Mehrere Tage wurden Angriffe, Pogrome gegen die Flüchtlinge gestartet, ehemalige Vertragsarbeiter unter Druck gesetzt, die damals in diesem völlig überfüllten Haus lebten. Ein aggressiver Mob von Neonazis und Mitläuferinnen und Mitläufern schleuderte Steine und Brandsätze gegen das Sonnenblumenhaus – unter Johlen und Beifallklatschen einer zuschauenden Menge.
Die Einsatzkräfte der Polizei, die Bundes- und Landespolitik, die ganze Zivilgesellschaft versagten.
Es war reiner Zufall, dass in dem Inferno niemand ums Leben kam. Die Wenigen, die helfen wollten, wurden der Lage nicht Herr, die Situation eskalierte völlig. Die fehlgeleitete Wut der Randalierer und ihrer Mitläufer entlud sich an den Bewohnerinnen und Bewohnern des Sonnenblumenhauses.
Die wehrlosen Flüchtlinge und Arbeitsmigranten waren die Leidtragenden, die Opfer des randalierenden und gewalttätigen Pöbels, sie waren Opfer einer überforderten und versagenden Politik.
Die rassistischen Übergriffe erfolgten in einer Zeit, als die Debatte um eine Verschärfung des Asylrechts hochkochte. Wir erinnern uns alle an die Losung „Das Boot ist voll“ und diese Sprüche, die das Leben damals und die Politik begleiteten.
Nach den Ausschreitungen kam es dann auch zur faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl. Die Drittstaatenregelung wurde eingeführt, wonach Flüchtlinge abgewiesen werden konnten, wenn sie über ein als sicher geltendes Land einreisen.
Im Jahre 1993 trat das restriktive Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft. Mit ihm wurden menschenunwürdige Leistungssätze für Asylbewerberinnen und Asylbewerber eingeführt, die lediglich ein Überleben, aber kein Leben ermöglichten. Im Juli dieses Jahres
kam es dann zu dem Urteil vom Bundesverfassungsgericht, welches vernichtend war. Fast 20 Jahre nach dem Bestehen dieses Asylbewerberleistungsgesetzes wurde es in weiten Teilen für verfassungswidrig erklärt.
Nicht alle Menschen, meine Damen und Herren, wollen an die Ereignisse von 1992 erinnert werden. Das bedauere ich. So zeigten sich viele der Anwohnerinnen und Anwohner am Rande der Gedenkveranstaltungen vom vergangenen Wochenende eher unbeteiligt. Befragt zu den Ereignissen konnten oder wollten viele von ihnen keinen Kommentar abgeben –
traurige Erkenntnis in der Auseinandersetzung mit diesen Ereignissen aus 1992 in Rostock-Lichtenhagen,
traurige Realität, dass die Auseinandersetzung in weiten Teilen der Bevölkerung nicht oder nur unter vorgehaltener Hand stattfindet. Auch deswegen haben wir diese Resolution heute hier zur Abstimmung gestellt, weil wir,
ja, weil wir die Menschen auffordern wollen, tatsächlich demokratisches, tolerantes Gedankengut anzunehmen
und sich öffentlich dazu zu bekennen. Das ist, glaube ich, der Auftrag, den wir als Politik hier erfüllen müssen.
Feindlichkeit gegenüber Andersdenkenden und gegenüber den schwächsten Mitgliedern in unserer Gesellschaft
Einzug bis in die Mitte der Gesellschaft gefunden haben, müssen wir aktiv werden und immer wieder Flagge zeigen. Sie sind offen vorhanden, das wissen wir, aber sie sind eben auch latent vorhanden
heute diese Resolution zu verabschieden: „20 Jahre ausländerfeindliche Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen – Mahnung und Verpflichtung. Für eine lebendige Demokratie, gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt!“
Damit wird von diesem Parlament erneut ein Signal ausgehen: Die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen dürfen nicht in Vergessenheit geraten.
Es bedarf einer weiteren gründlichen Aufarbeitung der Ereignisse von 1992, um das Geschehene wachzuhalten und Wiederholungen auszuschließen.
Es ist unsere Aufgabe, die Zivilgesellschaft weiter zu stärken. Wir brauchen Mut und Courage im Alltag.
Ausländerfeindlichkeit, Rassismus, Hass und Gewalt dürfen keinen Raum haben – nicht in Rostock, nirgendwo! Wir müssen ein noch größeres Augenmerk auf die Prävention legen, vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen,