man das so ehrlich, dann kann man darüber politisch diskutieren.